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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

weist 35 nach, wovon 15 auf London kommen. Sie zählen gegen 25,000 Mitglieder, welche sich dadurch von bloßer Lohnarbeit zum selbstständigen Geschäftsbetriebe aufgeschwungen haben, indem Jeder zwar für seine geleistete Arbeit Stücklohn erhält, außerdem aber Antheil am Geschäftsgewinne hat. Meist von höchst ärmlichen Anfängen ausgehend, haben sich fast alle zu einem gedeihlichen Verkehr aufgeschwungen. Meist gehören die Geschäfte der eigentlichen Handwerksindustrie an, doch beweisen zwei Maschinenbauwerkstätten und eine Baumwollspinnerei, welche dazu gehören, daß die Association auch bei Fabrikunternehmungen mit Erfolg angewendet werden kann. Ueberhaupt bewährt sich dabei der Satz: daß die Association die einzige Verkehrsform für die unbemittelte Arbeiterklasse ist, welche dazu dient, den bisherigen handwerksmäßigen Gewerbebetrieb derselben in den für die Zukunft allein noch möglichen fabrikmäßigen überzuleiten.

Die französischen Kooperativ-Associationen sind fast einzig auf Paris beschränkt, wo deren gegenwärtig sich noch 31 meist in blühendem Zustande befinden. Sie gehören ebenfalls fast durchgängig der Handwerksindustrie an, welche sie jedoch auf fabrikmäßigen Fuße in großen Ateliers betreiben.

Wie übrigens auch Privatunternehmer das Wohl ihrer Arbeiter allmälig mehr in das Auge fassen, beweisen einige interessante Beispiele in England. So die Price’s patent-candle-company von 400 Aktionären, die in vier Fabriken an 4000 Arbeiter beschäftigt, darunter 1500 Kinder. Sie hat eine Fabrikschule auch für Erwachsene, veranstaltet besondere Vergnügungsparthien mit den Kindern, hält ihnen Spielplätze etc. Für die Arbeiter bestehen Wasch-, Bade- und Speiseanstalten, auch können sie durch Anlegung ihrer Ersparnisse im Geschäft mit der Zeit selbst Aktionäre werden. Ferner die Fabrik des Herrn Salt zu Saltaire auf 700 Arbeiter Cottages (kleine Wohnhäuser mit Gärten) berechnet, von denen bereits 100 fertig sind, mit Kirche, Schulen, Gesellschaftshaus, Bäckerei, Vorraths-, Verkaufshaus, Gartenanlagen, Spielplätzen etc.

Doch wir überschreiten den uns gestatteten Raum, wollten wir des vielen Interessanten auch nur flüchtig Erwähnung thun, und rathen den Lesern, sich statt dieser trocknen Aufzählung, an das Buch selbst zu machen, das wohl kein Einsichtiger ohne Befriedigung aus den Händen legen wird.




Grunert, der bekannte stuttgarter Schauspieler, erzählt in der Europa folgende, so viel wir wissen noch unbekannte Anekdoten aus Schiller’s Leben.

In der Karlsschule durften die Schüler am Sonntag die Weste nur mit drei Knöpfen schließen, um das Jabot breit herausstehen zu lassen; in der Woche mußten sie vier Knöpfe an der Weste schließen. Die Putzsüchtigen unter den jungen Leuten knöpften aber auch an den Schultagen nur drei zu und freuten sich über den weitausgelegten Busenstreif. Einst wurde Schiller’s Nebenmann von dem vorgesetzten Offizier darüber zurecht gewiesen und entschuldigte sich mit dem Vorgeben, der Knopf sei „zufällig aufgesprungen.“ Am andern Tage war Sonntag; Schiller hatte gedichtet und kam unbekümmert um die militärische Regel mit geschlossener Weste zur Parade. Hauptmann Schmeckenbecher macht ein finsteres Gesicht. „Schiller!“ – „Herr Hauptmann?“ – „Was ist heut’ für ein Tag?“ – „Hm – Sonntag.“ – „Mit wieviel Knöpf’ ist das Gillet am Sonntag geschlossen?“ – „Hm – mit drei.“ – „Wieviel hat Er zu?“ – „Ich? – eins – zwei – drei – vier.“ – „Wie kommt das?“ – „Ah – ’s ischt mir einer zugesprunge!

