Anonym: Edda | |
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und wir müßen die Kunst des Dichters, der dieß vermochte ohne daß vorher die Ermordung ihrer Brüder gemeldet wurde, bewundern. Denn daß diese erfolgt ist, wird verschwiegen und nur als Prophezeiung Gudruns vor ihrer Vermählung mit Atli Str. 31 dieß Motiv ihrer Rache beigebracht. Vielleicht ist zur Erklärung dieser Sehergabe Gudruns die Nachricht ersonnen, welche der Eingang des ersten Liedes bringt, Gudrun habe von Fafnirs Herzen gegeßen.
Mit dem s. g. Bruchstück eines Brynhildenliedes hat das unsere Einiges gemein. Daß in Beiden Sigurd draußen erschlagen wird, hat der Schlußsatz jenes schon selber bemerkt. Aber auch Granis ledige Heimkehr Str. 4, seine Trauer um den Herrn Str. 5, Gudruns Frage, die Högni beantwortet Str. 6 bis 8, fanden sich, wenn auch weniger ausgeführt, schon dort.
Was sich nun zunächst begiebt, findet sich in keinem andern Liede wieder; der Wölsungasage c. 41 hat es für diese Vorgänge als alleinige Quelle gedient, die sie fast wörtlich ausschreibt. Sie erklärt uns auch die Str. 13 nicht, wo in Einem Athem Alf neben Thora, Hakons Tochter in Dänemark, genannt wird, während der Schlußsatz unseres ersten Liedes nur letzterer gedenkt. Zwar setzt sie an Alfs Stelle dessen Vater Hialprek, und da sie selber diesen zum König von Dänemark macht (c. 21), so fällt ihr kein Widerspruch auf; das Verhältniss Alfs zu Thora läßt sie unerörtert. In der That schienen unsere Lieder darin einig, Hialprek in Dänemark herschen zu laßen – in Helreid Str. 11 heißt sogar Sigurd selbst ein Dänenfürst – obwohl es damit nicht zum Besten stimmt, daß das Reich Borghildens, der ersten Gemahlin Sigmunds, in Dänemark lag. Das Ursprüngliche bewahrt wohl die Meldung der Nornagestsage c. 3, wonach Hialprek in Frankenland Hof hält, zumal da die Deutung auf Chilperich so nahe liegt. Man könnte noch zweifeln, ob unser Lied wirklich Alfs Hallen nach Dänemark setzte, da die Erwähnung dieses Landes sich vielleicht allein auf Hakon bezieht. Wenn nämlich Alf, welchem sich Hiördis, Sigurds Mutter, nach Sigmunds Tode vermählte, in zweiter Ehe Thora, die Tochter Hakons von Dänemark, gefreit hätte, denn anders läßt es sich doch kaum deuten daß beide zusammen genannt werden, so brauchte man den Schauplatz dieser und der folgenden Strophen nicht nach Dänemark zu legen, zumal auch die dänischen Schwäne Str. 14, welche Thora in Gold stickte, sich einfach genug aus deren dortiger Heimat erklären ließen. Allein nach Str. 13 braucht Gudrun fünf Nächte um vom Rhein zu Alfs Hallen zu gelangen, was auf Dänemark beßer passt als
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/453&oldid=- (Version vom 31.7.2018)