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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)


mir zum Zeitvertreibe, und bisweilen thaten mir meine eigenen Tollheiten leid, wenn ich die Geduld sah, mit welcher er sie ertrug; erst als wir nach unserer Abreise von Saratoga einige Tage in New-York verweilten, sollte ich merken, wohin Alles zielte. Mutter hatte den Ausflug, welchen ich mit Frosts unternommen, nicht mitgemacht und war zwei Tage länger mit einer andern Familie in Saratoga geblieben; am Tage darauf nun, nachdem wir zusammengetroffen, fragt sie mich in Pa’s Gegenwart, ob Mr. Young sich in Saratoga gegen mich erklärt habe; so viel sie wisse, sei er doch zu keinem andern Zweck uns nachgereist – ich sehe meinen Vater an, als würde mir ein Räthsel aufgegeben; der aber lacht nur und sagt, er habe noch nie meinen Neigungen viel entgegensetzen können und werde es auch jetzt nicht thun; übrigens sei Young ein gewürfelter Geschäftsmann und ein solider junger Mann, gegen den sich kaum etwas sagen lasse. Als ich aber verwundert erwiderte, daß mir ein derartiger Gedanke noch nicht einmal in den Kopf gekommen sei, geht er lachend zur Thür hinaus und sagt, ich möge das mit der Mutter und dem jungen Gentleman ausmachen. Die Mutter aber erklärt mir, sehr ernst werdend, daß keine achtungswerthe junge Lady einem jungen Manne so viel Ermuthigung geben würde, wie ich es gethan, wenn sie die erregten Hoffnungen nicht auch zu erfüllen dächte. Mr. Young habe bereits ihrerseits die Zustimmung zu seinen Absichten erhalten, und sie hoffe, ich werde sie nicht zum Spielzeug meiner Launen machen wollen. Ich hatte also Ermuthigung gegeben und Hoffnungen erregt, während ich doch wußte, daß ich als Mann keinen Tag unter einer solchen Behandlung hätte ausdauern können!“ fuhr die Erzählende fort und sandte einen scharf beobachtenden Blick durch die offene Thür. „Ich hätte ihr gern ohne Weiteres in’s Gesicht gelacht, wenn mir nicht wie ein Blitz die Erkenntniß gekommen wäre, daß dieselbe Redensart jedenfalls bei meinem Vater gebraucht worden war, um ihn an eine Zustimmung meinerseits glauben zu machen, und daß jede Zurückweisung des Heirathsprojects nur wieder als eine meiner Launen hingestellt werden würde; daß ich sicherlich einem wohldurchdachten Plane gegenüber stand, welchem der Einfluß des methodistischen Predigers zu Grunde lag. Was dem Manne an dieser Heirath liegen konnte, wußte ich nicht, aber ich war meiner Sache vollständig sicher.

