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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Stoffen ähnlich sind, also außer Wasser solche Nahrungsmittel, die ebensowohl die gehörige Menge von Eiweiß- wie auch von Fettsubstanzen, Salzen, Kalk und Eisen enthalten. Eine Nahrung, welche den einen oder den andern der genannten Stoffe gar nicht oder in zu geringer Menge besitzt, wie dies bei den Speisen armer Leute gewöhnlich der Fall ist, stört die richtige Ernährung des Körpers und macht denselben elend und krank. Daher das häufige Siechthum und Kranksein Armer. Es drückt sich der Armuths-Habitus aber um so deutlicher aus, je mehr der Arme durch körperliche Anstrengungen, also auf Kosten seiner (aus einer Eiweißsubstanz gebildeten) Muskeln oder des Fleisches, seinen Lebensunterhalt verdienen muß und diese bei der Arbeit sich aufreibenden Muskeln doch nicht ordentlich durch gehörig eiweißhaltige Kost zu ernähren im Stande ist. Man vergleiche nur einmal die von Kartoffeln, Brot und Kaffee lebenden deutschen Arbeitsleute mit den fleischessenden englischen. Es ist deshalb auch ein großes Unrecht, von schlecht und falsch ernährten Personen dieselben Leistungen zu verlangen, wie von Solchen, die eine gute Kost genießen. Dies bezieht sich übrigens auch auf die Schulkinder, bei denen die Aeltern und Lehrer sehr oft nicht die gehörige Rücksicht auf das Verhältniß zwischen Nahrung und Arbeit nehmen. Es ist geradezu ein Verbrechen, ja sogar subtiler Mord, wenn Dienstleuten, die tüchtig arbeiten müssen, nicht genug und wirklich nahrhaftes Essen von der Herrschaft verabreicht wird. Und traurig muß es Jeden stimmen, wenn er sieht, wie man Armen den Hunger durch das allerschlechteste und unzureichendste Nahrungsmittel, durch die fast nur aus Stärke bestehende Kartoffel, zu stillen sucht und dann gar noch verlangt, daß solche falsch und schlecht genährte Subjekte schwere Arbeit (an Eisenbahnen) verrichten sollen. – Man merke doch nur einmal, daß der Mensch blos bei gemischter (d. h. thierischer und pflanzlicher) Kost gut gedeihen kann und daß, wenn er thierische Nahrungsmittel (wie Milch, Fleisch, Ei) entbehren muß, dann wenigstens solche pflanzliche Stoffe zur Nahrung zu wählen hat, die den thierischen am ähnlichsten sind, wie die Getreidearten (Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Hirse, Reis und Mais) und Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen, Linsen und Wicken). In den Pflanzennahrungsmitteln finden sich nämlich die Eiweißsubstanzen (hier Kleber und Hülsenstoff genannt), welche in den thierischen Nahrungsmitteln am reichlichsten vorhanden sind, und mit ihnen noch mehrere andere Stoffe (besonders Eisen und Kochsalz) in zu geringer Menge vor, während von den fettähnlichen Stoffen (Stärke, Zucker), an welcher die thierischen Nahrungsmittel zu wenig besitzen (zumal wenn man die Sahne von der Milch und das Fett von der Fleischbrühe abschöpft), im Verhältnisse zu große Mengen in der Pflanzennahrung vorhanden sind. Will man also die pflanzliche Nahrung gehörig nahrhaft machen, so sind derselben durchaus noch Eiweißsubstanzen (Eiweiß, Milch, Käse, Fleischbrühe, Blut), Kochsalz und Eisen zuzusetzen. So würde z. B. zum Brote Käse besser als Butter passen, Kartoffelbrei in Milch oder Fleischbrühe gekocht nahrhafter als mit Butter sein, den Reis der Käse nahrhafter machen, zu ganzen Kartoffeln lieber Wurst oder Käse als Butter zu essen sein u. s. f. Da der Zusatz von Eisen aber den Speisen einen unangenehmen (tintenartigen) Geschmack geben würde, sein Vorhandensein im Blute aber von der allergrößten Wichtigkeit bei der Ernährung des Körpers und bei der Wärmebildung ist, so ließe sich dasselbe vielleicht als eisenhaltiges Schnäpschen zum Essen trinken und mit den andern Nahrungsstoffen dem Blute zuführen. Ein solcher Armuths-Eisenschnaps könnte dadurch billig hergestellt werden, daß man zu einem Gläschen schwachen Liqueurs mehrere Tropfen einer leichtverdaulichen Eisentinktur (der essig-, milch- oder äpfelsauren) zusetzte.

Sowie nun bei der Wahl der Nahrungsmittel zuerst nach der Nahrhaftigkeit derselben zu forschen ist, so muß sodann auch die Verdaulichkeit und Verdauung der Speisen gehörig in Betracht gezogen und soviel als möglich unterstützt werden. Denn es kommt gar sehr häufig vor, daß eine große Menge von Nahrungsstoff ganz unbenutzt mit dem Stuhle wieder aus dem Körper ausgeführt wird, sobald die Verdauung der Nahrungsmittel schwer, und unvollkommen vor sich geht. Am deutlichsten zeigt sich dies bei dem Genusse von Fleisch, wenn dieses in schwer löslicher Form und in größeren unzerkauten Stücken verschluckt wird; ebenso, aber auch bei Milch, Käse. hartem Ei, Hülsenfrüchten und Mehlspeisen. Deshalb hängt von der Zubereitung der Speisen, so wie von der richtigen Beobachtung der Verdauungsregeln sehr viel ab und manche Menschen brauchten vielleicht nur die Hälfte von Dem zu essen, was sie essen, um ihren Körper hinreichend zu ernähren, wenn sie es richtig genössen. Bei der Speisung Armer sind diese Thatsachen natürlich weit beachtungswerther, als bei den Mahlzeiten Wohlhabender, welche einen Theil der Nahrungsstoffe blos des Genusses wegen genießen können, während der Arme nur der Erhaltung seines Körpers halber essen und trinken muß und zwar billig.

