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Seite:Die Edda (1876).djvu/048

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Anonym: Edda

22
Unweiser Mann   durchwacht die Nächte

Und sorgt um alle Sachen;
Matt nur ist er,   wenn der Morgen kommt,
Der Jammer währt wie er war.

23
Ein unkluger Mann   meint sich Alle hold,

Die ihn lieblich anlachen.
Er versieht es sich nicht,   wenn sie Schlimmes von ihm reden
So er zu Klügern kommt.

24
Ein unkluger Mann   meint sich Alle hold,

Die ihm kein Widerwort geben;
Kommt er vor Gericht,   so erkennt er bald,
Daß er wenig Anwälte hat.

25
Ein unkluger Mann   meint Alles zu können,

Wenn er sich einmal zu wahren wuste.
Doch wenig weiß er   was er antworten soll,
Wenn er mit Schwerem versucht wird.

26
Ein unkluger Mann,   der zu Andern kommt,

Schweigt am Besten still.
Niemand bemerkt,   daß er nichts versteht
So lang er zu sprechen scheut.
Nur freilich weiß   wer wenig weiß
Auch das nicht, wann er schweigen soll.

27
Weise dünkt sich schon   wer zu fragen weiß

Und zu sagen versteht;
Doch Unwißenheit mag   kein Mensch verbergen,
Der mit Leuten leben muß.

28
Der schwatzt zuviel,   der nimmer geschweigt

Eitel unnützer Worte.
Die zappelnde Zunge,   die kein Zaum verhält,
Ergellt sich selten Gutes.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/048&oldid=- (Version vom 31.7.2018)