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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1002 der Ritter Thietmar, dem keine andere Schutzwehr blieb, als das Zimmer, in dem er sich befand, so an: „Warum thut ihr das? Welcher Wahnsinn hat euch verleitet, daß ihr, vergessend die Wohlthaten, die euch Graf Ekkihard erwiesen hat, und daß ihr ihn aus freien Stücken selbst zu euch berufen habt, nun in solcher Weise zum Verderben seines Sohnes euch erhebt? Wenn ihr die Beweggründe zu einer so großen Gewaltthat öffentlich oder insgeheim einem von uns eröffnen wollt, so verspreche ich euch im Namen meines Lehnsherrn und unser aller so zuverlässig, wie ihr nur wollt, eine beliebige Verbesserung dessen, was versehen ist, und Abwendung aller eurer Besorgnisse für die Zukunft. Den Mann aber, dessen Herausgabe ihr so unbarmherzig von uns verlangt, um ihn zu tödten, bekommt ihr, so lange wir leben, nicht. Unser sind nur wenige, aber des seid gewiß, wir sterben entweder zusammen, oder wir verlassen allesammt unverletzt diese Burg.“ Als die Angreifenden solche Reden vernahmen, besprachen sie sich mit jenen und gewährten ihnen freien Abzug. Darauf luden die Meißner durch Abgeordnete den Herzog Bolizlav ein zu ihnen zu kommen, öffneten die Thore und empfingen ihn. Und so ward erfüllt was geschrieben ist: „Sie freuen sich, Böses zu thun, und sind fröhlich in ihrem bösen verkehrten Wesen“[1]. Und wiederum: „Im Anfange sind ihre Lippen süß wie Honigseim, aber hernach sind sie bitter wie Wermuth“[2]. Bolizlav, aufgeblasen über dieses Glück, besetzte die ganze Landschaft bis an den Elsterfluß, und vertheilte überall seine Schaaren. Als sich darauf die Unseren einmüthig zusammenthaten, dies zu hindern, schickte ihnen der listige Mann einen Abgesandten entgegen, welcher ihnen versicherte, er habe dies mit Herzog Heinrichs Vergunst und Genehmigung unternommen; er werde die Bewohner des Landes in keiner Hinsicht schädigen, und wenn Heinrich sich einmal im Besitze des Reiches festgesetzt habe, so werde er den Wünschen desselben in jeder Beziehung beipflichten; wo nicht, so werde er gern thun, was ihnen

  1. Sprüch Salomonis 2, 14.
  2. Auszügliches Citat aus Sprüche Salomonis, Cap. 5, V. 3 u. 4.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/176&oldid=- (Version vom 28.9.2023)