Die Fackel Nr. 333

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Titel: Die Fackel
Untertitel: Nr. 333
aus: Die Fackel
Herausgeber: Karl Kraus
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Erscheinungsdatum: 16. Oktober 1911
Verlag: Die Fackel
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Erscheinungsort: Wien
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Nr. 333 ERSCHIENEN AM 16. OKTOBER 1911 XIII. JAHR
DIE FACKEL
HERAUSGEBER
KARL KRAUS
INHALT:
KARL KRAUS: Pro domo et mundo /
ALEXANDER SOLOMONICA: Wiederkehr /
Die Saalverweigerung
NACHDRUCK VERBOTEN
PREIS DER EINZELNEN NUMMER 30 HELLER
ERSCHEINT IN ZWANGLOSER FOLGE
VERLAG: ‚DIE FACKEL‘, WIEN – BERLIN
WIEN, III/2, HINTERE ZOLLAMTSSTRASSE 3 TELEPHON Nr. 187
BERLINER BUREAU: HALENSEE, KATHARINENSTRASSE 5

[1]

DIE FACKEL
Nr. 333 16. OKTOBER 1911 XIII. JAHR


Pro domo et mundo
Von Karl Kraus

Österreichische Grenze: es wird gemütlich, man muß sich die Tasche zuhalten.

Italienische Grenze: es wird romantisch, man muß sich auch die Nase zuhalten.

Deutsche Grenze: es wird sicher, man kann sich auf Abenteuer einlassen.

*

Eine Gesellschaftsform, die durch Zwang zur Freiheit leitet, mag auf halbem Wege stecken bleiben. Die andere, die durch Freiheit zu Willkür führt, ist immer am Ziel.

*

Dem Bürger muß einmal gesagt worden sein, daß es der Staat mit der Weisung „Rechts vorfahren, links ausweichen“ auf seine Freiheit abgesehen habe.

*

Demokratisch heißt jedermanns Sklave sein dürfen.

*

Es gibt noch Menschen unter uns, die so aussehen, als ob sie eben von der Kreuzigung Christi kämen, und andere, die zu fragen scheinen: Was hat er gesagt? Wieder andere, die es niederschreiben unter dem Titel „Die Vorgänge auf Golgatha“.

*

[2] Solange das Geschlecht des Mannes der Minuend ist und das Geschlecht des Weibes der Subtrahent, geht die Rechnung übel aus: die Welt ist minus unendlich.

*

Das Sexuelle ist bloß die Subtraktion zweier Kräfte. Der Voyeur addiert drei.

*

Der Mann, begrenzt und bedingt, will als erster die unendliche Reihe enden, die dem Weib gewährt ist. Er will öffnen, aber er will auch schließen. Darum jauchzt sie immer dem nächsten als dem Beginn der Unendlichkeit zu. Denn ihr Geschlecht hat mehr Phantasie als sein Geist.

*

Ich und der Dichter des Geschlechts standen vor einer Schaubude und betrachteten den Automaten, der den Fremierschen Gorilla mit dem Weib darstellte. Der Gorilla drehte den Kopf und fletschte die Zähne. Das Weib in seinen Armen atmete schwer. Ich sah das Weib. Der Dichter drehte den Kopf und fletschte die Zähne.

*

Der erotische Humor ist nicht Freiheit, sondern Ausgelassenheit, der Beweis der Unfreiheit. Sein Lachen ist nur die Freiheit vom Pathos. Dieser Humor ist der vergebliche Versuch des Mannes, sich über seine berechtigte Traurigkeit hinwegzutäuschen. Ein Humor mit umgedrehtem Spieß. In ihm triumphiert der Mann, der es nicht mehr ist: so weit ist es ein männlicher Humor. Gelegenheit macht Verlegenheit, und der Mann besteht vor dem Weib vermöge seiner Indiskretion. Eros hat vor der Tür des christlichen Geheimnisses geweint und geschwiegen; die drin aber haben gelacht und es weiter erzählt.

*

[3] Ich glaube nicht, daß ich zu jenen Autoren zähle, für deren Verbreitung dreißig Jahre, nachdem sie außer Stand gesetzt sind, Honorar zu bekommen und Korrekturen zu lesen, der Staat gesorgt hat. Sollte es wider Wunsch und Erwarten dennoch der Fall sein, daß auch an mir diese Wohltat versucht wird, und sich also ein Verleger oder Drucker finden, der um das Honorar zu bekommen an meiner Statt die Korrekturen nicht liest, so nehme er meinen Fluch als Vorwort, schon heute, also zu einer Zeit, wo ich es noch redigieren kann. Denn mir liegt auch dreißig Jahre nach meinem Tode mehr an einem Komma, das an seinem Platz steht, als an der Verbreitung des ganzen übrigen Textes. Und gerade darum glaube ich, daß ich zu jenen Autoren zähle, die vom Ablauf der Schutzfrist, welche der Staat aus Rücksicht auf die Popularität nur mit dreißig Jahren bemessen hat, nicht das Geringste für ihre Ruhe zu befürchten haben.

*

Ich stelle mir gern vor, daß über den Lieblingen des Publikums die wahre Vorsehung waltet, indem sie für ihre grausame Verkennung nach dem Tode schon bei Lebzeiten entschädigt werden. Sonst hätte das ganze Treiben ja keinen Sinn. Nachwelt und Jenseits wetteifern‚ sie zu verwahrlosen, die der Zeit- und Raumgenossenschaft ein Kleinod waren. Da sie aber dort und dann nicht weniger, sondern jetzt und hier mehr bekommen als sie verdienen, so kann füglich nicht von Vergeltung, sondern nur von Begünstigung gesprochen werden. Die Hölle steht ihnen nicht offen, denn man fragt zwar den Teufel nach ihnen, wenn sie tot sind, aber selbst er weiß nicht, wo sie sind. Nur die Erde stand ihnen offen und trug sie, bis sie für das Nichts reif waren. Ihre Bücher, treu ihren Leibern, zerfallen in Staub und müßten, wenn hier Pietät und Sanität etwas zu sagen hätten, mit in ihre Särge gelegt werden. [4] Angehörig den Angehörigen - wer in der Welt nennt ihre Namen? Sie waren in aller Mund, solange sie selbst ihn offen hatten. Der Tag ist undankbar, er kennt die nicht, die ihm geopfert haben, denn er ist grausam genug, selbst den Tag zu verjagen. Es ist als ob sie sich immer strebend zur Vergessenheit durchgerungen hätten. So unbeachtet lebt kein Genie, wie ein Talent tot ist. Sein Nachlaß ist Nachlassen, intransitiv, sein Wort ein zielloses Zeitwort. Totgeschwiegen werden, weil man tot ist - es möchte kein Hund so länger tot sein.

*

In mir empört sich die Sprache selbst, Trägerin des empörendsten Lebensinhalts, wider diesen selbst. Sie höhnt von selbst, kreischt und schüttelt sich vor Ekel. Leben und Sprache liegen einander in den Haaren, bis sie in Fransen gehen, und das Ende ist ein unartikuliertes Ineinander, der wahre Stil dieser Zeit.

