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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

der auf stolzen Rossen und Carrossen, umjubelt von Hunderttausenden hierhergekommen, er schifft einsam, von zwei armen Bauern geführt, auf kleinem, schwankendem Nachen an’s jenseitige Ufer, woher er gekommen.

Die schwimmenden Todten in den Wellen grinsen an den Kahn hinauf.

Das ist die große, gewaltige Lehre – das bedeutet der steinerne, ruhende Löwe vor Aspern!

3000 Franzosenkürasse und 17,000 Gewehre wurden aufgelesen – 7000 Feinde wurden begraben, 5000 blieben verwundet zurück auf dem Felde, in Wien hatten sie noch 20,000 – vier Generale waren todt (darunter Lannes), acht verwundet, zwei gefangen. – Auch 4000 Oesterreicher waren todt, 16,000 verwundet.

Das bedeutet der steinerne, ruhende Löwe bei Aspern vor der Kirche.

Sie haben ihn heuer mit geringer, aber empfundener Feier hier aufgerichtet (er ist aus Sandstein vom Bildhauer Fernkorn), aber nächsten Mai wird es fünfzig Jahre – ein grünes, grünes Pfingsten!

Ist es nun der Mühe werth, daß ich – in dieser Zeit – den langen, langweiligen Weg herausgepilgert, gewallfahrtet bin nach der heiligen Stätte?

Ich bin nicht hier, um die strategischen und diplomatischen Folgen zu untersuchen – am 13. Juli war Karl nicht mehr beim Heere – die ihm das Leben und die Siege vergällt, stehen nun vor dem deutschen Gotte oben mit ihm und werden gerichtet.

Und nun lassen wir die Wolken in blitzdummer Unordnung ziehen und die Sonne neblig scheiden, wir brauchen sie nicht mehr zu unserem Feldzugsplane; ich erhebe mich und besehe nun genauer den Löwen.

Warum haben sie ihn nicht aufgerichtet mit gewaltigen, zerfleischenden Pranken und einer Mähne, die man zitternd vom gewaltigen Brüllen glauben möchte? – Gebt unserer Phantasie eine Stütze, daß wir glauben, sein Geheul dringe bis über den Rhein und die, welche ihn hören, zittern mitten in ihrem Mahle!

Doch sachte, als Deutsche sind wir bescheidene Leute und als Oesterreicher „gemüthliche“ – wir fühlen die Wunden und hören das Blut aus den offenen Herzen tropfen. Der Löwe liegt gerade vor der Kirche auf dem Grunde, den die Tausende Leichen deckten und der sie jetzt überschattet, ohne Hader friedlich, den Knochenarm in den Knochenarm geschlungen, die Geschiedenen miteinander ruhen laßt. Unser Löwe hat die Augen eingedrückt und den Mund, erschöpft – schlafend oder sterbend? – halb offen. Er stützt sein Haupt auf einen Helm, der das N trägt, seine breite Brust ruht auf einer französischen Standarte und mehrere gebrochene Adler Galliens liegen ihm unter den gewaltigen Pranken. Aus seiner Vorder-Weiche dringt eine Speeresspitze, die ihn in der Schlacht verwundet.

Kommt, ihr Städter – ihr Wiener; – was „Mödling“ und „Brühl“ und „hohe Warte“ und „Baden“ und „Heiligenstadt“ mit ihren „romantischen“ Gegenden – kommt hierher in brennender Sonnenhitze und glühendem Staube und gesundet! Dieser Athemzug ist erquickender, als Euere Luft- und Pump-Brunnen – da fließt die Heilquelle für allerlei Beklemmung, Aussatz, Schwäche, Herzleiden und Mattigkeit allerlei Art. Das ist ein Heilort und kein Franzose darf da eine Spielhölle haben!

Aug. Slbstn.




Schutz den Vögeln!
Eine Bitte an alle vernünftigen Menschen. Von Dr. A. E. Brehm.

Die Dummheit und Bosheit der Menschen zeigt sich recht deutlich in der sinnlosen Verfolgung und Vernichtung vieler Thiere, welche unbestritten in hohem Grade nützlich sind. Um auch jene so überaus praktischen Menschen unserer Zeit gleich von vornherein aufmerksam zu machen, bemerke ich, daß es sich hier um einen Nutzen handelt, welcher mit Worten und Zahlen ausgedrückt werden kann und mit Hunderten und Tausenden von Thalern nicht aufgewogen werden dürfte. Namentlich die Vögel sind solche nützliche Thiere, und namentlich sie werden noch immer, selbst von gebildeten und gutmüthigen Menschen, rücksichtslos verfolgt. Noch heut’ zu Tage nageln Dummheit und Bosheit die ohne Zweck, ohne Noth erlegten Bussarde und Eulen, deren Nützlichkeit sie durchaus nicht anerkennen wollen, prahlend an’s Hofthor, als wollten sie sich allen Vernünftigen offen zeigen; noch heute ziehen Dummheit und Bosheit im Spätherbst in den Wald hinaus, um auf der Meisenhütte einer der allernützlichsten Familien unter den Vögeln nachzustellen, obgleich deren Glieder so klein sind, daß jedes einzelne Vögelchen kaum einen Bissen gibt; noch heute geben Dummheit und Bosheit kleinen, nichtsnutzigen Buben das Vogelflintchen in die Hand, um aus dem Kinde frühzeitig – nicht Jäger, sondern mordlustige Todtschläger lieblicher Wesen zu bilden; noch heute sehen Dummheit und Bosheit ruhig zu, wenn Dümmlein und Böslein in den Wald gehen und Vogelnester ausnehmen oder, wie man in meiner Heimath treffend sagt, „ausschinden!“

