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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

daß Stainer nicht mit Unrecht sich als hintergangen betrachtete. Der Richter glaubte an die Ehrenhaftigkeit Stainers, nahm für ihn Partei und schrieb dem Kläger, das Gericht Thauer befasse sich nicht mit Eintreibung von Schulden, er möge sich in dieser Angelegenheit nach Hall wenden. Salomon Huebmer gab aber nicht nach und verfolgte seinen Schuldner unnachsichtig.

Er klagte die Schuld nun in Kirchdorf ein und erwirkte wirklich das Recht: sollte die Stadt Hall die Schuld Stainers nicht voll einbringlich machen, so werde auf dem nächsten Linzer Markte der nächstbeste Haller Bürger dafür angehalten. In solchen mißlichen Verhältnissen befand sich Stainer. Allerdings muß man auch die Preise betrachten, mit welchen die Kunstwerke des großen Meisters bezahlt wurden. Gerade in dieser kritischen Zeit unternahm er wieder eine Reise nach Salzburg, wo ihm das fürstliche Zahlmeisteramt für eine „Viola di Gamba“ und für zwei „Viol-Krazzen“ 72 Gulden entrichtete. Für eine Violine zahlte ihm dasselbe Amt 22 Gulden und vier Kreuzer.

Die letzte erfreuliche Nachricht für den bedauernswürdigen Meister war der Erlaß, mit welchem er am 9. Januar 1669 auf seine Eingabe auch von Kaiser Leopold I als Hofgeigenmacher bestätigt wurde, und zwar, wie das Diplom sagt: „weil dem Kaiser des getreuen und lieben Stainers gute Qualität und Experienz des Geigenmachens absonderlichs angerühmt worden sei“.

Stand Stainer bisher „bei geistlich und weltlich Behörd in absonderlich guten Ansehen“, so wurde er nun in eine Angelegenheit verwickelt, die für ihn die nachteiligsten Folgen hatte. Die Jesuiten in Innsbruck und Hall rüsteten sich mit aller Gewalt, um der immer mehr und mehr um sich greifenden Lehre der Reformatoren entgegenzutreten.

Auch Jakob Stainer wurde von der neuen Lehre angezogen, nahm eifrigst teil an der lutherischen Bewegung und machte sich des Verkaufs sektirerischer Bücher verdächtig. Selbstverständlich schützten den Meister weder seine Kunst noch sein Hoftitel vor der Verfolgung, und er wurde zusammen mit einem gewissen Jakob Meringer, Bürger in Hall, ergriffen und ins Gefängnis geworfen. Von seiten der Regierung trafen strenge Verordnungen ein, wie sich das Gericht gegen die zwei Ketzer zu verhalten habe.

Meringer, der Genosse Stainers, wurde über seiner Versicherung, man klage ihn fälschlich als Ketzer an, er sei im Gegenteil immer ein guter Katholik gewesen und er bitte „um gnädiges Verzeihen“, aus dem Gefängnisse entlassen. Stainer aber blieb weiter in Haft und wurde vielen Verhören unterzogen. Erst am 16. September 1669 wurde er auf einen gerichtlichen Bericht an die Regierung, er habe von geistlicher Obrigkeit in betreff des Verbrechens der Ketzerei die Absolution erhalten, aus der Haft entlassen. Der Entlassungsbefehl enthielt zwar den Nachsatz, ihn mit keiner weiteren Strafe zu belegen, welche ihm als kaiserlichem Diener und Hofgeigenmacher nachteilig sein könnte, aber die Gunst der Hof- und Regierungsräte in Innsbruck hatte er für immer verwirkt.

Stainer war sechs Monate in Haft. Er warf sich nun mit neuem Eifer auf die Arbeit. Die einflußreichen Kreise blieben ihm aber verschlossen und seine hohen Gönner wollten nichts mehr mit dem Meister zu thun haben. So fiel der tiroler Meister immer mehr in Schulden, obwohl er einfach und schlicht mit seiner kinderreichen Familie lebte.

Doch Schlag auf Schlag sollte nun aus den Kreisen der Mächtigen in Innsbruck auf ihn niedersausen.

Im Jahre 1677 wurde er aufgefordert, seine Schuld sofort zu bezahlen, welche das Pfannamt in Hall zu fordern habe. Gezeichnet war diese Forderung vom Grafen Albert Fugger. Stainer war nicht in der Lage, dieser Forderung nachzukommen und das Geld aufzutreiben. Er richtete infolgedessen durch die Regierung in Innsbruck ein Gnadengesuch an den Kaiser, daß er ihm diese Schuld „in Gnaden gutmache“, da er sonst durch die vom Pfannamte angedrohte Exekution um Hab’ und Gut käme. Die Stände Tirols hatten gerade zu dieser Zeit dem Kaiser, der sich zum drittenmal vermählt hatte, ein Huldigungsgeschenk von dreißigtausend Gulden überreicht. Stainer setzte also große Hoffnung auf Gewähr seiner Bitte.