*

Der Eros von Wien: Unter dem Vorwand, daß jedes Weibi ein Mandi brauche, hatte er sich ihr genähert, worauf sie nicht umhin konnte: Gehns weg Sie Schlimmer! zu sagen. Nachdem er aber erklärt hatte, daß er viel lieber doder bleibe, ersuchte sie ihn, wenigstens nicht zu nahe an ihre Gspaßlaberln anzukommen, weil ein Pamperletsch die unausbleibliche Folge wäre und das zuhause einen schönen Pallawatsch gäbe. Er aber bat sie, keine Spompernadeln zu machen, denn sie sei mudelsauber und er zu allem eher geschaffen als zum Simandl. Deshalb ließ er sich nicht länger zurückhalten, und Pumpstinazi da wars aus und gschehn. Er sagte ihr infolgedessen, daß sie ein Schlampen sei, und ging dorthin, wo ein Wein sein wird und mir wer’n nimmer sein. Als sie, ihn noch vor Ablauf dieser Frist an seine Pflicht mahnte, dachte er: gar net ignorieren!

*

[5] Schlechte Kunst und schlechtes Leben beweisen sich an einer gräßlichen Identität. Sie glotzt uns mit der Unbeweglichkeit jener Dilettantereien an, die heute in Witzblatt und Operette so gesucht sind, weil sie die Agnoszierung des Lebens erleichtern. Gesichter, wie erstarrte Mehlspeisen, die immer da sind und in der unabänderlichen Folge von Linzer‚ Sacher, Pischingertorten, Engländer, Anisscharten und Wienertascherl sich anbieten. Pferde in Karriere, die aus einem Ringelspiel ausgebrochen scheinen, Automobile im rasenden Tempo der Panne, Fußgeher, die keinen Boden unter den Füßen haben, Ballons, die nicht steigen, Steine, die nicht fallen. Ein Leben, welches lebende Bilder stellt und so auf den Photographen vorbereitet ist, daß es sich in der Kunst nicht wiedererkennen würde und nur den Dilettanten, der ihm die Identität koloriert, für den wahren Künstler hält. Und es ist dann auch wahr geworden, daß er die Kultur seiner Zone stärker zum Ausdruck bringt als der Künstler, der ihr Elend in Lust umsetzt. So stark ist die Wirkung dieser unmittelbar aus dem Bett in den luftleeren Raum gestellten Menschheit von Hausmeistern, Infanteristen und Magistratsbeamten‚ daß sie mit der Verdoppelung dieses Lebens auch den Lebensüberdruß verdoppelt.

*

Ich fürchte mich vor den Leibern, die mir erscheinen.

*

In einem Zimmer mit Aussicht auf das Meer hat mich am ersten Morgen ein Choral geweckt. Ein Geräusch von Brandung und Predigt, und ich weiß nicht mehr, wie es kam, daß ich wieder einschlief und von den Kreuzzügen träumte. Unten riß Bernhard von Clairvaux das Volk hin. Immer wieder klang es wie „Spondeo“ und wie „Benedicamus domino“. Dann unverständlich und dumpf wie zum Tag des Gerichts der Ruf „Poreleba! Poreleba!“, der mich aus dem [6] Schlaf riß. Es war wie die gereckte Faust einer fanatisierten Menge, Weh und Wut war darin. Und dennoch drang eine sanfte Stimme durch, die unaufhörlich „Delimel! Delimel!“ klagte, wie Philomelens oder eines Kindes, das im heiligen Gedränge die Mutter verloren hatte. Es war, als ob die Menschheit auf der Wanderung wäre. Ich horchte angestrengt hin und glaubte nun etwas wie „Lömatän! Löschurnal!“ zu unterscheiden. Da riß sich einer los, ekstatisch, und rief mit unerhörter, zur Tat aufreißender Entschlossenheit: „Sésonostánd!“ Aber das Brausen verschlang auch ihn, und die Antwort war wieder nur „Poreleba! Poreleba!“ und immer wieder mit der seltsamen Kraft der Innerlichkeit und schon verzagend: „Delimel! Delimel!“ Nun aber schien sich alles zu sammeln, es stieg wie Dank zum Himmel hinauf und eine Stimme sang „Exzelsior!“ Da – ich weiß nicht, wie mir wird – löst sich etwas wie „Kölnische, Frankfurter!“, und wie wenn das finstere Mittelalter von meiner Stirn wiche, ruft es: „Neue Freie Presse, Neues Wiener Tagblatt, Neues Wiener Journal!“ Ich öffne das Fenster und lasse Gottes Wunder einströmen.

*

Das Zeitalter gebärdet sich so, als ob es von der Entwicklung zwar überzeugt, aber durch Vollkommenheit verhindert wäre, sich an ihr persönlich zu beteiligen. Seine Dauerhaftigkeit steht in einem Garantieschein, der dem Mechaniker eine schwere Verantwortung auferlegt, aber sie dauert sicher so lang, wie der Garantieschein. Immerhin ist es möglich, daß die Steinzeit und die Bronzezeit dauerhafter waren als die Papierzeit.

*

Der Monist müßte sich für seine Wahrheit opfern. Dann erst würde man sehen, daß die Realität nichts verliert und die Unsterblichkeit nichts gewinnt, und die Identität wäre vollkommen bewiesen.

*

[7] Wenn schon etwas geglaubt werden soll, was man nicht sieht, so würde ich immerhin die Wunder den Bazillen vorziehen.

*

Fürs Leben gern wüßt’ ich: was fangen die vielen Leute nur mit dem erweiterten Horizont an?

*

Die Psychoanalyse entlarvt den Dichter auf den ersten Blick, ihr macht man nichts vor und sie weiß ganz genau, was des Knaben Wunderhorn eigentlich bedeutet. Es sei. Jetzt ist es aber die höchste Zeit, daß eine Seelenforschung ersteht‚ die, wenn einer vom Geschlecht spricht, ihm dahinter kommt, daß es eigentlich Kunst bedeute. Für diese Retourkutsche der Symbolik biete ich mich als Lenker an. Ich wäre aber auch schon zufrieden, wenn man einem, der von Psychologie spricht, nachweisen könnte, daß sein Unterbewußtsein eigentlich etwas anderes gemeint habe.

*

Ein Feuilletonist - ein Sensal. Auch der Sensal muß prompt sein und die Sprache beherrschen. Warum zählt man ihn nicht zur Literatur? Das Leben hat Fächer. Jener kann sich in dieses und dieser in jenes einarbeiten, jeder in jedes. Das Glück ist blind. Schicksale bestimmen den Menschen. Wir wissen wohl, was wir sind, aber nicht, was wir werden können. Warum zählt man ausgerechnet den Feuilletonisten zur Literatur?

*

Der Maler hat es mit dem Anstreicher gemeinsam, daß er sich die Hände schmutzig macht. Eben dies unterscheidet den Schriftsteller vom Journalisten.

*

An einem wahren Porträt muß man erkennen, welchen Maler es vorstellt.

