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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

roh. Sie haben Grade in ihrer Wuth gegen andere Menschen und hassen andere farbige, eingeborene Racen grimmiger, als die Weißen, mit denen sie zuweilen verkehren und Tauschhandel treiben. Wenn sie einzelne Hottentoten oder Fingo-Kaffern erwischen können, werden diese unter ausgesuchten Qualen zu Tode gemartert. So erzählt Mr. Shaw in seinen „Erinnerungen an Südafrika“ von einem Hottentoten, den die Namagua’s fingen, bis an den Hals in einen Sumpf eingruben und ihn noch mit Erde und Steinen umgaben, daß er sich nicht wieder herausarbeiten konnte. Nachdem sie sich eine Zeit lang über die entsetzliche Lage ihres Opsers gefreut hatten, ließen sie ihn zurück, um den Raubvögeln, die den lebendigen Kopf umkreisten, Platz zu machen. Er brachte über vierundzwanzig Stunden in dieser Lage zu, bis ihn Stammesgenossen entdeckten und befreiten. Er erzählte dann, wie es ihm gelungen sei, die gierigen Raubvögel, die den ganzen Tag auf ihn losstürmten, abzuhalten, durch fortwährende Bewegungen mit den Augen und dem Munde und herzhaftes Zischen und Schreien.

Der natürliche, unkultivirte Mensch ist und bleibt Produkt des Bodens, auf welchem er entsprang und in welchen er zurückkehrt, Produkt des Klima’s, der Bodenformation und der Landschaftlichkeit. Selbst der gebildete Mensch bedarf einer bedeutenden moralischen Kraft, um dieser Abhängigkeit Herr zu werden. „Niemand wandelt ungestraft unter Palmen,“ sagt Goethe. Die Natur, welche den Kaffer und Buschmann umgibt, ist eben so menschenfeindlich und giftig, wie er, felsig, sonnenglühend, wimmelnd von giftigen Käfern und Insekten, Schlangen und Reptilien, Löwen und reißendem, blutgierigem, mitleidlosem Wild anderer Art. Es gibt kleine, unscheinbare Käfer, deren Biß starke Menschen nach einigen Stunden tödtet, und Schlangen, wie sie kein anderer Erdtheil so tödtlich und giftig aufweisen kann. Die fürchterlichste dieser Reptilien ist die Peitschenschlange, zwei bis drei Fuß lang und in ihrer braunen Farbe und Gestalt an den Bäumen hängend wie eine Hetzpeitsche. Sie kriecht zwischen den Baumzweigen und deren Schlingpflanzen umher, wickelt oben ihren Hintertheil um einen Zweig und läßt den übrigen Körper zwischen Zweigen und Blättern herunterhängen, bis sie eine Beute erwischen kann. Sie stürzt sich auf sie und verursacht durch ihren Biß augenblicklich Bewußtlosigkeit und Erstarrung. In diesem Zustande saugt sie ihrem Opfer blos das Blut aus und läßt es für andere giftige Thiere liegen. Von Boden- und Grasschlangen gibt es besonders drei Arten, eine dreifüßige braune mit schwarzen Flecken, eine seltene schwarze von etwa derselben Größe und eine grüne, die sich in ihrer Farbe genau mit dem Grase, in welchem sie sich herumwindet, vermischt, so daß man sie selbst dicht dabei nicht von demselben unterscheiden kann. Uebrigens gewöhnt sich der Mensch auch an solche Natur, und der Gebildete lernt sie beherrschen. Ein englischer Offizier ging einmal mit einem Freunde in’s Kafferland hinein auf die Jagd und frühstückte auf einem Grashügel. Als er die Hand auf den Boden drückte, um sich zu erheben, griff er den Hals einer großen Schlange, die sich blitzschnell um seinen Arm wickelte und ihren Hals aus dessen Hand zu ziehen suchte. Statt aber loszulassen, wie neunundneunzig unter hundert Anderen gethan haben würden, griff er nur fester zu und hielt fest, während er mit der andern Hand ein großes Einlegemesser aus der Tasche zog, es mit Hülfe der Zähne öffnete und dann mit einem Schnitt den Kopf der Schlange abhieb. Wäre er nicht an Schlangen gewöhnt gewesen, würde er losgelassen und geschrieen haben und verloren gewesen sein.