Als er an den Räubern arbeitete, und auch gerade einiges daraus vorlas, wurde er vom Hauptmann Schmeckenbecher unterbrochen, der seine Visitation hielt. Ein ernster Verweis über die laute Unterhaltung reizt den aufgeregten Dichter und als Schmeckenbecher zur Thür geht, fährt jener mit den Worten heraus: „So einen Hauptmann schnitz’ ich mir aus ’ner gelben Ruben!“ – Aber der Hauptmann hatte es gehört. Am andern Morgen traten die Schüler in Reih’ und Glied, denn der Herzog erscheint. Er mustert sie lange; endlich ruft er: „Schiller!“ – Schiller tritt vor. – „Hat Er gesagt, so einen Hauptmann schnitz’ ich mir aus einer gelben Rübe?“ – „Ew. Durchlaucht, ich kann’s nicht leugnen.“ – „Schmeckenbecher, laß’ Er eine gelbe Rübe und ein Messer holen.“ – Eine Pause tritt ein. Der Herzog steht vor Schiller; dieser blickt zur Erde; endlich wird gelbe Rübe und Messer gebracht und auf einen Wink des Herzogs in Schiller’s Hände geschoben. – „Nun schnitz’ Er mir einmal einen heraus!“ – Schiller, feuerroth, beginnt in der Verlegenheit an der Rübe zu schnitzeln; Alles staunt; auch der Herzog, auf sein spanisches Rohr gestützt, sieht verwundert zu und sagt nach einer Weile halblaut zu seinem Adjutanten: „Es wäre doch verflucht, wenn er einen herausbrächte!




Weibliche Bildung und Erziehung. – „Es ist überflüssig, über die Nothwendigkeit einer umfassenden Ausbildung des weiblichen Geschlechtes Beweise vorzubringen; denn Jedermann erkennt, daß der Abstand zwischen der Bildung des Mannes und des Weibes in unserer Zeit des geistigen Vorwärtsschreitens immer mehr hervortritt. Darüber nur kann eine Meinungsverschiedenheit obwalten, wie weit oder wie eng man das Bildungsbereich des weiblichen Geschlechtes abgrenzen wolle. Indem ich es versuchen will, hierüber die Ansichten zu entwickeln, auf welchen die zu gründende Anstalt beruhen soll, glaube ich es gleich von vorn herein hervorheben zu müssen, daß ich den Uebergriffen einer sogenannten Frauen-Emancipation gegenüber vor allen Dingen die Stellung der Frau als Gattin, Mutter, Hausfrau mit aller Energie gewahrt wissen will. Diesen drei Seiten der Frauenstellung muß aber noch eine vierte hinzugebildet werden: die als Glied der bürgerlichen Gesellschaft. Die Erziehung des Herzens und des Körpers zu sittlicher und leiblicher Gesundheit versteht sich von selbst, umso mehr, als die Mutter die Bildnerin des kommenden Geschlechtes ist. Und zwar ist sie dies mehr, als man gewöhnlich glaubt, ja als es den Müttern selbst bewußt sein mag, denn fast keines großen Mannes Entwickelungsgeschichte verfehlt, die ersten Keime seiner Größe als Aussaat der Mutterhand nachzuweisen. – Vielfache Betrachtungen haben mich gelehrt, daß eine solche Anstalt eifrig dahin zu wirken habe, der Unnatur und Verbildung, um nicht zu sagen Ueberbildung, entgegen zu arbeiten, welche nicht selten das Ergebniß gewisser vornehmer Pensionate sind, und die sogar an Mädchen von kaum vierzehn Jahren wahrhaft widerlich hervortritt. Dabei begegnet man an solchen Kindern neben einem mehr als sichern Auftreten in den Kreisen Aelterer und einer an sich erfreulichen Gewandtheit in der Unterhaltung einer kläglichen Leerheit und Armuth an allem soliden Wissen.“ – „Für die gebildete Frau – ich denke hierbei überhaupt nicht an gelehrte – ist Vermögens- und Standesunterschied von keinem so großen Einfluß, wie für den Mann, welcher der Außenwelt gegenüber seine Stellung zu nehmen und zu behaupten, während die Frau ihren Blick nach Innen auf den Kreis ihres Hauses und auf den Kreis ihres Umganges zu richten hat. Bei dieser Auffassung der weiblichen Stellung macht es in der Bildung des Weibes keinen wesentlichen Unterschied, ob ihr Mann als großer Grundbesitzer Hunderttausende kommandirt, oder in der bescheidenen aber behaglichen Stellung als Beamter, Kaufmann, Fabrikant, Gelehrter. Gutsbesitzer oder Gewerbsmann steht. Der einzige erhebliche Unterschied, der sich hier geltend machen könnte, betrifft das Auftreten der Frau in der Gesellschaft. Die Gattin des Reichen findet hier ihren Haltpunkt in dem Reichthum ihres Gatten und sie steht für Jedermann dann in einer, ich möchte sagen Ehrfurcht gebietenden Haltung da, wenn sie außer jenem nur entlehnten Stützpunkte auch den eigenen der Bildung und des Wissens in sich trägt. Letztere den heranwachsenden Hausfrauen nach meinen Kräften mit geben zu helfen, ist das Ziel meinen Vorhabens.“ –