*

[8] Die Echtheit in der Kunst vom Schwindel zu unterscheiden, mag schwer fallen. Den Schwindel erkennt man höchstens daran, daß er die Echtheit übertreibt. Die Echtheit höchstens daran, daß sich das Publikum von ihr nicht hineinlegen läßt.

*

Der Philister hält es mit Recht für einen Mangel, wenn man „von sich eingenommen“ ist.

*

Größenwahn ist nicht, daß man sich für mehr hält als man ist, sondern für das, was man ist.

*

Haß muß produktiv machen. Sonst ist es gleich gescheiter, zu lieben.

*

Es ist die äußerste Undankbarkeit, wenn die Wurst das Schwein ein Schwein nennt.

*

Die einzige erotische Hemmung, die nicht erotisch verwertet werden kann, ist die Vorstellung des Votanten bei der Verhandlung des Erkenntnissenats.

*

Der Fortschritt läßt sich durch Verbote nicht aufhalten. Im Engadin dürfen keine Automobile verkehren. Was ist die Folge? Daß die Droschkenkutscher Huppensignale geben.

*

Er hat einmal gemein gehandelt: daraus kann man noch nicht auf seinen Charakter schließen. Dann aber hat er doch wieder edel gehandelt, und jetzt vermute ich, daß er ein gemeiner Kerl ist.

*

[9] Wenn ich nicht wirklich ein so gutes Gedächtnis hätte, könnte es geschehen, daß ich mich an alle Leute erinnere, die mich erinnern.

*

Wiewohl ich viele Leute gar nicht kenne, grüße ich sie nicht.

*

„Sich taufen lassen“: das klingt wie Ergebung. Aber sie wollen nie lassen, sondern immer tun; darum glauben sie’s selbst dem nicht, der ließ, und glauben, daß er getan hat, und sagen: „Er hat sich getauft!“

*

Die Juden haben geglaubt, einen starken Beweis ihrer Assimilationsfähigkeit zu liefern, indem sie in einer übertriebenen Art von den christlichen Gelegenheiten Besitz ergriffen haben. Dadurch sind die jüdischen Gelegenheiten beträchtlich vermehrt worden. Nein, sie sind nicht mehr unter sich: die andern sind es; und es wird lange Zeit brauchen, bis die Antinomie beseitigt ist, daß Samuel nicht so deutlich klingt wie Siegfried. Denn die Welten sind nicht eins, wenn die eine das Kleid der andern trägt und diese es darum ablegt. Der jüdische Nationalismus aber sei wie jeder Rückschritt willkommen, der aus einer pseudonymen Kultur dorthin zurückführt, wo ihr Inhalt wieder wert ist, ein Problem zu sein.

*

Wien hat eine schöne Umgebung, in die Beethoven öfter geflüchtet ist.

*

Die Großstadt soll der Individualität eine Umgebung sein. Aber wehe, wenn sie selbst Individualität hat und eine Umgebung braucht.

*

[10] Über das Ziel sind wir einig. Auch ich trage ein Paradeisgartel in meinem Herzen, das ich der Friedrichstraße entschieden vorziehe. Aber ich weiß keinen andern Weg, um dorthin zu gelangen.

*

Die Blutprobe mag ergeben, daß der Südländer wertvoller ist. Aber er hält mich auf und ist doch nicht wertvoll genug, als daß es sich lohnte. Der Berliner, aufgehalten, würde sich als wertlos herausstellen. Aber seine Qualität ist, sich nicht zum Stehen bringen zu lassen, und seine Eile fördert mich. Ich gelange dorthin, wo Schwung und Farbe aus dem nüchternen Leben bricht, und wo das Ideal wächst, an dem zu schaffen die Kultur der mittelmäßigen Betrüger uns verhindert, nicht ohne darin vom deutschen Idealismus bestärkt zu sein.

*

Wenn die Italiensehnsucht befriedigt ist, kann es leicht geschehen, daß man noch nicht genug hat und einen preußischen Schutzmann umarmt.

*

Wenn man die künstlerische Empfänglichkeit des Pariser Publikums bedenkt und staunend die geschwungene Linie dieses romanischen Lebensgefühls verfolgt, so gelangt man bis zu einem Punkt, wo der Absturz eines Omnibus von einer Seinebrücke nur eine Frage der Zeit ist.

*

Der Romane ist auf dem halben Weg zum Künstler und darum dem ganzen Künstler im Weg.

*

Eine schöne Welt, in der die Männer die Erfüllung ihres Lieblingswunsches den Frauen zum Vorwurf machen!

*

[11] Erotik verhält sich zur Sexualität wie Gewinn zu Verlust.

*

Männliche Phantasie übertrifft alle Wirklichkeit des Weibes, hinter der alle Wirklichkeit des Mannes zurückbleibt. Oder zeitverständlicher gesagt: Der Spekulant überbietet eine Realität, die größer ist als das Kapital.

*

Es gibt keinen so positiven wie den Künstler, dessen Stoff das Übel ist. Er erlöst von dem Übel. Jeder andere lenkt davon nur ab und läßt es in der Welt, welche dann das schutzlose Gefühl umso härter angreift.

*

Als mir der Drucker die Korrektur dieses Buches sandte, sah ich im Satzbild mein Leben eingeteilt. Ich nahm wahr, daß die Frau bloß zehn Seiten umfaßte, aber der Künstler dreißig. Er dankt es ihr.

*

Ich bitte niemand um Feuer. Ich will es keinem verdanken. In Leben, Liebe und Literatur nicht. Und rauche doch.

*

Mein Ausdruck ist ganz und gar die Laune der Umwelt, in deren Schwall und Gedränge mir von Namen und Arten, Stimmen und Mienen, Erscheinungen und Erinnerungen, Zitaten und Plakaten, Zeitungen und Gerüchten, Abfall und Zufall das Stichwort zufällt und jeder Buchstabe zum Verhängnis werden kann. Darum ist mein Werk nie fertig und macht mir, wenn es fertig ist, Verdruß. Bis es unabänderlich wurde, hielt es seine Mängel verborgen, und weil es unabänderlich ist, entblößt es sie. Seine Fehler und was ihm fehlt. Die Wunden brechen auf, wenn der Täter herantritt. Auf die Tage der Lust waren die Tage der Angst gefolgt, denn was leicht geschrieben ist, [12] muß schwer korrigiert sein; so schwer, daß die Hinausgabe zum unsäglichen Opfer wurde. Nun, da es geschehen, folgen die Tage der Reue. Eine Maschine ist mir über den Kopf gegangen; ich hätte ihr entfliehen können. Wer vom Buchstaben lebt, kann von Buchstaben sterben, ein Versehen oder der Intellekt des Setzers rafft ihn hin. Was ist aber dieser Tod, über den man sich mit der Unvollkommenheit menschlicher Einrichtungen tröstet, was ist ein Betriebsunfall gegen den Schmerz der nachgeborenen Gedanken? Dort nahm der Zufall, was der Zufall gegeben hat; hier wagte er mir etwas vorzuenthalten. Hier rennt jeder Augenblick mit Hiobsposten aus aller Wortwelt an das Unabänderliche. Es sind Binnenkorrekturen, deren Leid sich erst wieder in Lust am nächsten Werk verwandelt, oder sich im Troste beruhigt, daß die menschliche Natur fast so unvollkommen sei wie eine menschliche Einrichtung. Denn es galt ja das Chaos abzubinden und den bewegten Inhalt so zu umfassen, daß er sich bewegend stehe. Wo aber auf dem Weg zur Endgiltigkeit wäre ein Ende? Hat sich das Wort mit der Welt eingelassen, so ist sie unendlich. Zur Welt gekommen, schafft es neue Welten, und das Anbot der Materie, ihr Werben um Erhörung‚ hört nimmer auf. Es heißt einen Strom auf zwei Armen in sein Haus tragen, und der Künstler ist der Zauberlehrling‚ nach dessen Willen die Schöpfung leben soll, seit Gott aus ihr sich doch einmal wegbegeben hat.[WS 1] Ach! und hundert Flüsse stürzen auf mich ein – Ach! Nun wird mir immer bänger! Welche Miene! welche Blicke! – Ach, ich merk’ es! Wehe! Wehe! Hab‘ ich doch das Wort vergessen! ... Vielleicht ist die Kunst, die mit Geistesstärke Wunder tun will, wie sie nur, zu seinem Zwecke, der alte Meister vermag, am Ende die beschämteste unter allen menschlichen Künsten. Vielleicht war solche Überhebung gar nicht Kunst. Aber ob Kunst so hoch sei wie ihr Wahn oder so klein wie ihr Anlaß: sie soll erkannt sein, damit man sie nicht für Zeitvertreib halte. Wie die unausgesetzte Lust des

