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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Blätter und Blüthen.

Deutsche Dienstmädchen in Amerika. (Aus einem Privatbriefe an den Herausgeber der Gartenlaube.) Hier ist der Mangel an deutschen Dienstmädchen sehr groß, und es ist gräßlich, was ein Hausvater zu leiden hat, dessen Frau nur deutsche Mädchen gebrauchen kann. 10 bis 15 Dollars per Monat erhalten diese hübschen Landsmänninnen ohne die geringste Schwierigkeit, und es ist überhaupt ein Glücksfall, wenn man eine in drei Monaten erhält, noch mehr Glück aber, wenn man sie drei Monate hält, denn sie verheirathen sich alle, alt oder jung, hübsch oder häßlich, wenn sie kaum warm geworden sind. Irische Mädchen kann man zu Hunderten zu 5 bis 7 Dollars haben, aber weder die deutschen noch amerikanischen Familien wollen sie. Das Schlimmste bei unsern Landsmänninnen ist nur, daß sie nicht arbeiten wollen: Stiefelputzen, Scheuern, Waschen und Bügeln – das thun diese feinen Damen selten oder gar nicht; sie wollen die Stuben in Ordnung halten und sich, wie sie sagen, „im Allgemeinen nützlich machen“, nur keine schwere oder schmutzige Arbeit, sonntags flaniren sie um 1 oder 2 Uhr, wie die Gräfinnen geputzt, aus oder werden von ihren Liebhabern abgeholt, gehen auf die erste Gallerie in’s Theater oder in’s Concert, und kehren je nach Bequemlichkeit um 12 oder 2 Uhr nach Hause. Außerdem haben sie einen halben Tag in der Woche und bedingen gleich aus, daß sie Besuche annehmen dürfen. Bevor man sie engagirt, muß man sie im ganzen Hause herumführen, ob auch Alles nobel ist, ob überall, in den Stuben und Kammern, im Vorsaale und auf der Treppe, ja selbst in der Küche Teppiche und Wachstuch liegt; muß ihnen ihr Zimmer und ihr Bett zeigen, und wenn es ihnen nicht gefällt, so sagen sie ganz gemüthlich: „Ich denke, es wird mir doch wohl nicht gefallen.“ Sind sie zufrieden gestellt, so sagen sie: „Well, ich will es mal einen Monat versuchen!!“ Die Ursache dieses Uebels liegt in der Art der Amerikaner, Haus zu halten. Erstlich nehmen sie blos deutsche Mädchen, und zweitens halten sie so viele Dienstboten, daß es wirklich lächerlich ist. Familien mit zwei Kindern haben oftmals ein Dutzend dienstbarer Geister, welche tausende von Dollars jährlich kosten und das ganze Jahr in Nichtsthun, im Putzen, Schmarotzen und Extravaganzen zubringen, dafür aber glänzend bezahlt werden. Deutsche Köchinnen erhalten nicht selten 30 bis 40 Dollars per Monat!

Wenn Du uns zwanzig Schiffe, mit 5000 Dienstmädchen jedes, her überschicken könntest, würden sie in 24 Stunden alle „vergriffen“ sein, und in sechs Monaten würde durch ihre Verheirathung der Bedarf ebenso groß sein, als vorher. In ähnlichem Verhältnisse stehen hier die männlichen Arbeiter zu ihren Brodherren und dem Publicum; Alle sind Gentlemen und wollen als solche behandelt werden; Maurer und Tischler, Anstreicher und Handlanger sind mit zwei Dollars nicht zufrieden; sie müssen wie Rentiers leben, und ihre Frauen die Damen spielen; dann versammeln sie sich, wenn die Arbeiten drängen und keine Hand entbehrt werden kann, und sagen einfach: „Vom nächsten Montag an verlangen wir drei Dollars, statt zwei, oder wir striken (stellen ein).“ Was kann man thun? Das Haus ist fertig bis auf das Dach, jeden Tag kann ein Platzregen kommen und das Gebäude ruiniren, so denkt man: „Well, ein Tausend mehr oder weniger –“ und bewilligt die Forderung.