Was nun die zur Förderung der Verdauung dienenden Regeln betrifft, so würden die folgenden vorzugsweise der Beachtung werth sein. 1) Man bereite die Nahrungsmittel so zu, daß sie so verdaulich als möglich werden, damit nicht Parthien derselben unverdaut mit dem Stuhle wieder fortgehen. Vorzüglich ist das Fleisch, welches um so nahrhafter ist, je blutreicher dasselbe und je löslicher seine Fasern sind, durch Braten oder richtiges Kochen (wobei große Stücken sofort in kochendes Wasser zu bringen und einem starken Feuer auszusetzen sind), sowie durch Behandlung mit Essig- oder Milchsäure (saure Sahne) leicht verdaulich (d. h. im Magen- und Darmsafte leicht löslich) zu machen (s. Gartenlaube 1854. Nr. 21.). Sodann sind auch unlösliche Stoffe so viel als möglich aus den Nahrungsmitteln vor deren Genuß zu entfernen, weil jene Stoffe den Zutritt der Verdauungssäfte zu den verdaulichen Stoffen und so deren Verdauung hindern. Deshalb sind die von ihren Schalen befreiten (durchgeschlagenen) Hülsenfrüchte und Getreidesamen nicht nur verdaulicher, sondern auch nahrhafter. Es sind überhaupt alle festeren Nahrungsstoffe (besonders auch die stärkereichen Pflanzennahrungsmittel) durch eine richtige Zubereitung so weich als nur möglich zu machen, damit die Verdauungssäfte dieselben gehörig durchdringen können. – 2) Man bringe alle festen Nahrungsmittel (zumal das Fleisch) tüchtig gekaut in den Magen, weil sonst die größeren und unzerkauten Stücken unverdaut bleiben. Man esse deshalb langsam und kaue ordentlich. – 3) Das Trinken beim Essen unterstützt insofern die Verdauung, als dadurch die Verdauungssäfte vermehrt werden und das Feste besser durchdringend erweichen. Ein leichtes Bier, in welchem doch auch, wenn auch nur wenige Nahrungsstoffe aus dem Getreide vorhanden sind, ist natürlich dem Wasser vorzuziehen. Ebenso trägt auch das gehörige Würzen der Speisen, sowie der mäßige Genuß schwach-spirituöser Getränke zur Beförderung der Verdauung mit bei und zwar theils durch Vermehrung der Absonderung von Verdauungssäften, theils durch Anregung der Bewegungen in den Verdauungsorganen. Wir möchten zu diesem Zwecke abermals den oben erwähnten eisenhaltigen Liqueur empfehlen, der übrigens auch Bleichsüchtigen (Blutarmen) insofern gute Dienste thut, natürlich nur neben einer nahrhaften Kost, als er durch seinen Eisengehalt den Uebergang der Lebensluft (des Sauerstoffs) aus der eingeathmeten atmosphärischen Luft in das Blut (innerhalb der Lunge; s. Gartenlaube 1853. Nr. 17.) befördert.

Zur Kultur des Blutes ist nämlich Sauerstoff deshalb ganz unentbehrlich, weil dieser nicht blos durch Verbrennung gewisser Stoffe zur Entwickelung der Wärme beiträgt (s. Gartenlaube 1854 Nr. 33), ohne welche der Stoffwechsel (die Ernährung, Zellen- und Gewebsbildung) unmöglich ist, sondern weil er auch zur Verwandelung ebenso der zu Gewebe zu verarbeitenden, neuaufgenommenen Nahrungsstoffe, so wie der alten abgestorbenen Gewebsbestandtheile zu Auswurfsstoffen die Veranlassung giebt. Die Aufnahme dieser zum Leben unentbehrlichen Luftart findet in den Lungen statt und wird hauptsächlich durch das Eisen des Blutes (der Blutkörperchen) vermittelt, welches gewissermaßen den Sauerstoff an sich und so in das Blut hineinzieht. Sonach ist auch das Eisen im Blute ein sehr wichtiger Bestandtheil, und da dasselbe in den pflanzlichen Nahrungsmitteln, an welche Arme vorzugsweise gewiesen sind, in weit geringerer Menge als in den thierischen vorhanden ist, so dürfte die Empfehlung jenes Eisenliqueurs zum Ersatze des Eisens gerechtfertigt sein, immer aber mit der Voraussezuung, daß auch die andern nöthigen Nahrungsstoffe ebenfalls gleichzeitig in’s Blut geschafft werden. – Die Stoffe, welche der Sauerstoff im Blute zum Theile nur zu dem Zwecke verbrennt, um die Eigenwärme unseres Körpers zu erzeugen, und welche man deshalb auch Heizungsmaterial nennen könnte, sind Fette und die dem Fette ähnlich zusammengesetzen (stickstofflosen, kohlenwasserstoffigen), also außer Fett und fettige Oele, Honig und Wachs, Stärke, Zucker, Gummi, Pflanzengallerte und Pflanzenschleim, Alkohol, Milchzucker und Milchsäure, Essigsäure. Natürlich wird ein Theil

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_040.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)