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hier und im folgenden: Anspielung auf sowie ungekennzeichnete Zitate aus Johann Wolfgang von Goethes Ballade Der Zauberlehrling

[13] Weibes, an der gemeinsten Reibfläche sich entflammend, zwischen Ehrfurcht und Abscheu lebe, aber nicht zum Vergnügen. Was wissen Lebemänner und Journalisten davon! Ich aber weiß, daß die Kraft zu fühlen oder die Kunst zu sagen erst dort beginnt, wo die Gesellschaftsordnung verzichtet. Und ich weiß, was meine Abhängigkeit vom Staube wert ist. Irgendwie deutet hier etwas auf ein Urbild, das Menschenantlitz trug und später entstellt ward. Diese Verwertung eines minderwertigen Materials, dieses Zuhilfekommen der Inspiration muß eine Beziehung haben. Diese konstante Anläßlichkeit, die aus der Mücke keinen Elephanten macht, aber ihr ihn assoziiert, wirkt den satirischen Überbau der vorhandenen Welt, die nur noch geschaffen scheint, ihn zu stützen, und mit all ihrer ruchlosen Vorhandenheit ihre Berechtigung tatsächlich erweist. Was aber der soziale Sinn an ihr auszusetzen findet, ist meinem Angriff entrückt, weil der Angreifer den Übeln entrückt ist, die der soziale Sinn für die wichtigeren hält. Denn was sich im Geist begibt, ist unbeträchtlich im Staat, dessen Dimensionen für die Probleme der Nahrung und Bildung geschaffen sind. Was die Gesellschaft nicht sieht, ist klein. Was sie nicht sehen könnte, besteht nicht. Wie klein ist ein Stern im Vergleich mit einem Orden; und was sich sonst im Kosmischen begibt, ist eine Ausflucht, wenn es sich um Politik handelt. Mir blutet das Weltbild von einem Kriegsbericht; und es ist gar nicht notwendig, daß die Humanität den Notschrei erhöre, den sie nicht hört und nicht verstünde, wenn sie ihn hörte.

*

Ich und das Leben: Die Affäre wurde ritterlich ausgetragen. Die Gegner schieden unversöhnt.


[14]
Wiederkehr
Von Alexander Solomonica

I

Ein Mädchen, das mir nahe stand, lag krank zu Bette. Es teilte mir zugleich mit der Krankheit den Entschluß mit, mich vorderhand nicht zu sehen, und so fühlte ich mich doppelt einsam, denn ich war mit ihren äußeren Verhältnissen wenig vertraut und darauf angewiesen, in ihrer Nähe zu weilen. Gleich darauf schrieb sie noch einmal, in milderem Tone, und bat mich, fernzubleiben, weil ihr Ruhe nötig sei. Dies erkannte ich als Ausflucht, wußte sie aber nicht zu deuten. Ich wartete ab, schickte mich an, jener Anweisung zu gehorchen und ließ nichts von mir hören; doch auch sie war jetzt verstummt. Ich fragte, ob ich kommen dürfe, sie aber schwieg, mit dem Starrsinn, der Kranken eigen ist. Einen Grund für ihr Benehmen konnte ich nicht ausfindig machen. Wir hatten uns in gutem Einverständnisse getrennt, einander nie durch Launenhaftigkeit gequält. Vielleicht aber hatte das Unwohlsein sie der Verantwortung enthoben und nichts als ein krankhafter Wille ihr jenen Brief diktiert. Beunruhigt, erbittert streifte ich umher, und sah Mienen, die Böses verkündeten. Was mich davon abhielt, hinzugehen und sie Aug’ in Aug’ zu fragen, das weiß ich nicht mehr. Gewiß fürchtete ich auch, daß mein Besuch ihr schaden würde, denn ich mußte es von dritten, fast unbeteiligten Personen vernehmen, daß ihr Zustand sich verschlimmere. Zudem ermattete ich bald, da sich meine Gedanken ausschließlich mit einem Gegenstande beschäftigten. Ich wurde verbittert, verzieh weder ihr, daß sie mir mißtraute, noch mir, weil ich nicht stark genug war, einen Dämmerzustand zwischen Furcht und Hoffnung zu durchbrechen. Sie allein besaß die Macht, mich in dieser Unentschlossenheit verharren zu lassen! Mein Unmut machte bald einem traurigen Übermute Platz, und selbst der Lust des Vergessens vermochte ich nicht zu widerstehen. Ich hatte sie seit vier Tagen nicht gesehen, und schon war ihr Bild in mir etwas verblaßt. Jetzt dachte ich an Freiheit, ohne daß ich bisher diese Verbindung als Fessel empfunden hätte. Aber nun erwachte so stark, als gelte er der Selbsterhaltung, mein Trieb, ihr die Treue zu brechen, und ich bekämpfte ihn nicht. Trotz alledem blieb sie die ganze Zeit hindurch mit mir verbunden, [15] sie übte sogar größeren Einfluß auf mich aus, als zuvor, manifestierte sich in allen meinen Handlungen.

