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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

spinnen und nun von innen heraus die noch unentwickelten Blüthen und zarten Sprossen verwüsten. Jeder Baum hat fast seine eigene Art, und es ist wirklich kummervoll zu sehen, wie hier und da noch eine nur halbzerfressene Blüthe sich aus der zusammengerollten Knospe hervordrängt, ohne doch eine genießbare Frucht hervorzubringen, und wie selbst die Laubknospen verwüstet werden, ohne im nächsten Frühjahre Tragholz und Früchte entstehen zu sehen. Während man an den Zwergbäumen noch die Raupen innerhalb der zusammengeklebten Knospen zerdrücken kann, ist man vollkommen ohnmächtig gegen den Feind, der sich auf den Hochstämmen angesiedelt hat.

Unter den Motten ist es namentlich der weiße Kornwurm oder die Kornmotte (Tinea granella), welche schon manchem Oekonomen und Getreidespeculanten den Schlaf gestört hat. Die Motten fliegen hauptsächlich im Mai und Juni, legen ihre Eier nur an aufgespeichertes Getreide, das von den kleinen weißen Räupchen, die braunen Kopf und weißes Nackenschildchen haben, sogleich angegriffen wird. Das Räupchen frißt nur den mehligen Inhalt des Korns, spinnt denselben mittelst seines Unraths zusammen und zerstört bis zum September, wo es ausgewachsen ist, zwanzig bis dreißig Körner, welche alle zusammengesponnen werden und in faulige Gährung übergehen. Die Raupen verpuppen sich theils im Getreidehaufen selbst, theils in den Ritzen der Breterböden, wo sie ihr Gespinnst mit zernagtem Holze bedecken, verwandeln sich aber erst im nächsten Frühjahre innerhalb dieses Gespinnstes in Puppen. Das einzige durchaus wirksame Mittel ist das heftige Ausdörren des angegriffenen Getreides im Backofen bei solcher Hitze, daß dadurch Raupen und Puppen getödtet werden. „Doch,“ sagt Oken, „der geizige Kornjude spart wohl auch hierin, und obschon der Kornwurm zu seiner Züchtigung erschaffen ist, indem durch ihn das Getreide Flügel bekommt und zu den Dachlöchern hinausfliegt: so machen sich doch dergleichen Wucherer kein Gewissen daraus, diese leeren Getreidehaufen als gutes Korn zu verkaufen oder wenigstens unter solches zu mischen, ohne zu bedenken, daß sie ihren Nächsten dadurch gottloser Weise nicht nur um das Geld betrügen, sondern ihn auch durch das daraus gebackene stinkende Brod um seinen gesunden Leib bringen. Dieses ist jedoch eine Art Kornwürmer, von denen ich eigentlich nicht zu handeln habe; darum will ich die Untersuchung derselben Andern überlassen.“

Vater Blumenbach in Göttingen pflegte bei seinen Vorlesungen, wenn er an die Motten kam, einen alten zerfressenen Pelz mitzubringen und ihn vor seinen Zuhörern mit einem Stückchen auszuklopfen, indem er dabei beständig rief: „Hospitanten heraus!“ Ich erwähne dies nur, um auf die Pelz- und Kleiderschabe, die Tapeten- und Polsterschabe, die Woll- und Haarschabe (Tinea pellionella, Tinea crinella, Tinea tapezella etc.) aufmerksam zu machen, die in all diesen Stoffen zerstörend hausen und hauptsächlich nur durch Ausklopfen, Lüften, scharfes Trocknen im Backofen, Bestreuen mit Sublimat oder Arsenik getödtet werden können. Es sind gewissermaßen Warnungszeichen gegen die Manie mancher Hausfrauen, große Sammlungen dieser Stoffe anzulegen, die weniger zum Gebrauche als zum Prahlen dienen, da diejenigen Stoffe, welche häufig in Gebrauch gezogen, gewaschen und gelüftet werden, schon an und für sich durch diese Behandlung dem Schmetterlinge die Zeit nicht lassen, sich in gehöriger Weise zu entwickeln.

Nur die Wachsschabe (Tinea cerella) will ich noch erwähnen, die den Bienenzüchtern manchen Schaden zufügt. Der holzgraue Falter findet sich meist an den Bienenkörben, durch deren Ritzen er seine Eierchen in das Innere zu schieben oder auch durch deren Flugloch er in unbewachten Augenblicken einzudringen sucht, bei welchem Versuche freilich viele Schaben von den Bienen überfallen und getödtet werden. Die Räupchen graben sich Gänge in die Waben ein, welche zuletzt bei zunehmender Größe der Raupe selbst die Dicke eines Federkiels erreichen können, und überspinnen sorgfältig alle Gänge und Waben mit dichten Seidengespinnsten, so daß sie häufig sogar den Bienen den Zugang zum Honig verlegen und so Ursache sein können, daß die Bewohner eines Stockes im Winter zu Grunde gehen. Sie fressen nur das Wachs, verrathen ihre Anwesenheit leicht durch den platten, braunen, gekerbten Unrath und sind schwer zu vertilgen, während es ziemlich leicht hält, Falter und Puppen zu vernichten und ersteren den Zugang zu den Stöcken durch sorgfältiges Verstreichen aller Ritzen und Verengern des Flugloches zu verwehren.




Aus der Bücher- und Bilderbude des Weihnachtsmarkts.

Es gehört schon ein Bischen Glück der Geburt dazu, wenn ein Kind in den Besitz eines Bilderbuchs gelangen soll. Die Preise selbst mittelmäßiger Bilderbücher sind durchschnittlich noch zu hoch für den Geldbeutel des Arbeiterstandes, der die Mehrzahl aller Bevölkerungen ausmacht. Man muß das beklagen, denn ein hübsches Bilderbuch ist eine außerordentliche Kinderlust und der erste Schatz, aus dem der erwachende Geist des Kindes nachhaltige Nahrung zieht. Deshalb ist es durchaus nothwendig, daß die Speculation ernstlich auf technische Mittel sinnt, um der Kinderwelt auch bis in die weniger vom Mammon bedachten Kreise dennoch mit guten, das Auge des Kindes gleich für das Schöne gewinnenden Bilderbüchern zu erfreuen.

Der Barbier.

Vor der Hand ist das noch frommer Wunsch, und auch die paar uns soeben vorliegenden Bilderbücher werden nur auf Weihnachtstische kommen, die auch außerdem von jenem ersten Kindesglück, dem der Geburt, zeugen. Je weniger dies ihnen von ihrem Werthe nehmen kann, um so mehr gerade bedauert man, daß sie nicht eine größere Anzahl der funkelnden Augen ergötzen können.

Den ersten Rang unter allen uns vorliegenden „Weihnachts-Schriften“ nimmt, was künstlerische Ausstattung anlangt, unbedingt das in Berlin bei Weidmann erschienene Kinderbuch: Was willst Du werden? von Oskar Pletsch, ein. In einer Reihenfolge von 22 Zeichnungen, die in Auffassung und Ausführung mit den besten Leistungen Ludwig Richter’s concurriren, führt uns der Künstler in ganz reizender Weise die verschiedenen Handwerker und Berufsarten des Lebens vor, die er zugleich mit höchst naiven, oft schalkhaften Reimen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 812. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_812.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)