Aber durch einen Erlaß vom 18. Februar 1678 wurde ihm dieselbe vom Kaiser kurz abgeschlagen, und zwar mit der Begründung „der Konsequenz und anderer angeführten Ursachen wegen“.

Die Regierungsräte und ihre mächtigen Freunde in Innsbruck hatten eine befürwortende Einbegleitung des Gesuches unterlassen, denn jetzt war ja Stainer für sie der kaiserlichen Gnade unwürdig. Diese Enttäuschung traf den armen Mann schwer. Er fand keine Freude mehr an der Arbeit und irrte tagelang in den Wäldern herum. Noch heute erzählt man sich im Volksmunde, der Geigenmacher von Hall hätte in seiner letzten Lebenszeit so traurig auf seiner Geige gespielt, daß die Leute alle weinen mußten, die ihm zuhörten. Stainer wurde immer scheuer und zog sich von den Menschen, ja schließlich von seiner Familie, die in tiefster Armut lebte, zurück. Der Wahnsinn umnachtete seinen Geist, und erst im Jahre 1683, „am Freitag nach St. Aegidi, vor Sonnenaufgang“, erlöste ihn der Tod von seinen Leiden. So sagt die Inschrift auf dem Gedenksteine an der Pfarrkirche von Absam, welchen der würdige Pfarrer Lechleitner dem großen Landsmanne im Jahre 1842 errichten ließ.

Nunmehr geht man mit dem Gedanken um, dem Meister ein würdiges Denkmal zu errichten. Dabei sollte man wahrlich nicht nur an Marmor und Plastik denken.

Man ist jetzt nur in der Lage, nach dürftigen Daten, wenn sie auch mit großem Fleiß, vorzüglich von S. Ruf, gesammelt sind, über das Leben dieses merkwürdigen Mannes nachzuerzählen. Berufene Kräfte sollten jedoch durch eifrige Forschungen die vielen Lücken ergänzen und zugleich mit der Errichtung des Denkmals sollte ein volkstümlich geschriebenes Buch erscheinen, welches vom Geigenmacher von Absam erzählt.


Ein Tag in Arkadien.

Von J. Braun.0 Mit Abbildungen von A. Schmidhammer.


Ein eigenartiger Zauber umgiebt die Münchener Künstlerfeste. Andere deutsche Städte haben ja auch ihre kostümierten Künstlerbälle, wenn aber einmal die Münchener Künstlerschaft sich zu einem ihrer großen Feste zusammenschließt, so ist das etwas Besonderes, das als solches weit über den Bannkreis der alten Frauentürme hinaus empfunden wird – das lebende Kunstwerk eines Abends, seinen Schöpfern so teuer wie ihre bleibenden Werke, und der augenblicklich begeisternden Wirkung auf Tausende sicher.

Im kleinsten Kreise entsteht der Gedanke dazu, die nächsten fassen ihn auf und bilden weiter daran. Die Pläne gewinnen Gestalt, die Losung wird ausgegeben, und nun ergreift die fröhliche Bewegung mit ihrem Wellenschlag immer weitere Kreise, beschäftigt wochenlang die ganze Stadt, zieht fremde Gäste herbei, ruft eine ganze Festindustrie ins Leben, und kaum irgendwo wird für den leider allzu vergänglichen Zweck so viel dauernde Mühe und ernsthafte künstlerische Arbeit willig drangegeben. Alle Teilnehmer empfinden es wie eine Art Schöpferfreude, so durch die eigene Person mitzuwirken in dem lebendigen Bild, das nur durch feinsinniges Zusammenhalten entstehen kann und durch die größte Treue in allem Detail einen so überzeugenden Eindruck von Lebenswahrheit hervorbringt.

Die Ältesten erzählen noch von dem herrlichen Dürerfest im Jahre 1840, das Gottfried Keller im „Grünen Heinrich“ poetisch verklärt uns überliefert hat. Im Jahre 1861 trat, von Meister Schwinds Zauberstab geweckt, unsere ganze Märchenwelt mit ihren schönsten Gestalten ins Leben; das Renaissancefest von 1876 gab der Freude am Wiederaufblühen deutscher Vergangenheit seinen malerischen Ausdruck. Einmal war es „die Herrschaft des Winters“, wobei alles, was dieser an lebensfrohen Erscheinungen mit sich führt, im Festzug erschien – zum Schluß unter einem mächtigen Christbaum Defreggers Kinder, schlafend, von den schönsten Weihnachtsengeln bewacht. Andere Feste voll Schwung und Phantasie folgten, und in diesem Jahre hieß das leitende Wort:


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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0144.jpg&oldid=- (Version vom 24.4.2024)