Die Nachricht von ihrem Tode überraschte mich nicht mehr. Auch daß ihr Begräbnis schon vollzogen war, versetzte mich nicht in Bestürzung. Es zeigte sich, daß ich an ihr Leben nicht mehr geglaubt, und nichts als die Verzweiflung meinen Verstand verwirrt hatte. So hatte ich, während sie noch lebte, und nur kurze Zeit um sie getrauert. Die Gewißheit der Nachricht führte mich zu mir selbst zurück. Jetzt machte ich mir über jene letzte Weigerung, mich zu sehen, keine Gedanken, denn sie schien gleich meiner Untreue nur ein Vorbote der endgiltigen Trennung gewesen zu sein. Ich war in ihre Verhältnisse nicht eingeweiht und kannte mit Sicherheit nicht einmal den Namen ihrer Familie. Nun wußte ich nichts von den näheren Umständen ihres Todes, und es gelang mir trotz einiger Bemühungen auch nicht, sie zu erfahren. Nach Ablauf einer gewissen Frist gewann die Ruhe langsam in mir die Oberhand; von den Mädchen aber, zu denen mich damals die Verzweiflung getrieben hatte, trennte ich mich wieder. Jetzt suchte man mich zu trösten, der ich keiner Hilfe mehr bedurfte. Ich erkannte meinen Willen, alten Gewohnheiten zu entsagen, aber sie durch neue zu ersetzen. Dabei ließ ich mich weder ablenken, noch übertäubte ich meinen Schmerz, aber er selbst erlahmte, wie die Zeit verging. Ich suchte sie nicht etwa zu vergessen, sondern bemühte mich, wenigstens ihren Schatten festzuhalten, denn die Unwirklichkeit nahm von ihr Besitz. Allmählich schien die Kraft, die ich einst empfangen hatte, erloschen, die Lust gleichgiltig zu sein. Meine Erinnerungen waren nicht durch zeitliche Entfernung getrübt; gleichwohl ergaben auch sie ein schwaches, ja falsches Abbild unserer Beziehungen. So sehr ich einen Verlust beklagte, suchte ich mich doch umsonst auf das Verlorene zu besinnen. Darum waren mir auch ihre Züge entfallen, denn nur ein lebendes Gesicht scheint die Kraft des Eindruckes zu besitzen. Trotzdem war sie aus meinem Gesichtskreise nicht ausgeschieden, sondern blieb immer sichtbar, selbst wenn ich andere Dinge ins Auge faßte; auch Äußerlichkeiten erinnerten sehr oft an das Vergangene. Ich wurde sogar durch ihren unmittelbaren Einfluß noch gefördert, obgleich ihre Zeit um war, aber nur, wenn der normale Verlauf der Zeit gestört wurde, ein Traum sie unterbrach.

Nach einigen Monaten aber stellte es sich heraus, daß sie [16] lebte und selbst die Mystifikation veranlaßt hatte. Hingegen sollte es mit ihrer Gesundheit nicht zum Besten stehen. Man riet auf ein Experiment, einen bösartigen Scherz, das aber war gefehlt. Eine Wirkung auf andere lag keinesfalls in ihrer Absicht. Sie vertraute sich der Vergessenheit an; also trug sie sich mit Selbstmordgedanken, denn die Befreiung besteht darin, daß unser Andenken bei den Feinden und selbst bei Freunden erlischt. Da sie die Nachricht verbreiten ließ, sie wäre gestorben, vergriff sie sich nur in der Wahl des Mittels. Dennoch wurde nicht nur ich hinters Licht geführt. Es handelte sich auch nicht um einen unüberlegten Schritt, vielmehr um einen Plan, der mit strategischer Freude gegen jede einzelne Schwierigkeit operierte. Sie täuschte alle ihre näheren Bekannten, von jenen abgesehen, die sie ins Vertrauen zog. Diese wenigen standen ihr nicht besonders nahe, waren aber zur Ausführung ihres Planes unentbehrlich. Damals, als sie mir schrieb, fehlte ihr nichts, sie gab sich jedoch für krank aus, da sie denken mochte, man würde umso weniger Verdacht schöpfen. Später überschätzte sie ihre Kraft, erkrankte wirklich und erholte sich nur schwer, denn die Gefahr der Entdeckung war während der ganzen Zeit sehr groß. Die Verläßlichkeit ihrer Helfer war gering und konnte nicht vorher erprobt werden; sie ließ aber kein Mittel unversucht, um sich ihrer zu versichern. Sie konnte kein Bedenken tragen, die Treue gegen mich zu verletzen, da sie mir sogar die Gunst, um ihre Existenz zu wissen, versagt hatte. Gewiß war damals ihre Neigung zu mir völlig erloschen. Daß sie schließlich verraten wurde, lag nicht an ihr, aber sie hatte nicht bedacht, daß niemand, der eingeweiht war, zu schweigen vermochte; denn er hatte keinen Grund, sie zu vergessen. Dies war der schwache Punkt, sonst hatte sie geschickt jedes Hindernis besiegt. Sie wechselte mehrmals unauffällig ihre Wohnung und sogar den Aufenthaltsort und überließ es den Freunden, ihre Spur mit Sicherheit zu verwischen. Man hielt sie allgemein für bedenklich krank, so daß die Todesnachricht in der Tat nicht überraschte. Ihre Berechnung, daß man sich in diesem Falle um nähere Umstände nicht kümmern werde, irrte nicht. Denn sie war schon vorher beinahe in Vergessenheit geraten! Ihr Plan ging dahin, unter fremdem Namen in einer fernen Stadt zu leben. Die Behörden machten ihr keine Schwierigkeiten, sie wäre in dieser Hinsicht für alle Zukunft sicher gewesen; ihre Beziehungen hätten es ihr ermöglicht.

[17]
II

Nachdem ihr Plan gescheitert war, kehrte sie zurück; bereit, selbst den Stimmen der Wißbegierde Trotz zu bieten, um den Preis, daß ihr gewohnter Anblick sie rascher zum Schweigen bringe. Mich beschäftigte indessen die Frage, wie sie sich selbst zu der früheren Umgebung verhalten würde. Ich fürchtete schädigende Einflüsse, da sie sich leichtfertig in Gefahr zu begeben pflegte. Vor allem mußte ein Zusammentreffen mit jenen, die ihr erst geholfen und sie dann im Stiche gelassen hatten, entmutigend wirken. Als ich sie zum ersten Male sah, erzählte sie mir die Einzelheiten ihrer Verbannung, dabei gab sie sich selber preis und sprach von einer vorübergehenden Depression. Später beobachtete ich sie mit Aufmerksamkeit; aber ich entdeckte nichts, was sie Lügen gestraft hätte. So in die Vergangenheit gerückt, erschien ihre Flucht nur als das Symptom einer zufälligen Krankheit. Dementsprechend benahm sie sich gleich einer Rekonvaleszentin, und wie sie die wiederkehrende Gesundheit spürte, war sie für Eindrücke empfänglicher, für Ratschläge dankbarer als sonst. Zu mir verhielt sie sich, als wäre in der Zwischenzeit nichts vorgefallen; da ich darauf nicht eingehen konnte, war sie befremdet, doch wir beide hüteten uns, ernsthaft die Rede darauf zu bringen.

