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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

durch die geeigneten Agenten nicht nur den Vermögensstand, sondern auch den Charakter und die leitenden Grundsätze der Männer, mit denen sie es vorzugsweise zu thun hat. Dabei entwickelt sie einen überraschenden Scharfblick, eine wunderbare Kenntniß der Verhältnisse, verbunden mit dem feinsten Tact und einer merkwürdigen Divinationsgabe.

Oft ehe noch das Publicum und selbst der Betheiligte eine Ahnung haben, weiß oder ahnt sie, daß diese oder jene Firma dem Bankrott entgegengeht, und bricht deshalb unerwartet ihre Verbindungen fast immer zur rechten Zeit ab. Dies Wunder erklärt sich, zum Theil wenigstens, durch die in ihre Hände kommenden Papiere und die damit ermöglichte Einsicht in die Manipulationen der verschiedenen Firmen, sowie durch die Aufmerksamkeit, welche die Bank den wöchentlichen Berichten der verschiedenen Comptoire schenkt. Diese werden sorgfältig geprüft, durch besondere Referenten beurtheilt und mit einander verglichen, so daß die Bank stets genau von der Höhe der auf ein Haus laufenden Wechsel unterrichtet ist und darnach ihren Credit bemessen kann. Findet sich, daß dieser bereits sein Maximum erreicht und das meist genau bekannte Vermögen des Betreffenden übersteigt, so wird diesem in schonender Weise die entsprechende Mittheilung gemacht. In einzelnen Fällen werden vorher noch genauere Erkundigungen eingezogen, ein besonderer Vortrag gehalten und dann ein collegialischer Beschluß gefaßt. Bedenkt man, daß oft an einem einzigen Ort, wie z. B. in Köln, viertausend größere und kleinere Firmen zu beobachten sind, so kann man sich ungefähr einen Begriff von der Schwierigkeit einer solchen Aufgabe machen. Da aber das gesammte industrielle und handeltreibende Publicum mehr oder minder an dem Gedeihen der Bank betheiligt ist, so fehlt es ihr nicht an zuverlässigen Correspondenten, Vertrauensmännern und freiwilligen Mitarbeitern, deren Urtheile und Mittheilungen jedoch mit dem objectiven Thatbestand und den eigenen Erfahrungen verglichen werden, bevor man ihnen Folge giebt. Die geheimen Acten der Bank dürften vielleicht die wunderbarsten Aufschlüsse über die Geschichte des Vermögens und der Wechselfälle im Handelsstande liefern. In allen einigermaßen bedeutenden Industrie- und Handelsplätzen Preußens hat die Bank ihre Commanditen oder Filiale, die in ihrem Geschäftsbetrieb ganz dasselbe System verfolgen wie die Mutteranstalt in Berlin, in allen zweifelhaften Fällen aber sich hier erst Rath erholen müssen. Die Controle der von der Bank ausgegebenen Noten (k. preuß. Banknoten) wird durch die sogenannte Immediatcommission bewirkt. Die Anfertigung der Noten selbst geschieht in der königl. Staatsdruckerei, wo die nöthige Aufsicht darüber in der nämlichen Weise geregelt ist wie bei den Cassenscheinen. Dieselbe controlirende Behörde ist auch mit der Vernichtung der in die Bank zurückströmenden Noten betraut. Nachdem dieselben auf den betreffenden Büchern postenweise gelöscht sind, werden sie als „Werthlos“ bestempelt, mit einem Eisen durchlocht und dann in einem eigens dazu construirten Ofen, der in einem abgesonderten Locale des Bankgebäudes steht, unter Aufsicht der genannten Behörde verbrannt.