Mit den Schlangen um die Wette treiben Addern und Vipern ihr Vergiftungshandwerk. Am tödtlichsten ist der Biß der sogenannten Puff-Adder, mit zwei Zoll langem und eben so breitem Kopfe, fünf Zoll im Umfange, drei Fuß lang, rund und dick bis an das Ende des Schwanzes, strohgelb unten, oben mit Braun gemischt, mit funfzehn Bogen von dunklerer Farbe, dreieckig mit dem offenen Rachen, in welchem zwölf Fangzähne dick und fest starren. Die beiden vordersten, 3/4 Zoll lang, sind hohl und krumm und mit Giftsäckchen gefüllt, die sich beim Bisse spritzend leeren und das Opfer oft augenblicklich tödten. Dieses tödtlichste Reptil Afrika’s hat noch die tückische Gewohnheit und Geschicklichkeit, rückwärts auf seine Beute zu springen. Wer das nicht weiß, wird von dem scheinbar rasch davonspringenden Scheusale furchtbar überrascht. Ein Mann, von einer solchen Adder in’s Knie gebissen, starb noch an demselben Tage, obgleich das Bein bald nach dem Bisse amputirt worden war.

Das sind fürchterliche Feinde, welche der deutschen Fremdenlegionäre harren, aber nicht die schlimmsten. Entsetzlicher ist’s, von kleinen Käfern gebissen zu werden und daran rettungslos zu sterben, entsetzlicher noch, über Nacht von hungerwüthenden Kannibalen überfallen und seiner Habe, seines Lebens beraubt und mit Weib und Kind gefressen zu werden. In einem früheren Artikel über die holländische Transvaal-Republik haben wir mitgetheilt, aus welchem Grunde die Republikaner einen entsetzlichen Vertilgungskrieg gegen einen Kafferstamm unternahmen, weil sie noch einige gekochte Gebeine ihrer geraubten Weiber und Kinder in deren Töpfen gefunden.

Die Kapkolonie war den Engländern einst etwas werth, als der Welthandel dort noch einer Zwischenstation, eines Depots bedurfte. Seitdem man aber mit Dampf die Welt, so zu sagen, „in einem Futter“ umsegelt, hat sie alle Bedeutung, allen Werth verloren. Die Kapstadt ist verlassen, die regelmäßigen Verbindungen, der Austausch und die Umladung von Waaren haben aufgehört. Sie ist ein verlorner Posten, an welchen man keine neuen Kaffernkriege wagen will, obwohl man die dort wohnenden Engländer nicht ohne Weiteres Preis geben darf. So kaufte und preßte man sich Deutsche zusammen, die gerade am Vorabende eines der radicalsten und grimmigsten Einfälle der Kaffern ankamen.

Es sind allerdings dreitausend kräftige, disziplinirte, größtenteils gebildete Jünglinge und Männer, die durch gehörige Benutzung ihrer physischen und geistigen Mittel sich gegen ganze Legionen wilder Menschen und Bestien zu halten und zu gedeihen im Stande sind, wie sich ja auch die holländische Transvaal-Republik hält. Und so wollen wir nicht ohne Hoffnung von unsern Brüdern am Kap der guten Hoffnung scheiden, besonders nicht die Hoffnung, daß sie auch den Engländern ihre Haare auf den Zähnen zeigen werden, wie sie dies mit Erfolg schon mitten in England thaten.




Naturwissenschaftlicher Seehandel,
oder:
Der Ocean auf dem Tische noch einmal.

Der Ocean auf dem Tische,“ welchen wir einst schilderten[1] und der in Deutschland allenthalben und sogar in Asien u. s. w. so viele Liebhaber fand, ist jetzt in England nicht nur eine allgemeine Staatszimmer-Decoration, sondern auch ein in vielen, stets sich mehrenden Läden feil gebotener Industrie- und Handelsartikel geworden. Damals wußten wir auf viele Anfragen und Bestellungen keine sichere Antwort zu geben, da wir nicht das Risiko übernehmen konnten, aus unbestimmten, fernen, theueren Quellen Deutschland unter Meerwasser zu setzen, und den Transport wunderbarer, zarter, vegetabilischer, besonders vegetabilisch-animalischer Gebilde auf unser Gewissen zu nehmen. Jetzt ist das etwas Anderes. Man verschickt alle Tage lebensvolle kleine Oceane mit der Eisenbahn, und kann auch Deutschland damit versorgen. Wer sich einen mit Pflanzen, Thierpflanzen und Thieren belebten Ocean anschaffen will, den verweisen wir auf die Bedingungen und Vorsichtsmaßregeln, in einer der früheren Nummern der Gartenlaube zusammengestellt[2] und auf diesen Artikel.

Das Hauptoceangeschäft Londons ist das von Mr. W. Alford-Lloyd, 19 und 20 Portland Road, Regents Park, wo alle möglichen Aquarien, lebendige Seethiere, Seegewächse und sonstige Materialien zum lebendigen Studium der Meeresnaturgeschichte vorräthig und feil geboten werden, im Durchschnitt 15,000

  1. Vgl. Gartenl. 1855. Nr. 4. 28. 38.
  2. Vgl. Gartenl. 1855. Nr. 28.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_041.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)