Anonym: Edda | |
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Da ging die Magd heim und sprach zu Sigrun:
Wenn dich den Volksfürsten zu finden lüstet.
Der Hügel ist offen, Helgi gekommen.
Die Kampfspuren bluten; der König bittet dich,
Du wollest die weinenden Wunden ihm stillen.
Sigrun ging in den Hügel zu Helgi und sprach:
Wie die aasgierigen Habichte Odhins,
Wenn sie Leichen wittern und warmes Blut,
Oder thautriefend den Tag schimmern sehn.
Eh du die blutige Brünne noch abwirfst.
Das Haar ist dir, Helgi, in Angstschweiß gehüllt,
Ganz mit Grabesthau übergoßen der König;
Die Hände sind urkalt dem Eidam Högnis:
Was bringt mir, Gebieter, die Buße dafür?
Daß Helgi trieft von thauendem Harm.
Du vergießest, goldziere, grimme Zähren,
Sonnige, südliche eh du schlafen gehst.
Jede fiel blutig auf die Brust dem Helden,
Grub sich eiskalt in die angstbeklommene.
Verloren wir Lust und Lande gleich.
Stimme Niemand ein Sterbelied an,
Schaut er durchbohrt die Brust mir auch.
Nun sind Bräute verborgen im Hügel,
Königstochter, bei mir dem todten!
Sigrun bereitete ein Bett im Hügel und sprach:
Ein sorgenloses, Sohn der Ülfinge.
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/166&oldid=- (Version vom 31.7.2018)