Jetzt erst erhielt ich nähere Angaben über ihre Familie und sonstigen Verhältnisse. Von ihren Beziehungen hatte ich mir nichts träumen lassen; und sie verstand es, verschiedene Einflüsse gegeneinander auszuspielen. Da ich in alles eingeweiht wurde, verlor sie viel von ihrer Unabhängigkeit, es schien jedoch, als wollte sie sich freiwillig ihrer Macht begeben. Jedenfalls empfing ich selbst über Nebensächliches Aufschluß, ohne daß ich je gefragt hätte, aber wichtigere Gespräche kamen nicht in Fluß. Obschon wir, wie vorher, aufeinander angewiesen und täglich zusammen waren, stellte sich doch jener Wechsel von Spannungen nicht ein, der Frage und Antwort bedeutet und ein Beisammensein erst erträglich macht. Kaum, daß ich ihre gewöhnlichen Gedanken erriet, obgleich ich bemüht war, mich mit ihr in alter Weise zu verständigen. Wir lebten gleichsam in dünner Luft, die nicht mehr zu leiten vermochte, und mir zum wenigsten wurde das Atmen schwer. Früher hatte es zwischen uns bisweilen einen unausgesprochenen Zwist gegeben, der so ausgetragen wurde, daß wir einander scharf im Auge behielten; diesmal war ich es allein, der sich nicht gehen [18] ließ. Es kam zu einer Art Waffenstillstand, der jedoch nicht, wie gewöhnlich, auf Grund gegenseitiger Vereinbarung geschlossen wurde. Ich war freilich außerstande, eine Waffe zu erheben, sie aber war von vornherein zur Nachgiebigkeit geneigt, so daß eine Störung des Gleichgewichtes eintrat. Doch nichts verwirrte mich mehr, als daß die gegenseitige Spannung aufgehoben war, und selbst ihr friedliches Wesen mich weder reizte noch entwaffnete. Als es ihr nicht gelang, mich durch Freundlichkeit umzustimmen, geriet sie gleich mir in Verwirrung; aber sie drehte den Spieß nicht um. (Ich schien mich ihr zu versagen, während sie mir in Wahrheit unerreichbar blieb.) Da sie noch leidend war und keine Besuche empfing, gab sie zum Gerede allen Anlaß. Dies fiel ihr zur Last, doch nicht darum, weil ihre Einsamkeit noch nachträglich gestört wurde, vielmehr wollte sie an jene flüchtige Verirrung nicht erinnert sein.

III

Da meine ganze Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war, dachte ich nicht an mich, weil aber auch sie an mich nicht dachte, wurde ich an mein Schicksal erinnert. Ich erkannte sogleich, daß ich meine Angelegenheit zu der ihrigen gemacht hatte, denn hier ging es um niemanden als um mich, während sie sich längst außer Gefahr befand. Ohne Zweifel war ihr der Gedanke, daß eine vergangene und beschlossene Tat selbstherrlich fortwirken könne, fremd. Mir aber schien er fast ein Vorwand zu sein, da er meine eigene Zurückgezogenheit nur ungenügend erklärte. Ich trug ihr keinen Groll nach, weil sie mich zeitweilig vergessen und mir die Treue gebrochen hatte. Auch bemühte ich mich, ihr zu verzeihen, daß ich gezwungen worden war, ihr ein Gleiches zu tun. Ich hatte die Gesetze des Zufalls verspürt und mir ihre Logik nicht entgehen lassen. Dies alles überlegte ich nicht mit klarem Geiste. Ohne noch zur Besinnung gekommen zu sein, forderte ich über mein Verhalten Rechenschaft, in der Hoffnung, es würde sich als ungerechtfertigt erweisen. Dabei hatte ich so sehr die Übersicht verloren, daß ich jene Verstimmung für die Folge meines gestörten Denkens ansah, während es sich gerade umgekehrt verhielt. Daher glaubte ich nur den Fehler in der Rechnung aufdecken zu müssen. Auch zwang ich mich zur Selbstbeherrschung, da sie, die alles überwunden hatte, mich durch ihre Ruhe beschämte. Dadurch kam allerdings mein Irrtum zutage, [19] denn der Schatten, der uns trennte, wollte auch dem scharfen Blick nicht weichen, aber ich gelangte zur Feststellung des Sachverhaltes. Ich hielt der Verwirrung so lange stand, daß ich wenigstens ihren Ursprung unzweideutig erkannte. Es handelte sich nicht um einen Denkfehler oder eine Überreizung meiner Nerven. Ich hatte mir Besinnung zur Pflicht gemacht, gleichwohl konnte ich mich über die Mystifikation nicht hinwegsetzen. Aller Wachsamkeit zum Trotz entdeckte ich keinen Grund der Kleinlichkeit, der etwa als Stachel in mir zurückgeblieben wäre. Vielmehr verblaßten alle untergeordneten Bedenken vor der einfachen Mechanik der Geschehnisse. Ich zwang mich, sie klar ins Auge zu fassen, vermochte es aber nicht, sie zu ertragen. Jetzt hatte ich mich in der Gewalt, und doch drohte die Unsicherheit mich wieder zu umfangen. Daher konnte an der Wahrhaftigkeit dessen, was mich bewegte, nicht gezweifelt werden.

Es zeigte sich mir also kein Ausweg. Immer, wenn ich den Feind besiegt zu haben meinte, hatte ich nichts anders getan, als mich schutzloser in seine Hand gegeben. Doch nun flüchte ich willig in jenen Halbschlaf, der es mir ermöglicht, die Wirklichkeit für einen Traum zu halten. Nun kann ich nichts deutlich unterscheiden, Gründe und Gegengründe sind vergessen, und nur das Verlangen nach ihr bleibt bestehen; und so unternehme ich es auf eigene Faust, mich ihr wieder zu nähern.

Indessen kann sie ihrer alten Lust, Ränke zu spinnen, nicht entsagen und ist in einer eifrigen Korrespondenz begriffen, die mir verschlossen bleibt. Wieder also beginnt sie sich mir in äußerlicher Hinsicht zu entfremden. Doch früher hatte ich sie ja nur losgelöst von allen zufälligen Verkettungen gekannt. Der alte Zustand scheint wieder hergestellt zu sein, ich will mich aber nicht zufrieden geben. In aufrührerischer Gesinnung bitte ich sie, mir alles zu sagen, mache ihr eine Eifersuchtsszene, das heißt, ich spiele den Eifersüchtigen, doch ohne Erfolg, weil sie mich durchschaut. Nun hat sich meiner ein Gedanke bemächtigt: ich will sie heiraten. Wie ich ihr dies im Scherze vorschlage, bleibt sie ernst, ihre Miene drückt sogar frohe Erwartung aus. Dann fordert sie Bedenkzeit. Ich verlasse sie, ein unbezwingliches Verlangen nach Ruhe und Klarheit erfaßt mich. Die Zeit, da sie nicht mehr lebte, ist mir gegenwärtig, und während sich mir ihre Züge verwischen, denke ich ermattend an Arbeiten, die ich unterbrochen, [20] an Pläne, die ich entworfen hatte. Darauf fügt es der Zufall, daß ich ich sie drei Tage lang nicht sehe, schließlich mache ich meinen Besuch und werde mit allen Zeichen von Ungeduld empfangen. Sie ist sehr blaß, aber wir lachen einander zu. Nun komme ich mir gesund und fröhlich vor und bin geneigt, sie für schwächlich und empfindsam anzusehen. Ich ertappe mich dabei, daß mir ihr Gang, ihr Haar nicht mehr so gut wie früher gefallen. Das ist wohl nur ein vorübergehender Irrtum, denn mir scheint für Augenblicke sogar das Vertraute fremd zu sein, da ich allzusehr auf ihre Bewegungen achte. Jetzt kommt sie wieder unter Leute, denn ihre Gesundheit ist zurückgekehrt. Die Bekannten scheinen ihr nicht mehr verlassenswert zu sein, sie wird jedoch auch nicht durch Fragen oder Bemerkungen gequält. Offenbar haben beide Teile die Episode der Trennung vergessen, mich aber läßt das Gedächtnis nicht im Stich. Alles hatte sich wirklich zugetragen, denn ich glaubte daran; mithin mußte die Erinnerung an sie verblassen. Nun mißtraue ich dem Spiel des Zufalls, das mich nur einmal hat betrügen können. Ich beschließe, mit anderen, denen es ähnlich ergehen muß, Rücksprache zu nehmen. Man beachtet indessen meine Fragen nicht, vielleicht darum, weil sie zu vorsichtig gestellt werden. Einmal spreche ich mich sogar offen darüber aus, finde aber kein Verständnis. Doch gewiß hat auch jene wenigstens eine Ahnung gestreift: beim ersten Auftauchen der Nachricht, nur eine Sekunde lang, im Dämmern des Zweifels. Dann allerdings behielt wieder die Lebende recht, und es fiel nicht schwer, der Gewißheit die frühere Überzeugung preiszugeben. Die alte Vorstellung konnte der neuen nicht standhalten und wurde rasch zerstört, man vergaß, daß man einst besser unterrichtet gewesen war.