„1) Voran geht die wirthschaftliche Bildung, durch welche allein den jungen Mädchen ihre dereinstige Stellung als Frau lieb und wichtig gemacht werden kann. Nur die in allen wirthschaftlichen Angelegenheiten geübte Braut wird einst eine rechte Hausfrau sein. Daher sollen je nach der Art der Beschäftigungen fortdauernd oder nach der Reihenfolge die Pensionärinnen, mit Ausnahme der gröbern Arbeiten, alle in der Hauswirtschaft vorkommenden Geschäfte selbst üben, vom Markteinkauf bis zur Führung der Wirthschaftsbücher. Davon ist die Aufsichtsführung natürlich nicht ausgeschlossen, daher die Aufsicht über die Küchenarbeiten, die Wohn-, Schlaf, und Arbeitsräume neben der täglichen praktischen Beschäftigung dabei, Wochenweise unter den jungen Mädchen abwechseln soll. – – „2) Nächst den eigentlichen Wirthschaftsarbeiten soll eine besondere Aufmerksamkeit auf Erweiterung der Geschicklichkeit in den sogenannten weiblichen Arbeiten gerichtet werden; ich verstehe darunter: schön Nähen, Schneidern, Zuschneiden, Ausbessern, Stopfen, Plätten, Sticken u. s. w.“ (Punkt 3. behandelt den eigentlichen Unterricht in solchen Wissenschaften und Fertigkeiten, welche nicht in dem Bereich der Hausfrau im engeren Sinne zu liegen pflegen: Uebung in der schriftlichen Darstellung, Naturgeschichte, Ueberblick von der hauswirthschaftlichen Chemie, Vorlesen, Zeichnen, Körperübungen, einschließlich des Tanzens, Musik, Gesang, Sprachen.) – „4) Um den Pensionärinnen Gelegenheit zu bieten, sich mit Umsicht und Anstand als Frauen vom Hause bewegen zu lernen, wird bei den den Winter über allwöchentlich wiederkehrenden geselligen Abendunterhaltungen eine nach der andern mit der Rolle des Empfangs geladener Gäste und mit der Besorgung der Küche betraut werden. Musik und Gesang, bildende und unterhaltende Vorträge, Tanz in sehr beschränktem Maße, sollen mit geselligen Spielen abwechseln. Letztere werden um so mehr meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, als hierin leider sehr oft wirklich unterhaltender Stoff und Anstand vermißt wird. Dennoch scheinen sie mir zur Erreichung meines Zieles unentbehrlich, da namentlich durch sie Gelegenheit geboten ist, junge Mädchen im geselligen Umgange mit jungen Männern an diejenige anmuthige und sichere Haltung zu gewöhnen, welche eben so weit von befangener Ungelenkheit wie von haltloser Ungebundenheit entfernt ist. – Dies sind die Hauptpunkte, welche ich bei der Führung der mir anvertrauten Mädchen unverrückt im Auge haben werde. Alle vereinigen sich dahin, dieselben für die Familie und, so weit es das Weib berührt, für das Leben tüchtig vorzubereiten.“

Vorstehend haben wir einige Hauptsätze des Programms zu einer Erziehungs- und Bildungsanstalt für aus der Schule entlassene Töchter mitgetheilt, welche Ostern 1857 die Frau unseres Mitarbeiters, des Professor Roßmäßler, in Leipzig eröffnen wird. Dadurch wollten wir zugleich die Aufmerksamkeit unserer Leser und Leserinnen auf diese Anstalt um so geflissentlicher lenken, als die in dem Mitgetheilten ausgesprochenen Grundsätze uns einer gesunden weiblichen Erziehung und Bildung durchaus zu entsprechen scheinen und in dieser umsichtigen Auffassung uns wenigstens zur Zeit noch keine ähnliche Anstalt bekannt ist. Wir sind gern erbötig, etwaigen Anfragen nähere Auskunft zu vermitteln.

Die Red.

Nicht zu übersehen!

Alle Einsendungen von Manuscripten, Büchern etc. etc. für die Redaktion der Gartenlaube sind stets an die unterzeichnete Verlagshandlung zu adressiren.

Leipzig.

Ernst Keil.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 476. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_476.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)