Unsere politischen Verhältnisse sind auf dem besten Wege, endlich geschlichtet zu werden; zwar bekümmert sich die große Mehrzahl gar nicht um Politik, dafür sind aber die professionellen Politiker um so lauter und machen ein Geschrei, daß dem Furchtsamen die Haare zu Berge stehen möchten. Die Ansprüche der sclavenhaltenden Staaten haben eine tüchtige Maulschelle bekommen, und es wird nicht lange dauern, so werden sie ganz zu Kreuze kriechen. Am 4. November ist Neuwahl des Präsidenten; bis dahin wird viel geschwatzt und gestritten – weil die Aemterjäger für ihren Beutel fürchten: am 5. November aber ist Alles wieder so ruhig als zuvor, und kein Mensch spricht von Politik. Diese politische Aufregung wiederholt sich alle 4 Jahre; auswärtige Zeitungen, welche den wahren Grund nicht kennen (es handelt sich blos um die Besetzung von Stellen und deshalb um eine Summe von tausend Millionen Dollars), prophezeien Blutvergießen und Bürgerkrieg, während wir in der allervollkommensten Ruhe unsern Scat spielen und unser Lagerbier trinken.




Der Thüringerwald. Fast gibt es für mich keinen schönern und erfreulichern Beweis des geistigen Fortschritts (und der materielle ist ja da mit auf das Engste verbunden), als der alljährlich sich vermehrende Besuch der schönen deutschen Gebirge, und besonders des so ungemein reizenden und lieblichen Thüringerwaldes, des grünen Herzblattes Deutschlands. Welch eine gewaltige Umwandlung in der Zeit des letztvergangenen Halbjahrhunderts, die ich mit dem leiblichen Auge gesehen habe! In meiner Kindheit besuchten nur die nächsten Gebirgsbewohner, und zwar in spärlicher Anzahl, und einige muthige Gothaer an schönen Sommersonntagen den Inselsberg, dessen dürftige Gastwirthschaft freilich nicht lockend war. Meine Mutter galt für kühn, daß sie, meinem Drängen nachgebend, mit mir den Berg bestieg. In den Wochentagen fand sich selten einmal ein einsamer Wanderer dort ein, und andere Berge des Gebirgs zum Vergnügen zu begehen, wäre etwas Unerhörtes gewesen. Die köstlichsten Thäler, die imposantesten Wald- und Felsenpartien standen einsam und öde, allein dem für ihre Reize gleichgültigen Fuße des Jägers, Holzhauers und Köhlers zugänglich. Heut zu Tage kann man in den Thälern und auf den Bergen des nordwestlichen Thüringerwaldes in einer Stunde Hunderten von städtisch gekleideten Wanderern beiderlei Geschlechts begegnen, meist Deutschen aus allen Gegenden des Gesammtvaterlandes, und vorzüglich Berlinern. Die Poesie der Gebirgsnatur ist durch die heitere Erscheinung dieser Besucher ungemein erhöht und wirkt hinwiederum erhebend, belebend, vergeistigend auf diese zurück. Ein neuer Geist ist in diesem Geschlechte erwacht, der physische und moralische Drang nach den freien Höhen, nach der „Freiheit des Bergs“, „wo der Odem Gottes haucht“, nach Bewegung und Streben nach oben, nach Licht, Luft, Fernsicht und Schönheit des Gebirgs. Wie die Mauern und Thore der Städte gefallen sind, so hat sich die Scheu unserer Eltern vor den Gebirgen in uns in Lust und Liebe zu ihnen verwandelt, und die Worte des Dichters finden auf die jetzt lebende deutsche Welt die schönste Anwendung:

„Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle an’s Licht gebracht!“

In meiner Jugend gab es denn auch nur ein eben erschienenes Buch über den Thüringerwald, das starke wissenschaftliche Werk von v. Hoff und Jacobs; heute gibt’s eine ganze Literatur des Gebirges. Einheimische und Fremde haben sich beeifert, den Thüringerwald zu beschreiben, und fast jedes Jahr bringt ein neues schönes Buch, das uns die Reize des Gebirgs verführt. Nur allein zwei Berliner Schriftsteller haben in den letztvergangenen Jahren Beschreibungen des Thüringerwaldes drucken lassen. Und in der That verschönert sich die Physiognomie des Gebirgs so außerordentlich schnell, daß die neuen jährlichen Beschreibungen keineswegs als überflüssig erscheinen. Mein vor zwanzig Jahren erschienenes „Wanderbuch durch den Thüringerwald“ ist heute größtentheils veraltet.