„Ich hätte bei alledem die Angelegenheit nur fest und bestimmt von mir zu weisen brauchen – ich besitze das Vermögen meiner verstorbenen Mutter und bin selbstständig, sobald ich es nur will; aber ich mochte meinem Vater nicht die Unruhe eines innern häuslichen Kampfes machen, wie er sicher hervorgerufen worden wäre. Ich weiß, daß seine größte Genugthuung in der Harmonie zwischen mir und seiner Frau liegt und daß ich gerade hierin am meisten seine Liebe zu mir vergelten kann; zudem aber beherrscht ihn Mrs. Burton’s Einfluß mehr, als es wohl sein dürfte – und so stand es in mir fest, erst im äußersten Falle zu äußersten Mitteln zu greifen. Ich wandte Mrs. Burton lachend den Rücken und sagte ihr, daß ich noch kein Wort von Mr. Young über seine Absichten gehört, daß sie selbst auch wohl unter einer Täuschung lebe, denn gewöhnlich spräche ein junger Mann zu dem Mädchen zuerst; und behandelte von da an die Sache als einen lustigen Scherz, selbst als Margaret’s Bruder, mit dem ich halb auferzogen worden, mir in dem Tone eines unglücklichen Liebhabers gratulirte. Ich mochte nicht einmal Margaret mein Herz öffnen, da ich noch nirgends den Weg, welchen ich zu gehen hatte, klar vor mir sah. Erst auf der Reise entwickelten sich einzelne Gedanken klarer in mir. Young’s ganzer Reichthum liegt, so viel ich gehört, in seinem kaum bedeutenden Geschäfte, und so war es jedenfalls nur die „gute Partie“, welche er in mir im Auge hatte – unverständlich aber in jeder Beziehung war mir die enge Freundschaft zwischen ihm und dem so viel ältern Methodistenprediger, sowie dessen sonderbarer Einfluß auf Mrs. Burton, der in dieser rücksichtslosen Wirkung, wie er sich jetzt auf mich zu erstrecken drohte, sich nicht durch die gewöhnliche Kirchenverbindung erklären ließ; und je mehr ich mir verschiedene, bisher unbeachtete Einzelheiten in meine Erinnerung zurückrief, je mehr wurde es mir, als müßten Beziehungen zwischen diesen Dreien existiren, wie sie nicht dem gewöhnlichen Leben entspringen. Zu Zeiten wollte ich mich wohl deshalb eine Närrin heißen, aber je klarer ich die Verhältnisse vor mich zu stellen bestrebte, je bestimmter kehrten dieselben Gedanken zurück. Wäre ich selbst Schlange genug, um im Verborgenen zu lauern und zu kriechen, so könnte es mir vielleicht gelingen, einen Anknüpfungspunkt für meine Vermuthungen zu entdecken –“ sie hielt inne, als sei sie schon im Eifer ihrer Rede zu weit gegangen. Reichardt, der fortdauernd mit anscheinendem Interesse in den Noten geblättert, sah jetzt halb auf und ward von dem bleichen Gesichte des Mädchens fast betroffen; sie aber horchte nach dem Geräusch der versammelten Menge hinüber und fuhr dann fort: „Ich habe eine Ahnung, daß ich heute durch Ueberrumpelung gefangen werden soll. Sie tragen durch Ihre Unterbrechung wahrscheinlich die einzige Schuld, daß Young nicht zu einer Erklärung gegen mich kommen konnte. Noch mehr als Ihr Dazwischentritt aber berührte mich Ihr sonderbarer Blick und das Wesen, mit welchem Sie dem Prediger gegenübertraten. Ich habe keine Bezeichnung dafür, mir war es aber, als gäben Sie damit allem dem klaren Ausdruck, was ich kaum zur Vorstellung in mir werden lassen möchte –“

Zwei Geigen und ein Tambourin, welche die Einleitungs-Takte zu einer Quadrille begannen, unterbrachen die Sprechende, und eine plötzliche rauschende Bewegung kam unter die Menge in den anstoßenden Zimmern.

„Jetzt werde ich vermißt werden!“ rief Harriet aufspringend, „ich werde aber sicher die Gelegenheit herbeiführen, Sie heute noch weiter zu sprechen – bleiben Sie jetzt noch eine kurze Zeit hier!“ Mit einer leichten Wendung hatte sie die Thür erreicht und verschwand in der Vorhalle.

(Fortsetzung folgt.)

Allgemeiner Briefkasten.

Nachs in Deggendorf. Als Verfertiger derartiger Maschinen können wir Ihnen den Mechaniker Schimmel in Leipzig (Mühlgasse) empfehlen.

L. H. B. in R. Ganz unbrauchbar. Haben Sie aber nicht einmal den Muth, Ihre – übrigens sehr unschuldige – Ueberzeugung zu vertreten?

W. Friedrich in Vincennes (State of Indiana). Das ist nicht die rechte Weise, amerikanische Zustände zu beleuchten. Ueberlassen wir derartige Schilderungen den Junker-Blättern Sachsens und Preußens.