Ihr Geburtstag wird in der üblichen Weise gefeiert. Wir sind einen langen Tag beisammen, ungestört, und verbringen ihn außerhalb der Stadt. Wir gehen spazieren; meine Begleiterin läßt ihr Buch fallen, hebt es jedoch wieder auf, ehe ich mich noch bücken kann. Da treffen sich unsere Blicke, während sie sich wieder emporrichtet. Sie sieht mir gelassen ins Gesicht, ohne eine Spur von Verstimmung oder Freude, ohne eine Frage an mich zu stellen, so, als gelte ihr Blick nicht mir. Jetzt erkenne ich jede Einzelheit dieser Gestalt, ich sehe, daß ihre Glieder schlank und kräftig ineinandergefügt sind, und der Atem sie einheitlich hebt und senkt. Aber [21] da ich noch von dieser Deutlichkeit beglückt bin, werde ich mir ihrer in Feindschaft bewußt und weiß, daß der Zwiespalt, der uns trennt, nicht überbrückt werden kann. Aber nun sind meine Schritte unsicher, als würde mir der Boden unter den Füßen fortgezogen. Bedeutet das meinen Untergang? Nein, meine Freiheit wächst, doch ich treibe dahin, wie jemand, der von der Brücke in den Fluß späht. Jetzt gilt es, die Augen mit der Hand zu bedecken. Ich richte alle Gedanken auf mich selbst, um Halt zu gewinnen. Nun denke ich an die Vergangenheit, die mir nutzlos geworden ist, und sehe, daß nur Not und Qual zurückbleibt. Aber nichts verwehrt es mir, selbst an der Quelle der Verwirrung meinen Durst zu stillen.


Die Saalverweigerung[1]
C XI 366/11/15
Im Namen Seiner Majestät des Kaisers!

Das k. k. Handelsgericht Wien als Berufungsgericht hat unter dem Vorsitze des k. k. Oberlandesgerichtsrates Dr. Swoboda im Beisein des k. k. Landesgerichtsrates Dr. Grünberg und des kaiserl. Rates Cornel Spitzer als Richter in der Rechtssache des Karl Kraus, Schriftstellers in Wien, I. Dominikanerbastei, Klägers, vertreten durch Dr. Emil Franzos, wider die prot. Firma Konzertdirektion Albert Gutmann in Wien, Beklagte, vertreten durch Dr. Ernst Schlesinger wegen 1000 Kronen samt Nebengebühren infolge Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des k. k. Bezirksgerichtes für Handelssachen vom 21./6. 1911, Geschäftszahl C XI 366/11/11 auf Grund der mit beiden Parteien am 22. September 1911 durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung der beklagten Firma wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß Beklagte schuldig ist, dem Kläger 700 K samt 6% Zinsen vom 10./3. 1911, sowie die mit 334 K 73 h bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren des Klägers auf Zahlung von 300 K samt Nebengebühren wird abgewiesen.

Die beklagte Firma ist schuldig, dem Kläger ein Drittel der auf 113 K 40 h bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens, somit 37 K 80 h binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

[22]
Tatbestand

Mit rechtskräftigem Zwischenurteile vom 27./4. 1911, C XI 366/11/7 hat das k. k. Bezirksgericht für Handelssachen Wien über die Klage des Klägers auf Zahlung von 1000 K s. A. erkannt: der Klageanspruch besteht seinem Grunde nach zu Recht. Die Entscheidung über die Prozeßkosten wird dem Endurteile vorbehalten.

Mit dem angefochtenen Endurteile hat das Erstgericht dem Kläger den angesprochenen Betrag von 1000 K samt Nebengebühren zuerkannt.

Dieses Endurteil wird von der Beklagten durch Berufung rechtzeitig angefochten.

Als Berufungsgründe wird unrichtige sachliche und rechtliche Würdigung des Sachverhaltes sowie die Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht.

Im einzelnen führte Beklagte aus: – – – – – – – – – – Dies sei aber durch die vom Akademischen Verband für L. und M. veranstalteten klägerischen Vorträge geschehen, so daß der Kläger überhaupt nicht geschädigt sei. Hätte anderseits der Kläger den Vortrag im Bösendorfer-Saale gehalten, so würden seine weiteren Vorträge im Erfolge beeinträchtigt worden sein. Unrichtig sei es, daß der Kläger überhaupt ein ausverkauftes Haus gehabt haben würde, da insbesondere die Zeitpunkte vom 28. Dezember und 6. Januar einem Vortrage ungünstig waren. – – –

Keinesfalls könne der Schadensberechnung die höhere Preisskala zugrunde gelegt werden. Auch kämen die Referentensitze, deren Aussendung sich die beklagte Firma unter keinen Umständen entziehen konnte, vom Schaden in Abrechnung.

Wären die von der Beklagten in erster Instanz in Antrag gebrachten und neuerlich angebotenen Beweise durchgeführt worden, so wären die Behauptungen der beklagten Firma bestätigt worden und dies würde die Abweisung der Klage herbeigeführt haben.

Der Berufungsantrag geht dahin: das angefochtene Urteil sei dahin abzuändern, daß das Klagebegehren gänzlich und kostenpflichtig abgewiesen, eventuell das angefochtene Urteil aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung an die erste Instanz zurückverwiesen werde. Jedenfalls sei der Kläger zum Ersatze der Kosten des Berufungsverfahrens zu verurteilen.

Der Kläger beantragte kostenpflichtige Abweisung der Berufung.


Die von der Beklagten gestellten Beweisanträge wurden abgelehnt.

