Seite:Die Gartenlaube (1862) 672.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Beobachter, welchen ich schon in der ersten Vorlesung anführte, Professor Fabre von Avignon. Die Grabwespe, welche er beobachtete, ist eine neue Art, welche nach seinem Namen Cerceris Fabreiana genannt wurde; die Beute einer der größten europäischen Rüsselkäfer, Cleonus ophthalmicus. „Man sieht,“ sagt Fabre, „die Wespe herbeifliegen, schwer beladen, ihre Beute zwischen den Füßen tragend, Bauch gegen Bauch, Kopf gegen Kopf. In einiger Entfernung von ihrem Loche sitzt sie schwerfällig ab, packt den Käfer mit den Kiefern und schleppt ihn nun den steilen Abhang hinan zu ihrem Loche. Das ist eine schwere Arbeit. Häufig stürzt sie, überschlägt sich, rollt im Sande bis an den Fuß des Abhanges, läßt sich aber nicht entmuthigen und gelangt endlich an ihr Loch, in welches sie die Beute hineinschleppt, welche sie nicht einen Augenblick aus den Kiefern ließ. Wenn diese Erkletterung des Loches für die Wespe nicht leicht ist, so ist dagegen ihr Flug wunderbar kräftig, zumal wenn man bedenkt, daß das mächtige Thier eine Beute fortschleppt, die bedeutend schwerer ist, als es selbst. In der That wiegt die Grabwespe 150, der Rüsselkäfer 250 Milligramm. Diese Zahlen sprechen beredt zu Gunsten der kräftigen Jägerin, und in der That konnte ich nicht müde werden zu bewundern, mit welcher Geschicklichkeit, Leichtigkeit und Schnelligkeit sie mit ihrem Wildpret in den Klauen davonflog und sich zu unabsehbarer Höhe emporschwang, wenn ich sie mit meiner Neugierde belästigte. Aber nicht immer flog sie, und zuweilen gelang es mir, durch unablässige Neckereien mit einem Strohhalm sie dahin zu bringen, ihre Beute fahren zu lassen, deren ich mich unmittelbar bemächtigte. Die beraubte Wespe suchte eine Zeitlang herum, schlüpfte auch wohl in ihr Loch, flog aber bald auf eine neue Jagd aus. In weniger als zehn Minuten hatte die geschickte Jägerin ein neues Wild gefunden, getödtet und sausend durch die Lüfte herbeigeführt. Acht Mal nahm ich einer Wespe so die Beute ab, acht Mal kam sie mit einem frischen Käfer wieder. Ihre Geduld erschöpfte die meinige, ich ließ ihr den neunten Fang.“

(Schluß folgt.)


Bürger’s Grab. Die Grabstätte Bürger’s zu Göttingen war lange Zeit verschollen, als vor einigen Jahren das Interesse für dieselbe erwachte. Man forschte nach, und besonders durch die Aussage der alten Magd Bürger’s, die bei dem Begräbniß zugegen gewesen war, wurde mit ziemlicher Sicherheit das Grab auf dem Friedhofe vor dem Weenderthore rechts an der hinteren Wand ermittelt. Damals wurde öffentlich zu Beiträgen für ein Denkmal aufgefordert; aber von den eingegangenen Geldern hörte man nichts wieder, es hieß, der Student, welcher die Sammlungen übernommen hatte, sei mit dem Gelde durchgegangen. So schien der Unstern, der den Dichter im Leben verfolgte, auch über seinem Grabe zu walten, und mit doppelter Wehmuth stand der Fremde an dem niedrigen Rasenhügel mit der Akazie, den ihm der Todtengräber als solches bezeichnete. – Jetzt hat es der Zufall gefügt, daß nicht nur das Grab des Dichters mit Sicherheit entdeckt ist, sondern auch ein Grabdenkmal, das er längst besaß. Der Todtengräber des Gottesackers soll im Auftrage einer Familie das Grab eines von deren Angehörigen suchen. Bei der Entzifferung alter Leichensteine kommt er auch an ein Denkmal, das neben dem bisher als Bürger’s Grab bezeichneten Hügel steht, dicht von Gestrüpp eingehüllt und dick vom Moose umkrustet, und das sich nach Entfernung des Mooses als ein Grabdenkmal Bürger’s ausweist. Es ist eine cannelirte dorische Säule, die eine Urne trägt; in der Mitte wird die Säule durch einen Würfel unterbrochen, der auf drei Seiten die Inschrift führt: „Die Stadt Göttingen dem Dichter August Bürger“, nebst dem Geburts- und dem Sterbejahre des Dichters. So hatte also Bürger längst ein Denkmal, das nur im Laufe der Zeiten vergessen war. Es ist jetzt von dem Gestrüpp entblößt und ragt frei über die niedrige Mauer, an der es steht. Bürger ruht in einer Reihe mit dem großen Philologen Heyne; Thibaut, der Rechtsgelehrte, und Planck, der große Theolog, ruhen auf derselben Seite des Gottesackers; dort ist auch Cäcilie Tychsen begraben, die Geliebte Ernst Schulze’s, deren Grabstein eine Harfe mit zersprungenen Saiten zeigt.




