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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Schrift „Les Soudes et les Potases de Stassfurt“ ausführliche statistische Angaben über Produktion und Consumtion der hier in Betracht kommenden Präparate. Er berechnet, daß die heutige Industrie achtzig Millionen Pfund Chlorkalium brauche und inskünftige hundertachtzig Millionen Pfund brauchen werde; bis jetzt habe sie nur acht Millionen Pfund geliefert, welche größtentheils zu Pulver verarbeitet worden seien; außerdem hätten der Industrie zu Gebote gestanden: etwa 65,2 Millionen Pfund Pottasche (aus Rußland 18, Amerika 13,5, Ungarn 10 und den europäischen Zuckerfabriken 23,3 Millionen Pfund) und ferner 40,4 Millionen Pfund Salpeter aus Indien und anderen Ländern.

Seit 1863 trat Staßfurt mit seiner Production auf den Weltmarkt; die ersten Fabriken waren die der Herren Dr. Frank und Vorster und Grüneberg, jetzt giebt es deren schon zwanzig, von welchen nach Joulin die größeren täglich zwölf bis sechszehntausend Pfund liefern. Noch steht die derartige Production in keinem Verhältniß zu der, welche Joulin in Aussicht stellt, und doch hat Staßfurt schon die bisherigen Marktverhältnisse völlig umgekehrt. 1863 zahlte man in England noch für hundert Zollpfund Kalisalpeter 45 Francs, jetzt nur noch die Hälfte; für den aus Chilisalpeter bereiteten muß man, wenn dieser 8 bis 81/2 Francs kostete, 26 bis 271/2 Francs zahlen. 1863 verkaufte man in Staßfurt den Centner Chlorkalium von 80% noch mit 23 bis 271/2 Francs und schon 1866 lieferte man ihn, inclusive aller Unkosten, mit 81/2 bis 9 Francs nach England und Frankreich.

Unter solchen Umständen muß dieser Industriezweig ganz in deutsche Hände kommen, und Joulin stellt daher Staßfurt die oben angegebene Jahresproduction in Aussicht; dazu müßten freilich die vorhandenen Fabrik- und Capitalanlagen mindestens um das Vierfache erhöht werden. Er meint, daß es bei der Bedeutung dieser Industrie an dem Gelde nicht fehlen werde, und wir wollen hoffen, daß er hierin Recht behält.

Die für die Industrie in Aussicht genommene Production entspricht etwa der von 70 Millionen Pfund reinem Kali; die österreichische Bergwerksverwaltung in Kalucz hat contractlich die Lieferung von jährlich 200,000 Centner reinem Sylvin (Chlorkalium) zum Preise von 12 Kreuzer ö. W. übernommen; das entspricht 10,5 Millionen Pfund Kali. Im Jahre 1867 hatten die beiden Werke in Staßfurt schon über 300 Millionen Pfund Rohkalisalze geliefert, welche etwa 60 Millionen Pfund Chlorkalium entsprechen würden.

Es ist aber auch die Landwirtschaft in hohem Grade an den dortigen Vorkommnissen interessirt und mit der Zeit dürfte die Fabrikation von Kalidünger die der Kalipräparate für die Industrie weit überflügeln, Staßfurt also noch eine ganz andere Zukunft, als die von Joulin in Aussicht genommene, bevorstehen.

Seit J. Liebig die Ernährungsgesetze der Pflanzen außer Frage gestellt und bewiesen hatte, daß die bei dem Verbrennen einer Pflanze, des Holzes im Ofen z. B., zurückbleibende Asche dem Boden entstammt (daher der Name Aschenbestandtheile gleichbedeutend mit Bodenbestandtheilen oder mineralischen Nährstoffen ist), und ferner bewiesen hat, daß keine Pflanze ohne die sämmtlichen in dieser Asche enthaltenen Verbindungen zu wachsen vermag, seitdem hat bekanntlich das bisherige Düngungsverfahren der Landwirthe eine vollständige Reform erfahren, wenn schon nach wie vor der Stalldünger in Ehren bleibt.

In jeder Ernte entzieht der Landwirth seinem Boden einen Theil seines Bestandes, eine gewisse Quantität von Bodenbestandtheilen; giebt er dieselben seinem Felde nicht wieder oder nicht vollständig wieder zurück, so ist das Feld nicht mehr im Stande eine ähnliche Ernte wie bisher zu geben, wenn nicht der Vorrath an Mineralstoffen im Boden ein ungewöhnlich großer ist. Wird alljährlich immer mehr genommen, als gegeben, so muß einmal der Zeitpunkt kommen, wo der ursprünglich große Vorrath erschöpft ist und der Boden die Ernte versagt.

Die Bodenarten sind in ihrem Bestände sehr ungleich; es giebt solche, welche wir gegenwärtig noch geradezu unerschöpflich nennen können; auf ihnen ist also willkürliche Bewirthschaftung, bloßes Nehmen ohne Geben gestattet; es giebt aber sehr viel anderen Boden, auf welchem entweder von Haus aus nicht in Fülle das Erforderliche gegeben war, oder durch bisherige aus Unkenntniß befolgte Raubwirthschaft der ehemals vorhandene Ueberfluß ganz oder theilweise erschöpft ist.

