Karl Kraus (Hrsg.): Die Fackel Nr. 333 | |
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DIE FACKEL | ||
Nr. 333 | 16. OKTOBER 1911 | XIII. JAHR |
Österreichische Grenze: es wird gemütlich, man muß sich die Tasche zuhalten.
Italienische Grenze: es wird romantisch, man muß sich auch die Nase zuhalten.
Deutsche Grenze: es wird sicher, man kann sich auf Abenteuer einlassen.
Eine Gesellschaftsform, die durch Zwang zur Freiheit leitet, mag auf halbem Wege stecken bleiben. Die andere, die durch Freiheit zu Willkür führt, ist immer am Ziel.
Dem Bürger muß einmal gesagt worden sein, daß es der Staat mit der Weisung „Rechts vorfahren, links ausweichen“ auf seine Freiheit abgesehen habe.
Demokratisch heißt jedermanns Sklave sein dürfen.
Es gibt noch Menschen unter uns, die so aussehen, als ob sie eben von der Kreuzigung Christi kämen, und andere, die zu fragen scheinen: Was hat er gesagt? Wieder andere, die es niederschreiben unter dem Titel „Die Vorgänge auf Golgatha“.
Karl Kraus (Hrsg.): Die Fackel Nr. 333. Die Fackel, Wien 1911, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Fackel_Nr._333.djvu/3&oldid=- (Version vom 8.8.2016)