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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

die Panther herbeizulocken. Mit der feinsten Witterung begabt, kündigten sie gewöhnlich die Annäherung des Raubthieres schon lange vorher, ehe dasselbe erschien, durch Unruhe und Zittern an. Eines Nachts machte die vor Furcht zitternde Ziege mehrere vergebliche Anstrengungen, den Strick zu zerreißen, mit welchem sie befestigt war. In der Meinung, es wären nur Schakals, welche in der Nähe herumstrichen, wiederholte Bombonnel sein gewöhnliches Manöver mit der jungen Ziege; er hob dieselbe in die Höhe, um sie zum Schreien zu bringen, damit die Mutter dann ebenfalls laut werden sollte. Doch auf die Klagen des Jungen antwortete die Alte nur mit einem einzigen Tone, einem kurzen, durchdringenden, halblauten Warnungsrufe, und wunderbarer Weise verstand das Junge diesen Warnungsruf der Mutter vollkommen; es wurde plötzlich mäuschenstill. Alle Anstrengungen Bombonnel’s, das kleine Thier noch ferner zum Schreien zu bewegen, blieben fruchtlos, es gab keinen Laut mehr von sich; es gehorchte dem Befehle der Mutter, denn ein solcher war der kurze, halblaute Warnungsruf gewesen. Selbst Schläge, welche der ungeduldige Jäger anwendete, um das Kleine zum Schreien zu bewegen, erwiesen sich als fruchtlos. In dieser Verlegenheit weiß Bombonnel kein anderes Mittel, als den Schrei des Jungen selbst nachzuahmen. Da blickt ihn die Alte starr an und, indem sie mit dem Vorderlauf ungeduldig auf den Boden stampft, läßt sie noch einmal jenen kurzen, eigenthümlichen Warnungslaut erschallen, welchen der Jäger bereits vernommen hatte und welcher jetzt deutlich zu sagen schien: „Schweige doch, der Mörder ist in der Nähe;“ und wirklich gewahrte Bombonnel in diesem Augenblicke die leuchtenden Augen des Panthers, die gleich zwei glühenden Kohlen sich im Schatten des Gebüsches bewegten. Im nächsten Augenblicke stürzte sich der Panther auf die Ziege und riß sie zu Boden. Eine Kugel in den Kopf streckte ihn auf seine Beute nieder.

Die Jagden Bombonnel’s hatten bisher glücklichen Erfolg gehabt. Seine nächstfolgende Pantherjagd hätte ihm jedoch beinahe das Leben gekostet.

„Mein Araber,“ erzählt er, „hatte mir die Nachricht gebracht, daß ein Panther ein Kameel getödtet habe. Ich reiste sogleich ab und stellte mich auf einem guten Stande des Nachts an. Sechs Nächte harrte ich vergeblich und in der siebenten erschienen drei Panther, ein Weibchen, gefolgt von zwei Liebhabern. Ich ließ meine kleine Ziege schreien, doch die Bestien nahmen keine Notiz davon, sie zogen vorüber. Bald darauf hörte ich, wie die beiden Männchen miteinander kämpften. Während des übrigen Theiles der Nacht sah ich nichts mehr von ihnen.

Den folgenden Morgen brachte ein Araber die Nachricht, daß ein Panther abermals eine Ziege geraubt habe. Ich folgte sogleich. Einige andere Araber des Duars warteten bereits mit einer Ziege auf mich. Auf dem Platze angekommen, wo ich meinen Stand nehmen wollte, überließ ich es gegen meine Gewohnheit den Arabern, die Ziege anzubinden, ohne mich zu überzeugen, ob sie auch gehörig befestigt sei. Außerdem war ich so nachlässig, mein Jagdmesser, anstatt es neben mir in die Erde zu stoßen, wie ich dies bisher gethan hatte, in meinem Gürtel stecken zu lassen; auch hatte ich mir nicht die Zeit genommen, die Zweige der Sträucher, in denen ich meinen Sitz hatte, da abzubrechen, wo sie meinen Bewegungen hinderlich sein konnten. Als die Araber mich verlassen hatten und ich mich eben mit Abbrechen einiger Zweige beschäftigte, sprang plötzlich der Panther auf die Ziege. Der Mond war noch nicht aufgegangen, ich befand mich in vollkommener Dunkelheit und konnte daher das Raubthier nur sehr undeutlich sehen. Da ich mir fest vorgenommen hatte, niemals eher zu schießen, als bis ich den Kopf des Raubthieres deutlich unterscheiden könne, so beschloß ich, den Mond abzuwarten, welcher bald aufgehen mußte. Ich hoffte, der mit seiner Beute beschäftigte Panther würde mir so viel Zeit lassen. Da gewahrte ich, daß er ganz andere Gedanken hatte; er nahm nämlich die Ziege auf und wollte sich mit ihr entfernen; und zwar schien er das Thier mit einer solchen Leichtigkeit im Rachen zu halten, als wenn eine Katze eine Maus trägt. Bei diesem Anblick vergaß ich alle meine guten Vorsätze, ich gedachte der vielen Nächte, die ich bereits nutzlos auf dem Anstande verbracht hatte, und schlug auf die dunkle Masse an, die sich mehr und mehr entfernte. Ich gab endlich Feuer und der Panther brach zusammen. Unwillkürlich erhob ich mich, in der Absicht, ihm, wenn es nöthig sein sollte, noch eine Kugel zu geben. Doch kaum gewahrte er mich, so wendete er sich wie ein Pfeil mir zu und warf mich nieder. Dieser Angriff geschah so plötzlich und unvermuthet, daß ich den zweiten Lauf gar nicht abschießen konnte.