L. R. in T. Die in Frankfurt nachgedruckte Skizze: „Der verschmähte Kuß“ von Louise Ernesti ist keine Novelle, sondern nur eine sehr reizend erzählte Anekdote aus dem Leben des alten Marschall Vorwärts.

O. R. in St. Louis. Wenn der Verleger der in New-York erscheinenden Wochenschrift „New-York Ledger“ bei erreichter Auflage von 100,000 Exemplaren fünf Kanonen auf den City-Hall Platz auffahren und durch 100 Schüsse der Welt das Ereignitz kundgeben ließ, so mag das als echt amerikanische Reklame dort ganz gut hinpassen; wir hier – obwohl wir bereits verschiedene Tausende mehr drucken – müßten doch, selbst wenn uns die Erlaubniß nicht verweigert würde, für dergleichen oder ähnliche Ostentationen sehr danken. Uebrigens freundlichen Gruß aus dem trotz alledem und alledem schönen Vaterlande.

S. K. in L. In der nächsten Nummer wird Ihr Wunsch erfüllt werden. Wir bringen eine Reihe Erinnerungen an Rietschel von B. Auerbach.

E. K. in R. Godin ist allerdings eine Dame.

O. B. in Rhbn. So schön auch Ihre Idee ist, so dürften sich der Ausführung doch unüberwindbare Schwierigkeiten entgegenstellen. Wir bitten über den gesandten 1 Thaler zu verfügen.

S. F. in D. Bleiben Sie Ihrer Ueberzeugung treu wie bisher, aber lassen Sie auch den alten Streit zwischen Demokraten und Constitutionellen (Gothaer) ruhen. Welche von beiden Parteien sich edler und anständiger benommen, wollen wir heute nicht untersuchen. Die gute Sache kann durch dergleichen Reibereien nicht gefordert werden, und unsere Feinde allein ziehen daraus einen Vortheil. Was die Angriffe der dortigen Zeitung anlangt, so sind sie einer Erwiderung unwerth. Guizot’s Ausspruch zu widerlegen, dürfte sehr leicht sein. Die Demokratie ist keine Gewaltthätigkeit, die mit Kartätschen unmöglich zu machen ist, sie ist eine Idee, der man, wenn man sie bekämpfen will, eine größere, schönere Idee entgegenstemmen muß. Es ist eine Lüge, wenn er sagt: sie wolle allein herrschen, sie dulde keine andere Herrschaft neben sich. Die Demokratie erkennt, wie kein anderes politisches System, alles wahrhaft Edle und Schöne an, aber in ihrem unaufhaltsamen Vorwärtsschreiten duldet sie neben und vor sich allerdings keine Lüge, keine Unnatur, kein halbes Wesen und Schwanken. Sie kennt ihr Ziel, und ihre gezogenen Kanonen sind ihre Ideen. Wie traurig muß es aber mit der Sache dieser sogenannten deutschen Patrioten stehen, wenn sie zur Bekämpfung einer deutschen Bewegung sich die Beweisgründe dagegen von einem Franzosen borgen müssen!

Jul. Houdret in London, Cannon Street West. Für das Studium der Asiatischen Sprachen können wir Ihnen empfehlen: J. v. Klaproth, Asia polyglotta etc. – Adr. Balbi, Atlas ethnographique. – Cirbicd, Grammaire Arménienne. – Franz Bopp: Conjugationsystem der Sanskrit-Sprache. – Franz Bopp, Grammatik der Sanskrit-Sprache. – Benfey, Sanskrit-Grammatik. – K. Fr. Neumann, Asiatische Studien. – Wilh. Schott, Versuch über die tatarischen Sprachen. De Frey, Grammaire Arabe. – Kennedy, Researches on the affinity of the princ. ling. of Asia and Europe. – Ladisl. Julien, die chinesische Sprache.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_272.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)