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Seite:Die Fackel Nr. 333.djvu/8

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Schlaf riß. Es war wie die gereckte Faust einer fanatisierten Menge, Weh und Wut war darin. Und dennoch drang eine sanfte Stimme durch, die unaufhörlich „Delimel! Delimel!“ klagte, wie Philomelens oder eines Kindes, das im heiligen Gedränge die Mutter verloren hatte. Es war, als ob die Menschheit auf der Wanderung wäre. Ich horchte angestrengt hin und glaubte nun etwas wie „Lömatän! Löschurnal!“ zu unterscheiden. Da riß sich einer los, ekstatisch, und rief mit unerhörter, zur Tat aufreißender Entschlossenheit: „Sésonostánd!“ Aber das Brausen verschlang auch ihn, und die Antwort war wieder nur „Poreleba! Poreleba!“ und immer wieder mit der seltsamen Kraft der Innerlichkeit und schon verzagend: „Delimel! Delimel!“ Nun aber schien sich alles zu sammeln, es stieg wie Dank zum Himmel hinauf und eine Stimme sang „Exzelsior!“ Da – ich weiß nicht, wie mir wird – löst sich etwas wie „Kölnische, Frankfurter!“, und wie wenn das finstere Mittelalter von meiner Stirn wiche, ruft es: „Neue Freie Presse, Neues Wiener Tagblatt, Neues Wiener Journal!“ Ich öffne das Fenster und lasse Gottes Wunder einströmen.

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Das Zeitalter gebärdet sich so, als ob es von der Entwicklung zwar überzeugt, aber durch Vollkommenheit verhindert wäre, sich an ihr persönlich zu beteiligen. Seine Dauerhaftigkeit steht in einem Garantieschein, der dem Mechaniker eine schwere Verantwortung auferlegt, aber sie dauert sicher so lang, wie der Garantieschein. Immerhin ist es möglich, daß die Steinzeit und die Bronzezeit dauerhafter waren als die Papierzeit.

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Der Monist müßte sich für seine Wahrheit opfern. Dann erst würde man sehen, daß die Realität nichts verliert und die Unsterblichkeit nichts gewinnt, und die Identität wäre vollkommen bewiesen.

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Empfohlene Zitierweise:
Karl Kraus (Hrsg.): Die Fackel Nr. 333. Die Fackel, Wien 1911, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Fackel_Nr._333.djvu/8&oldid=- (Version vom 14.8.2016)