Der in den Ställen erzeugte Dünger giebt dem Felde allerdings einen sehr großen Theil der in den Ernten entzogenen Bestandtheile wieder, aber nicht alle und manche nicht in genügender Menge. Jeder Landwirth spricht von „Kleemüdigkeit“, „Erbsenmüdigkeit“, Rübenmüdigkeit“ vieler Felder, weil sie Klee, Erbsen und Rüben nicht mehr in gewünschtem Grade hervorbringen, und er kennt jetzt die Ursache davon; sie besteht einfach darin, daß auf solchem Boden ein Theil der für die Pflanze wichtigen Mineralstoffe oder Bodenbestandtheile nicht mehr in genügender Menge vorhanden ist.

Seitdem man das weiß, hat man die Düngerfabrikate in den Handel gebracht; der Eine braucht für seine Verhältnisse vorzugsweise Kalk, der Andere Gyps, ein Dritter Phosphorsäure, ein Vierter Kali oder Magnesia und ein Fünfter zwei oder drei dieser Stoffe, ein Sechster alle zur Ergänzung seines Stalldüngers, – wenn er entsprechende Ernten haben will. – Es ist das Verdienst der Zuckerfabrikanten, zuerst die Lehren Liebig’s, die Andere mißachten und bekämpfen zu können glaubten, befolgt und durch beträchtliche Opfer mittelst oft sehr kostspieliger Versuche die schätzbarsten Beiträge zur Feststellung wissenschaftlicher Grundsätze rationelleren landwirthschaftlichen Betriebs geliefert zu haben. Ihnen folgten Andere, und jetzt hat der Handel mit Düngemitteln schon solche Dimensionen angenommen, daß in England jährlich an 70 Millionen Thaler darin umgesetzt werden.

Die Fabrikanten für Kalisalze in Staßfurt hatten anfangs bei noch nicht gesichertem Absätze zu viel producirt, und es erfolgte ein beträchtlicher Rückschlag der Preise. Man suchte in besserer Verwerthung der Nebenproducte schwefelsaures Kali, Bittersalz, Pottasche etc. – bessere Chancen zu gewinnen und kam, auf Grund der oben erörterten Thatsachen und der daraus gefolgerten Lehren, auf den Gedanken, der Landwirthschaft das ihr noch immer fehlende Kali zu liefern, das heißt die vorhandenen Kalisalze zur Düngung zu verwenden. Das ist der Ursprung der Staßfurter Fabrikation, bei welcher die localen Verhältnisse in außerordentlich günstiger Weise zusammenwirkten, um schließlich das Richtige zu finden. Hier, wo die Zuckerfabrikation so vollendet betrieben wird, war die Verwendung des Kali zu Dünger an sich nahe genug gelegt, aber auch, was noch weit bedeutungsvoller wurde, die Umwandlung der Rohkalisalze in brauchbaren Dünger. Gerade die Zuckerrübe kann nicht in jeder Form die ihr nothwendige Nahrung gebrauchen, wenn sie das Maximum des Zuckers mit dem Minimum des Nichtzuckers geben soll; letzterer erschwert die Fabrikation, und deßhalb muß jede Nahrung (Dünger) für die Zuckerrübe sorgsamst ausgewählt sein; ebenso für den Wein, Tabak, Hopfen u. s. w., kurz überall, wo es dem Landwirthe mehr um Güte, als um Menge bei seiner Production gilt. Man verwendete anfangs die rohen Salze zum Düngen und erhielt wenig oder gar keinen Erfolg, oft sogar nachteilige Wirkungen, die man jetzt sich zu erklären weiß. Die Rohsalze sind reich an Kochsalz und Chlormagnesium; jenes ist im Uebermaß, dieses auch schon in kleinen Mengen der Pflanze und besonders den jungen Keimen schädlich, selbst oft tödtlich. Man hatte ferner die Salze wie anderen Handelsdünger auf den Feldern obenauf gestreut und erst allmählich gelernt, daß das Kali in den Boden gebracht werden muß, wenn es tief wurzelnden Pflanzen zu Gute kommen soll; diejenigen Gewächse, welche Kali in höherem Grade gebrauchen, sind aber meistens gerade die tiefer wurzelnden.

Es war die Aufgabe der Fabrikanten, sich nicht abschrecken zu lassen und die passendsten Formen, in welchen das Kali den Pflanzen zugeführt werden konnte, zu suchen. Sie haben diese Aufgabe gelöst, soweit es bis jetzt möglich ist. Sie haben es verstanden, die übergroße Zahl der Beimengungen von minderem oder gar negativem Werthe zu verringern und das Kali selbst in passendere, den Pflanzen zuträglichere Verbindungen umzuwandeln.

Die Fabrikanten liefern nicht einerlei Producte, weil die Landwirthe nicht jedes Fabrikat zu jedem Zwecke brauchen können. Die sogenannten concentrirten Salze haben nämlich viel, die schwefelsauren Salze wenig Beimengungen außer dem Kali, auf welches es ankommt, diese wie jene aber sind je nach Verhältnissen (Boden, Culturzustand, Pflanze) empfehlenswerth. Für jene ist vornehmlich Dr. Frank, für diese Cordell eingetreten; beide haben verschiedene Schriften darüber veröffentlicht. Einig ist man darüber, daß das schwefelsaure Kali als Nahrungsmittel der Pflanze eine geeignete Form ist und daß die schwefelsaure Kali-Magnesia, die auch krystallisirt dargestellt wird (bis jetzt nur von Douglas-Leopoldshall), den Gyps

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 731. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_731.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)