Mir ist es unbegreiflich, wie man es über’s Herz bringen kann, unsere nützlichen Vögel in der angedeuteten Weise rücksichtslos zu verfolgen. Ich weiß nicht, wie es möglich ist, daß ein fühlender Mensch, anstatt die Vögel an sich zu fesseln, sie von sich treiben kann, sie, denen er so viele schöne, schöne Stunden verdankt, die ihm in jeder Weise angenehm sein müssen. Hat denn derjenige, welcher gleichgültig tausend Leben zerstört, welcher ein fröhliches Herz schon im Keime vernichtet, niemals daran gedacht, was der Vogel ist?! Ist es ihm denn niemals klar und verständlich geworden, daß der Vogel ein poetisches Bild, ein herrliches Gedicht der großen Dichterin Natur ist?!

Heute noch kommen viele zu uns gezogen, siedeln in dem Garten, auf dem First des Hauses, in der Hausflur an, und bitten den Menschen mit Nicken und Neigen des Hauptes, Klappern und Pfeifen und Singen, ihnen doch ein gütiger Gastfreund sein zu wollen. Welch ein freundlich Bild, und wie wenig wird es beachtet!

Der Winter hat sein weißes Schlummertuch über die Erde gebreitet; auf Bergen und in Thälern, auf First und Dach liegt die schneeige Decke. Draußen im Walde ist’s still geworden; blos an den sonnigen Gehängen streifen unter Führung des Buntspechts die lustigen Schaaren der Meisen und Goldhähnchen umher. Tiefer im Walde führt das Zigeunervolk der Kreuzschnäbel sein bewegliches Leben; einzelne von ihnen haben sich wohl schon gepaart und beginnen, im Sturm und Winterfroste am warmen Neste zu bauen. Sonst ist der Wald merkwürdig still: er ist arm geworden und vor dieser Armuth sind seine Bewohner geflohen. Sie kommen nun in großen Haufen zu dem Menschen heran und begehren das Gastrecht; sprich, Menschenkind, vermagst Du es, ihnen dasselbe zu verweigern? Gewiß nicht! Wer könnte dem armen Goldammer, dem Feldsperling, der Meise, dem Finken, Gimpel, Stieglitz, der Amsel, dem lieben „König im Schnee“, dem bunten Zimmermann Specht, den vom fernen Norden hergewanderten Schaaren der Zeisige und Leinfinken, selbst den Nebel-, Raben- und Saatkrähen ihre jetzt gar mühselig zu erwerbende Nahrung kürzen wollen? Wer könnte ihnen, den Schutzsuchenden, geringen Gewinnes halber tückisch Fallen stellen, in welche sie eben die Noth treibt?! Nur ein Mensch, welcher nicht weiß, was die Vögel ihm sind, nicht weiß, was sie ihm sagen, wenn sie, von seinem Ueberflusse gesättigt, singend zu ihm sprechen, zu seiner Freude und Lust; nur ein Mensch, welcher kein Wort von ihrem Gesange versteht. Und man sollte sich doch bemühen, dies zu können. Man frage nur unsern lieben Dichter Mosen, was der Ammer, nachdem er sich vor dem Thore der Scheuer gesättigt, von der höchsten Spitze des Hofbaumes herab seinem Gastfreunde zusingt:

„Horch, ein Vöglein singet:
Wie, wie, hab’ ich Dich lieb!
Singet wieder, das klinget:
Wie, wie hab’ ich Dich lieb!“

Und alle die Andern, welche unser Gehöft umfliegen, sagen Dasselbe, wenn auch vielleicht nicht ganz so verständlich, als er; sie alle werben um unsere Freundschaft. Kaum sind alle Wintergäste vollständig bei uns eingezogen, da erscheinen bereits die Boten des Frühlings wieder im Hofe, im Garten, und wenn sie uns nichts Anderes zu bieten hätten: Grüße vom Frühling und Mai bringen sie alle, Worte des Lebens, Hoffnung zur Freude wissen sie allesammt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 615. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_615.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)