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Anonym: Edda

Deine Bettdecken waren,   das blauweiße Stickwerk,
Roth von des Gatten Blut,   ganz von dem Schwall bedeckt.

5
„Zu rasch warst du   mit der Rache der Brüder,

Die Söhne zu schlachten   mit grausamem Sinn.
Wir könnten die junge nun   an Jörmunrek
Atlis Söhnen gesellt,   die Schwester, rächen.

6
„Doch hole das Heergeräth   der Hunnenkönige,

Weil zum Waffenspiel   du uns erwecktest.“

7
Wie gerne ging da   Gudrun zum Rüstsaal,

Kor aus den Kisten   königlichen Helmschmuck
Und breite Brünnen,   brachte sie den Söhnen.
Die Muthigen luden   den Mähren sich auf.

8
Da hub Hamdir an   aus hohem Muth:

„Dir kehren nicht mehr   die Mutter zu schauen
Die Fechter, gefällt   im Volk der Goten,
Bis uns du Allen   das Erbmal rüstest,
Swanhilden gesamt   und deinen Söhnen.“

9
Ging da Gudrun,   Giukis Tochter,

Bei Seite sitzen   mit Leid beschwert.
Sie zählte der Freunde   Unfälle sich auf
Hin und her,   die Harmbeschwerte:

10
„Drei Häuser hatt ich,   drei Herdgluten,

Drei Gatten ward ich   ins Haus begleitet.
Sigurd allein war mir   werther als alle;
Meine Brüder haben   ihn umgebracht.

11
„So bittern Leides   ward mir nicht Buße.

Noch mehr gedachten   sie mich zu betrüben,
Als mich die Edlinge   dem Atli gaben.

12
„Die kühnen Knaben   kos’t ich herbei:

Ich sollte nicht Sühne   der Schmerzen gewinnen
Bis ich vom Halse hieb   der Niflungen Haupt.

13
„Den Nornen gram   ging ich an den Strand,

Der Falschen Verfolgung   wollt ich entfliehn.
Mich hoben, nicht schlangen   die hohen Wellen:
Zu längerm Leben   stieg ich ans Land.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/249&oldid=- (Version vom 31.7.2018)