Ein neues in diese specielle Gebirgsliteratur einschlagendes, mit einer Menge Holzschnitten illustrirtes und schön ausgestattetes Werk ist: „Heinrich Schwerdt’s Album des Thüringerwaldes. Leipzig, Georg Wigand.“ Der Verfasser, geborner Thüringer und Pfarrer in seinem Geburtsorte Neukirchen bei Eisenach, ist mit warmer Liebe und großem Eifer all sein Werk gegangen, und man sieht und fühlt es der Schöpfung auf jeder Seite an, daß ihr Schöpfer etwas Gutes und Tüchtiges hat liefern wollen. Er bespricht die Schönheiten des heimischen Gebirgs mit entsprechendem Pathos, der auf den Leser daheim oder auf der Gebirgswanderung den gewünschten Eindruck nicht verfehlen kann. Das Buch besteht, wie Herzogs „Thüringerwald“, aus alphabetisch geordneten Artikeln, doch ist man einigermaßen verwundert, darin Halle, Merseburg, Naumburg, Corbetha und andere Ortschaften zu finden, welche doch vom Gebirge weit entfernt liegen. Der Verfasser gibt in der Einleitung eine etwas gezwungene Erklärung dieser Anomalie. So viel Mühe sich der Verfasser auch gegeben haben mag, seine statistischen Angaben richtig zu machen, so hat er doch gerade nicht selten in Partien gefehlt, die ihm nahe liegen. Uebrigens wird das Buch den Besuchern des Gebirgs bald genug ein lieber Begleiter werden, und die intelligenten derselben werden gewiß den humanen Verfasser und die Verlagsbuchhandlung zu Dank verpflichten, wenn sie die kleinen Irrthümer selbst verbessern und diese Verbesserungen dem Einen oder dem Andern zuschicken, sodaß eine hoffentlich bald zu veranstaltende zweite Auslage dem Ideale näher gerückt wird, welches dem Verfasser vorschwebte. Kenner der Holzschneidekunst wollen die Illustrationen gerade nicht rühmen.

L. Storch.


Das Debusskop. Die Lehre von dem Winkelspiegel hat in dem Kaleidoskop eine in der ganzen Welt bekannte Anwendung gefunden, und wohl die meisten der Leser werden sich all den mannichfaltigen Bildern ergötzt haben, welche dieses mit so großem Beifall aufgenommene Zauberglas zu schaffen vermag. Dennoch läßt sich nicht in Abrede stellen, daß das Kaleidoskop manches zu wünschen übrig läßt. Einmal fehlt es den Bildern, die nur durch eine enge Oeffnung gesehen werden können, an Reinheit und Schärfe, anderntheils geben sie durch die leiseste Erschütterung der Hand für immer dem Auge verloren. Diesen Mängeln hat das auf gleichem Princip ruhende Debusskop in der einfachsten und trefflichsten Weise abgeholfen. Statt des Glases sind nämlich polirte Silberplatten in Anwendung gebracht, welche die Bilder in einer Schönheit, Schärfe und Klarheit darstellen, die nichts zu wünschen übrig lassen. Sodann ist das Instrument so construirt, daß es auf die untergelegten Gegenstände der verschiedensten Art, Farbenklexe, Seidenfäden, Moosstückchen, Perlen, zerrissene Spitzen oder Bänder etc. aufgesetzt wird. Die in unendlicher Mannichfaltigkeit aus den einfachsten Stoffen erzeugten Figuren bleiben demnach ruhig und fest vor den Augen liegen und können in aller Bequemlichkeit abgezeichnet werden, bis es dem Beschauer beliebt, durch eine leise Umdrehung oder Verrückung des Instruments sich ein anderes Bild her vorzurufen. Aus diesen wenigen Andeutungen erklärt sich hinlänglich die schnelle Verbreitung, welche dieser von mehreren Professoren nach seinem Erfinder, dem Stellerrath Debus in Schönberg bei Darmstadt, benannte Apparat in der kurzen Zeit seines Erscheinens gefunden hat. Wer ein zu gleich den Schönheitssinn bildendes Unterhaltungsmittel sucht, oder wer durch seinen Beruf auf die Auffindung von Mustern mannichfacher Art angewiesen ist, der findet in dem Debusskop einen Rathgeber und Helfer, der ihn nie im Stiche läßt, sondern ihn bei jeder Zuratheziehung mit neuen und sichern Fingerzeigen überrascht und erfreut.

Unter diesen Umständen konnte es an Nachbildung des Instruments nicht fehlen; nur schade, daß dadurch auch schon ungenaue und unreine Exemplare in den Handel gekommen sind.


Nicht zu übersehen!

Briefe und Sendungen für die Redaction der Gartenlaube sind stets an die

Buchhandlung von Ernst Keil

zu richten.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 496. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_496.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)