Ein deutscher Trollhätta-Canal. Wenige gebildete Deutsche dürfte es geben, die nicht von dem berühmten Canal in Schweden gehört haben; wie viele derselben wissen jedoch etwas von dem in seiner Art noch merkwürdigeren deutschen Bauwerk, dem Elbing-Oberländischen Canal? Ein Bauwerk, sehenswerther als gar manches, um dessen willen der Deutsche, der im Ausland reist, einen bedeutenden Umweg nicht scheut. Während die schwedischen Schleußen eine Höhe von 112 Fuß haben, liegen die Canalstrecken des preußischen Oberlandes 225 Fuß über dem Wasserspiegel der untern Strecke, welche in den Elbingfluß und durch diesen in das frische Haff führt. Die Verbindung wird durch schiefe Ebenen unterhalten, was schneller und billiger ist als durch Schleußen. Das hierbei stattfindende Verfahren ist folgendes: Ist ein Schiff an dem Ende der oberen Canalstrecke angelangt, so wird unter dasselbe, während es noch schwimmt, ein großer Wagen gefahren; vermittelst desselben wird es dann herausgezogen und auf einem Schienenwege über eine geneigte Ebene von 65 Fuß herabgelassen; das gleiche Verfahren findet nach und nach an drei andern Stellen statt. Umgekehrt findet das Aufsteigen in derselben Weise statt; wenn es sich aber trifft, daß gleichzeitig ein Schiff am obern Theile des Canals und ein anderes am untern Theile desselben ankommen, so wird das Gewicht des hinabgehenden zum Hinaufziehen des andern benutzt. Der erforderliche Mehraufwand von Kraft, und wenn kein thalgehendes Schiff zur Stelle ist, die ganze Kraft wird durch ein rückschlächtiges Wasserrad von 27 Fuß Durchmesser gewonnen. Die Dauer der Fahrt über die vier Ebenen beträgt mit Einrechnung der Zeit, welche zum Einfahren der Schiffe auf den Wagen und zum Abfahren von denselben erforderlich ist, durchschnittlich 15 Minuten, also nicht mehr, als zur Füllung oder Entleerung einer einzigen Schleuße gehören würde.




18. October 1861.

An der Pforte des Palastes steht der greise Veteran.
Mühsam brach der graue Stelzfuß durch die Menge sich die Bahn:
„Habet Achtung vor dem Krieger, der gekämpft auf Leipzigs Feld,
Wo die Eisenwürfel fielen blutig um die halbe Welt.“

5
An der Pforte des Palastes steht der blanke Kürassier,

Wehrt dem Volke, das sich eifrig dränget an die Königsthür –
Drinnen wird ein Fürst gekrönet, stolzer Hohenzollern Sproß;
Zutritt nur gewährt der Orden und der Stern dem Adelstroß.

Und der Alte murmelt leise in den silberweißen Bart:

10
„Trage auch den Stern am Busen, wahrlich! von der besten Art;

Als wir heut’ vor vielen Jahren unser Vaterland befreit,
Hat die scharfe Säbelklinge uns zu Rittern eingeweiht.“

Also murmelt er und vorwärts ohne Wort und ohne Gruß
Setzt er muthig auf die schöne Marmortreppe seinen Fuß,

15
„Freund zurück!“ so ruft die Wache; doch der Alte stolz und frei:

„Vorwärts! hieß es Anno 13!“ und so stampfet er vorbei.
„Vorwärts! hieß es Anno 13!“ und so stampfetS. A. in C.




Bei Beginn eines neuen Quartals empfiehlt die unterzeichnete Verlagshandlung:

Aus der Heimath.
Ein naturwissenschaftliches Volksblatt.
Herausgegeben von E. A. Roßmäßler.
Amtliches Organ des deutschen Humboldt-Vereins.
Wöchentlich eine Nummer mit Illustrationen. Preis vierteljährlich 15 Ngr.

Nichts ist so sehr geeignet, das Trennende der Standesunterschiede, welche eine nothwendige Folge unserer Culturstufe sind, zu mildern, als das schöne echt menschliche Bewußtsein der Allen gleichen irdischen Heimathsangehörigkeit. Wer in dieser Heimath nicht länger mehr ein Fremdling sein will – und wie sehr sind dies die Meisten noch! – der dürfte wohl thun, sich den Abonnenten unseres Blattes zuzugesellen.

„Aus der Heimath“ hat die Aufgabe, in populärster, dabei aber doch wissenschaftlicher Weise die Kenntniß der Natur in allen Beziehungen – Astronomie, Physik, Chemie, Geologie, Naturgeschichte etc. – zur Anschauung zu bringen und somit den Leser immermehr heimisch auf der Mutter Erde zu machen. Die dem Text beigegebenen Abbildungen in Holzschnitt sind nicht nur eine Zierde des Blattes, sondern es zeichnen sich dieselben vor allem durch wissenschaftliche Treue aus, die ihnen erst ihren Werth verleiht.

Ernst Keil. 
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 672. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_672.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2020)