Seite:Die Edda (1876).djvu/408

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Anonym: Edda

ihm Thors junge Tochter anverlobt, das ausgestreute Saatkorn scheint dem finstern Erdgrunde verhaftet zu sein; aber Wingthor kommt heran und hebt dieses Verlöbniss auf, die Saat wird mit dem rückkehrenden Sommer wieder an das Licht gezogen.“

Die List, deren sich Thor gegen den Zwerg bedient, ihn durch Fragen aufzuhalten bis er vom Tageslicht überrascht zu Stein erstarrt, knüpft sich an einen bekannten, in vielen Sagen benutzten Volksglauben, von dem in unsern Eddaliedern noch ein Andermal ein ähnlicher Gebrauch gemacht wird, nämlich in der Helgakwida Hiörwardssonar, wo Atli die Riesin Hrimgerd im nächtlichen Wortstreite säumt bis die aufgehende Sonne sie in ein Steinbild verwandelt. Anspielungen darauf finden sich in unserm Liede selbst, Str. 17 und Hrafnag. 24.

Nach dieser Erwägung der Einkleidung unseres Liedes kommen wir auf dessen eigentlichen Inhalt, der darauf ausgeht, nicht nur die Sprache der Götter und Menschen, sondern überdieß noch anderer Wesen nordischen Glaubens als Wanen, Alfen, Riesen, Zwerge u. s. w. zu vergleichen und die in den verschiedenen Welten für die gangbarsten Vorstellungen üblichen Ausdrücke nebeneinander zu stellen. Diese Ausdrücke sind aber nicht, wie man wohl geglaubt hat, zum Theil aus fremden Sprachen hergenommen, sondern neben die gewöhnlichen Namen der Dinge sehen wir deren Synonymen und dichterische Benennungen gestellt, die, aus der nordischen Sprache selbst geschöpft, sich gewöhnlich nicht einmal auf abweichende Mundarten derselben beziehen und nur nach Maßgabe der Alliteration auf die Bewohner der angenommenen Himmelswelten vertheilen, obgleich es nicht an aller Berücksichtigung des Charakters dieser verschiedenen Wesen gebricht. Dabei ist es Grimm auffallend, daß zwar Götter und Asen für gleichbedeutend genommen, dagegen Götter und höhere Wesen (Ginregin) geschieden werden (Myth. 308), wie auch Alfen, Zwerge und Bewohner der Unterwelt gesondert stehen (Myth. 412). Allein dieß ist nicht ganz genau, Str. 17 werden Götter und Asensöhne unterschieden und nur so laßen sich neunerlei Classen redender Wesen herausbringen, nämlich: 1. Menschen. 2. Götter. 3. Asen. 4. Höhere Mächte, Ginregin und Uppregin. 5. Wanen. 6. Riesen. 7. Alfen. 8. Zwerge. 9. Bewohner der Unterwelt. Freilich ist die Unterscheidung von Göttern und Asen sinnlos; es fragt sich aber, ob beide von Ginregin mit beßerm Grunde gesondert stehen und ob die Unterscheidung von Zwergen und Alfen, die freilich öfter wiederkehrt, nicht gleichfalls nur ein Nothbehelf sei. Petersen hält Upregin für eine andere Bezeichnung der Zwerge, Ginregin für eine andere Bezeichnung der Wanen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/408&oldid=- (Version vom 31.7.2018)