Entscheidungsgründe

Die bezeichneten drei Vorlesungen waren vollkommen selbständige Veranstaltungen des Klägers, welche für ihn gewinn- oder verlustbringend sein konnten, die der Kläger abhalten oder unterlassen konnte, ohne daß Beklagte hieraus für jenen Schaden, den sie dem Kläger durch ihren Vertragsbruch verursachte, ihre Entlastung finden kann: so wenig [23] wie etwa der vertragsbrüchige Verkäufer beim verursachten Schaden dem Käufer jenen Gewinn entgegenhalten kann, den dieser später aus anderen nicht zusammenhängenden Geschäften erzielte. Ob ein Vorleser wie der Kläger in Wien in einer Saison mehr als dreimal einen Saal füllen kann und ob ihm die Vorträge im Saale des Ingenieur- und Architekten-Vereines bei vorheriger Abhaltung der Vorlesung im Bösendorfer-Saale jenen Erfolg gebracht hätten, den sie wirklich hatten, ist für die Frage des Schadens, der dem Kläger durch die Vertragswidrigkeit der Beklagten entstand, vollkommen belanglos und der Erstrichter hat den von der Beklagten angebotenen entsprechenden Sachverständigenbeweis mit Recht abgelehnt.

Die Erfolge des Klägers im Saale des Ingenieur- und Architekten-Vereines lehren aber wohl, daß der Kläger persönlich vermöge besonderer Umstände in Wien eine Stellung besitzt, welche auch die Ungunst selbst widriger Zeitpunkte überwindet. Er erzielte am 1./2., 7./3. und am 15./5. in Wien volle Säle und es darf angenommen werden, daß auch seine Vorlesung am 28./12. oder 6./1. den gleichen Erfolg gehabt hätte, und daß der Bösendorfer- oder Urania—Saal ausverkauft gewesen wäre. — — — Die Abführung von Beweisen im Sinne der beklagten Firma konnte bei einem Vorleser von Belang sein, der der Öffentlichkeit nicht bekannt ist; von dem sie sich nichts verspricht oder den sie aus sonstigen Gründen nicht hören will. Im konkreten Falle aber hätte die Aussage selbst erfahrener Zeugen jene Erwägungen, die zu Gunsten des Klägers sprechen, nicht aufheben können. Der Erstrichter ist daher auch auf die hier von der Beklagten angebotenen Beweise mit Recht nicht eingegangen.

Für die Schadensberechnung ist daher davon auszugehen, daß der Bösendorfer-Saal am 28./12. 1910 voll gewesen wäre. Es fragt sich nur, welche Preisskala anzusetzen ist. Nach dem Brief der Firma Emil Gutmann, vom 9./12. 1910 ist in diesem Punkte kein Zweifel möglich. Denn hier wird ausdrücklich vorgeschrieben, daß die Eintrittspreise keinesfalls zu hoch anzusetzen und von 5 K abzustufen sind, daß eine genügende Zahl billigerer Plätze vorhanden sei. Ob der Kläger mit dieser Weisung der Firma Emil Gutmann an Albert Gutmann einverstanden war, fällt nicht ins Gewicht. Denn für Beklagte mußte, da sie nicht vom Kläger, sondern von der Firma Emil Gutmann alle Weisungen empfing, das maßgebend sein, was ihr die Firma Emil Gutmann anordnete. Wäre es zur Vorlesung im Bösendorfer-Saale gekommen, hätte sie ohne Gefahr, einen Vorwurf auf sich zu laden, die übliche niedrigere Preisskala, die einschließlich der 40 Referentensitze 1608 K brutto einbringt, wählen dürfen und müssen. Nur diese niedrigere Skala ist daher im gegebenen Falle entscheidend. Mit dem Briefe vom 9./12. 1910 sind die bestandenen Zweifel im Sinne der beklagten Firma gelöst und auf die von ihr angebotenen aufklärenden Beweise kommt es nicht mehr an.

Es erübrigt noch die Frage der Referentensitze, die zu Gunsten des Klägers zu beantworten ist. Gerade Beklagte wies in ihren Briefen auf das eigenartige Verhältnis des [24] Klägers zur Wiener Journalistik hin. Sie führte dieses Verhältnis als Grund dafür an, daß Kläger den Bösendorfer-Saal nicht erhalten könne, weil der Saal sonst von der Wr. Presse boykottiert werden könnte. In welchem Verhältnis immer Beklagte zur Wr. Presse steht, konnte sie doch nicht darauf rechnen, daß die Presse der Einladung des Klägers folgen, noch daß dieser die Presse einladen und damit seine eigene Unabhängigkeit gefährden würde. Für die Vorlesung des Klägers waren daher die Referentensitze frei und wie alle anderen Sitze verkäuflich. Sie erhöhen daher das in Aussicht gestandene Bruttoergebnis des Saales auf 1608 K.


In Ansehung der Kosten I. Instanz, an deren Höhe nicht gerührt wurde, ist auf § 43 Abs. 2 ZPO. zu verweisen. Der Ausspruch über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 43 Abs. 1 und 52 Abs. 1 ZPO.

Die Beklagte nahm auch im Berufungsverfahren gegenüber dem Klagsanspruch eine vollständig verneinende Haltung ein, der gegenüber der Kläger den Anspruch verteidigen mußte. Beklagte hat zwar die Abweisung der Klage etwa zu einem Drittel des Anspruches erwirkt. Im übrigen ist der Kläger siegreich geblieben. Es war ihm daher in sinngemäßer Verwertung der Vorschrift des § 43 Abs. 1 ZPO. ein Drittel der Kosten des Berufungsverfahrens zuzusprechen,

K. k. Handelsgericht Wien,
Abteilung IX., am 22. September 1911
L. S. Dr. Swoboda.

»Ihren durch Herrn Seidl mir vermittelten Wunsch, die von Ihnen an Zeitungsredaktoren zu verteilenden Exemplare der ‚Götterdämmerung‘ durch meine Unterschrift als Gunst-Erwerbungs-Zueignungen meinerseits zu bezeichnen, ist es mir unmöglich zu erfüllen. Nicht das mindeste Hinderniß möchte ich dem Vorgehen Ihrer Klugheit und Besonnenheit entgegensetzen, doch muß ich wünschen, daß von jener Seite nur die Höflichkeit der Firma Schott, nicht aber meine Willigkeit zu irgend einer Huldigung beachtet und verdankt werden möge, da es mein Stolz ist, nun 62 Jahre alt geworden zu sein, ohne den Herren von der Presse das mindeste Zugeständniß zu erweisen, wozu sie mich glücklicher Weise auch bei keiner Gelegenheit etwa verlockt haben.«

{{zr|(Wagner am 18. Mai 1875 an A. L. Mazière, den
Leiter des Musikalienverlages Schott in Mainz.
R. Wagners Briefwechsel mit seinen Verlegern II, S. 192)


Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: Karl Kraus
Druck von Jahoda & Siegel, Wien, III. Hintere Zollamtsstraße 3
  1. Siehe Nr. 326/327/328. Die gesperrt gedruckten Stellen sind im Original des Urteils nicht unterstrichen.