In dieser fürchterlichen Lage, der wüthende Panther auf mir, suche ich voll Verzweiflung und Wuth mit der rechten Hand mein Jagdmesser, während ich zugleich den linken Arm wie einen Schild vorhielt, um meinen Hals vor den Bissen und Krallen der wüthenden Bestie zu schützen. Vergebens suche ich mein Messer zu ergreifen, die Falten meines Paletots verhindern mich, es zu fassen. Während der Zeit hatte ich den Hals des Raubthieres mit der linken Hand gepackt, in welche es sogleich seine Zähne einschlug. Nochmals bemühte ich mich, das Messer zu ergreifen, doch wieder vergebens. Nicht mehr fähig, die Bestie mit der linken Hand zurückzuhalten, packt sie mich jetzt am Halse, welcher glücklicherweise durch den Kragen meines Paletots geschützt war. Zweimal beißt sie voll Wuth mir in’s Gesicht, meine Knochen krachen, meine Zähne fliegen umher. In dieser schrecklichen Noth strenge ich nochmals alle meine Kräfte an und packe das Raubthier am Halse; es glückt mir, mein Gesicht zu befreien, aber mein Arm wird abermals zerfleischt. Mit fürchterlicher Wuth schnappt der Panther jetzt nach meinem Kopfe; er glaubt ihn mit seinem Gebiß zu zermalmen; glücklicherweise aber ist es nur meine Mütze, welche er hält, und mit welcher er sich, wie mit einer Beute, entfernt, dieselbe wüthend zerreißend. In demselben Augenblicke richte ich mich auf, ergreife endlich mein Messer und folge ihm, um den Kampf fortzusetzen und Rache zu nehmen für meine Wunden, für fünf meiner Zähne, welche auf dem Kampfplatze umherliegen; – da erscheinen die Araber, welche den Schuß gehört hatten. Sie finden mich, mit Wunden und Blut bedeckt, und führen mich nach dem Duar.“

Den folgenden Morgen gingen die Araber dem Panther nach, dessen Spur sie aber bald im dichten Gebüsch der Schlucht verloren. Einige Tage später aber fand man ihn verendet und bereits durch Hyänen und Schakals halb verzehrt. Es war dies der achte durch Bombonnel erlegte Panther. Bei dem Kampfe hatte Ersterer vier Wunden in den Kopf, zehn in’s Gesicht, acht in den Arm, fünf in die linke Hand erhalten und fünf Zähne verloren.

Nachdem er von diesen größtentheils schweren Wunden geheilt war, meinten die Araber, er würde künftig auf der Pantherjagd einen Sitz auf einem Baume oder dergleichen vorziehen. Doch sie täuschten sich hierin, denn Bombonnel erklärte ihnen, er würde eher der Jagd entsagen, als von einem sichern Versteck aus dem Feinde auflauern.




Blätter und Blüthen.

Der Laubfall. Warum fällt das Laub? Warum fällt es erst im Herbst? Diese Fragen sollen uns beschäftigen.

Um sie uns klar zu machen, müssen wir den Baum, denn von dessen Laubfall handelt es sich, mit seinen Blättern und Blüthen und Früchten richtig verstehen. Verhalten sich die genannten Theile zu ihrem Stamme und Zweigen etwa ähnlich wie die Gliedmaßen zu dem Leibesstamme eines Säugethieres? Nimmermehr. Es ist überhaupt sehr bedenklich, das Verständniß der Pflanze von einer Vergleichung mit dem Thiere zu entlehnen. Beide haben wohl in dem Wesen der innern Lebensvorgänge Vieles mit einander gemein, aber, um so zu sagen, im ganzen Plane beider liegt ein großer Unterschied. Wir sind geneigt, die Blätter und Blüthen für das Wesentliche des Baumes zu halten, und dennoch sterben dieselben alle Jahre ab, um sich auf dem Jahrhunderte dauernden und jährlich zunehmenden Stamme durch neue zu ersetzen. Eine ähnliche Erscheinung bilden zwar auch die Federn, Haare, Schuppen, Häute vieler Thiere. Aber es kann uns dennoch nicht einfallen, diese unwesentlichen Hautgebilde mit den Blättern und Blüthen zu vergleichen, wenn auch Virgilius die Blätter das Haar des Waldes nennt.

Vielleicht hilft uns die Fortpflanzungsweise eines Baumes zu einem richtigen, wenigstens für unsern Zweck brauchbaren Verständniß der Blätter und Blüthen. Schon oft hat man den Baum mit einem Staate verglichen. Der Stamm, der im nahrungsreichen Boden wurzelt, gleicht gewissermaßen dem vaterländischen Boden, auf welchem nicht in durchgreifenden Abschnitten, sondern in ewiger Verjüngung ein Geschlecht dem andern folgt, und die zunehmende Volkszahl theils durch bessere Bodenbenutzung, theils durch Erweiterung der Landesgrenzen sich Raum schafft. Etwas Aehnliches finden wir am Baume. Die Blätter, die Einwohner des Baumes, bereiten den Stoff, der den Umfang des Stammes vergrößert und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 667. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_667.jpg&oldid=- (Version vom 10.11.2020)