Ihre Hauptthätigkeit entwickelt die Bank in Zeiten einer drohenden Krisis, wie z. B. in diesem Jahre, wo vorzugsweise ihre Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen wurde. Durch die Umsicht und wahrhaft liberale Gesinnung des gegenwärtigen Bankpräsidenten von Dechend wurde während des Krieges Handel und Industrie vor schweren Verlusten bewahrt, indem die Bank mit größter Bereitwilligkeit den Anforderungen auf baares Geld, so weit sie den inneren Handel betrafen, entgegenkam und durch zweckmäßige Manöver die hochgeschraubten Course der auf auswärtige Plätze lautenden Wechsel durch Hinausgabe großer Posten ihres Vorraths davon plötzlich herabdrückte und dadurch dem Abflusse des Silbers nach auswärts, namentlich Frankfurt a. M., Einhalt that. Es war daher hauptsächlich das Verdienst der preußischen Bank, daß eine so bedeutende Katastrophe ohne tiefere Erschütterung vorüberzog, indem sie selbst den kleinsten Firmen durch die sogenannten Darlehenscassenscheine, welche sich bereits 1848 trefflich bewährt hatten, die Mittel gewährte, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Minder wichtig und groß als das ausgedehnte Discontogeschäft ist der Lombard-Verkehr der Bank, d. h. die Beleihung von Unterpfändern, von Gold, Silbergeräth und dem Verderben nicht ausgesetzten Waaren. Im Allgemeinen hält die Bank an ihrem Grundsatz fest und zieht die Personal-Sicherheit, die Wechselverbindlichkeit jeder Real-Sicherheit vor. Auch will sie nur solche Geschäfte unterstützen, welche auf einem wirklich reell abgeschlossenen Handel, oder auf einer sicheren industriellen Unternehmung basiren, um der bloßen Speculation nicht die Hand zu bieten. Ebenso ist der Giro-Verkehr, wenn wir ihn mit dem anderer Geldinstitute und selbst Privatbanken, wie z. B. die hiesige Disconto-Gesellschaft, vergleichen, nur gering zu nennen. Außerdem verwahrt und verzinst die preußische Bank alle Gelder, welche. öffentliche Behörden und Privatpersonen ihr anvertrauen; auch ist sie befugt, Gold, Silber, Pretiosen und Documente aller Art in der vorgeschriebenen Form und ohne Kenntnißnahme des Inhalts gegen Ausstellung von Depositalscheinen und eine dafür zu entrichtende Gebühr in Empfang zu nehmen. Die zu diesem Zweck bestimmte Schatzkammer enthält manches kostbare Werthstück. Da jedoch die Bank von dem Inhalt keine Kenntniß hat und die Vorzeigung des Empfangscheins genügt, um sich als Eigenthümer zu legitimiren, so fehlt es hier nicht an interessanten Zwischenfällen. So machte eine Dame die unangenehme Entdeckung, daß ihr kostbarer Schmuck, den ihr Mann selbst auf die Bank gebracht, statt der echten falsche Demanten enthielt. Bei genauerer Nachforschung ergab sich, daß diese Umtauschung der eigene Mann bewerkstelligt hatte, um seine Spielschulden zu bezahlen. In einem anderen bekannten Fall wurde eine reiche Wittwe aus den höheren Ständen fast um ihr ganzes Vermögen durch die Sorglosigkeit gebracht, mit der sie einem jungen Verwandten die Besorgung werthvoller Documente anvertraute. Der Leichtsinnige hatte auf dem Wege nach der Bank Zeit und Gelegenheit gefunden, den Kasten auszuleeren und die Werthstücke mit Papierschnitzeln zu vertauschen.

Die Verwaltung der Bank entspricht ihrer dualistischen Natur, da sie ein gemischtes Institut ist und zum Theil ihr Betriebscapital vom Staat, zum Theil von Privaten erhält. Ihr Chef ist der jedesmalige Handelsminister, dem ein Bank-Curatorium von fünf höchsten Staatsbeamten zur Seite steht, die sich vierteljährlich versammeln. Die Eigenthümer der Bankantheile haben dagegen jährlich eine Generalversammlung, wo sie den Rechenschaftsbericht entgegennehmen, die Wahl des Central-Ausschusses vollziehen und über solche Abänderungen der Bankordnung entscheiden, welche ihrer Zustimmung bedürfen. Der Central-Ausschuß wählt aus seiner Mitte eine Anzahl Deputirte, welche die Controle über alle wichtige Bankoperationen ausüben. Das Betriebscapital besteht aus dem Einschuß des Staates mit ungefähr zwei Millionen, aus dem Beitrag der Actionäre, der neuerdings auf zwanzig Millionen erhöht worden ist, aus dem Depositen-Capital im Werth von dreiundzwanzig Millionen und aus dem Reservefond von ungefähr vier Millionen, im Ganzen gegen fünfzig Millionen. Dagegen waren jetzt an Banknoten in Umlauf 136,148,000 Thaler, denen ein Baarvorrath von siebenzig Millionen in geprägtem Gelde gegenüber stand. Der ganze Umsatz der Bank betrug im Jahre 1865 die bedeutende Summe von 2,273,608,200 Thaler, und der Gewinn, welcher zur Hälfte zwischen dem Staat und den Bank-Eignern getheilt wird, belief sich, nach Abzug sämmtlicher Kosten, Zinsen und eines Sechstels für den Reservefond, auf zwei Millionen. Allwöchentlich erscheint in den öffentlichen Blättern eine Bilanz der in der Hauptbank nebst ihren Comptoiren in den letzten sechs Tagen gemachten Geschäfte, der Status. Alle vier Wochen aber bleibt die Hauptcasse während eines Theiles der Vormittagsstunden der erforderlichen Revision wegen geschlossen, was vorher dem Publicum bekannt gemacht wird.

Die glänzenden Resultate des Instituts sind jedoch nicht ohne schwere Kämpfe und erst im Laufe der letzten Jahre errungen worden. Wohl selten hat ein Institut bei seinem Entstehen so große Hindernisse zu überwinden, so furchtbare Krisen zu bestehen gehabt. Weit später, als in andern Ländern, wurde die preußische Bank durch Friedrich den Großen in’s Leben gerufen, und zwar haben, wie Mirabeau berichtet, wahrscheinlich der Major Quintus Icilius und ein Hamburger Kaufmann Wurmb den Plan nach dem Muster des Hamburger Bankreglements ausgearbeitet. Durch die königl. Edicte vom 17. Juli 1765 und 29. October 1766 wurde indeß die 1753 gegründete Giro- und Wechselbank wieder aufgehoben und dafür die königl. Haupt-Bank gestiftet.

Acht Millionen Grundcapital hatte der König für die Bank bestimmt, von denen sie jedoch keinen Heller erhielt, da das Geld für andere Zwecke, besonders zur Unterstützung der durch den Krieg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 801. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_801.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)