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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


„Und das tragst Du auf Deinem Hut? Du hast also wirklich an mich denkt, hast mich in Dein’ Sinn ’tragen und in Dein’ Herz? Ja, jetzt hast Recht, jetzt hat das Büchsel kein’ Bedeutung mehr für mich … da – da nimm’s! Ich verlang’ nix dafür als ein einzig’s von den Edelweißblümeln da auf Dein’ Hut.“ Er wollte das Medaillon von der Schnur am Halse reißen; aber Stasi hielt ihn zurück.

„Nit jetzt!“ sagte sie. „Behalt’s noch! Wir müssen erst mit mein’ Vater reden, daß Alles in Ordnung ist, wie sich’s gehört – am Hochzeitstag, vor’m Altar und mit’m Trauring gib mir das Büchs’l!“

„O Du – Du – Du Ausbund von einem Madl!“ rief Martl, indem er ihr beide Hände entgegenstreckte, in die sie freudig einschlug. „Wie soll ich’s denn nur anstellen, daß ich das Alles glauben kann?“

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Emil Rittershaus als Prophet. Es dürfte den Lesern der Gartenlaube von Interesse sein, heute von einem Gedichte Kenntniß zu erhalten, das von Emil Rittershaus, unserm langjährigen Mitarbeiter, bereits bei Beginn des Jahres 1861 in der Form eines Prologs geschrieben, das zur Feier eben dieses Jahreswechsels am Stadttheater zu Elberfeld gesprochen und das sodann von den „Unterhaltungen am häuslichen Herde“ zum Abdruck gebracht wurde. In der zweiten Hälfte dieses ziemlich umfangreichen Gedichtes nun hat der Dichter mit überraschend prophetischem Sinne die Ereignisse der großen Gegenwart Wort für Wort vorausgesagt und wir lassen die bezügliche Stelle, welche das Glück hatte, eine so glänzende Erfüllung zu erfahren, nach dem Abdruck in den „Unterhaltungen am häuslichen Herde“ um so lieber hier folgen als wir dadurch unsern Lesern die beste Gelegenheit geben, das bekannte Sprüchwort von dem Propheten im Vaterlande Lügen zu strafen. Zum besseren Verständniß schicken wir voraus, daß der Dichter in der ersten Hälfte seines Prologs drei lebende Bilder vorführt: „Lagerscenen aus Shakespeares Coriolan“ – „Gartenscene aus Faust“ – „Wallenstein’s Lager“, dann fährt er fort:

Zum Worte greif’ ich nun zum letzten Mal!
Verblichen ist der Lagerfeuer Strahl,
Drei Bilder sah’t ihr längst vergang’ner Tage;
Aus der Geschichte, aus dem Reich der Sage
Hat Euer Aug’ Gestalten hier geseh’n;
Die Kunst ließ todte Zeiten auferstehn. –
Doch, wenn sie auch vergangne Zeit erweckt,
In’s Leben ruft, was Schutt und Moder deckt,
Nicht ist das alles, was sie kann und soll!
Das Herz der Kunst ist heißer Gluthen voll;
Es schuf sie Gott, daß sie die Welt entflammt!
Die rechte Kunst hat ein Johannesamt
Und hat Prophetenaugen! – Durch die Zeiten
Seht Ihr sie hin mit leisem Fuße schreiten,
Und wo ein Volk versinkt in finstre Nacht,
Da rufen ihre Jünger ein „Erwacht“! –
Einmal erwachte Deutschland schon vom Schlaf:
Der deutsche Mann, er stand, ein armer Sclav’,
Im Dienst des Corsen, niedrer Schmach geweiht,
Da standen auf die Männer großer Zeit,
Ein Körner, Schenkendorf und Arndt und Stein!
Ein Rückert sang! – In’s Völkerherz hinein
Drang funkengleich ihr Wort und sieh, es schlug
Der Knechtschaft Todesstunde! Seinen Flug
Nahm sonnenwärts der edle, deutsche Aar;
Da mußte fallen unsrer Feinde Schaar
Und über Leipzigs Blut und Pulverblitz
Sah aus den Wolken wohl der alte Fritz,
Und segnete die freigeword’ne Welt! – –
Weh, Kettenklirren tönt vom fernen Belt;
Im Elsaß herrscht noch heut Franzosenthum! –
Dahin der theure bluterkaufte Ruhm! –
Doch lauscht! Auch heute tönt ein mahnend’ Wort!
In West und Osten klingt’s, in Süd und Nord!
Es klingt am Rhein und an der Eider Strand
Der Dichtung Mahnruf: „Auf, mein Vaterland!
Es schallt ein Lied, das hat gar wilden Klang;
Es wachen auf die Völker beim Gesang.
Es tönt am Fuß der Alpen, an dem Meere
Das Lied von der zertretnen deutschen Ehre!
Noch klingt vereinzelt jene Melodei,
Doch glaubt’s! Das Lied, es wird ein Racheschrei,
Und klingt’s erst hell von allen deutschen Zungen,
Dann wird der Schmach das Todtenlied gesungen,
Und wenn’s die Welt mit Sturmesflug durchrauscht.
Dann wird die Leier mit dem Schwert vertauscht!
Nicht träumend in des Friedens weichem Schooß,
Im Kampf wird Deutschland einig, frei und groß!
Ich seh’s im Geist! – Ich hör’ das Feldgeschrei!
Das Streitroß stampft der Lerche Nest entzwei;
Haubitzen singen ihren Donnerpsalm;
Auf zu den Wolken steigt der Pulverqualm
Mit der Gefallnen letztem Stoßgebet,
Mit dem Hurrah der Schaar, die fechtend steht,
Das rothe Blut dampft aus des Ackers Schollen. –
Ich seh’ die Tage, die da kommen wollen!
Seh’ die Kanonen, seh’ die stolzen Heere.
Wir waschen rein den Schild der deutschen Ehre. –
Doch schau’ ich mehr noch! – Ueber Tod und Blut
Aufstrahlt es licht wie rothe Morgengluth!
Im Westen, fern auf der Vogesen Spitzen
Seh’ ich der Freudenfeuer Flammen blitzen!
Ich seh’ der neuen Lorbeer’n grüne Zier;
Auf Straßburgs Münster weht ein deutsch Panier!
Die Glocke ruft zum Lobgesang vom Dom
Und Deutschland nennt ihn sein, den deutschen Strom!
Und dort am Meerstrand! Wie es lustig kracht!
Doch ist’s nicht mehr der Donner blut’ger Schlacht;
In seiner Scheide darf der Degen schlafen:
Die deutsche Flotte segelt aus dem Hafen,
Und an dem Strand der Eider hallen wieder
Aus freier Brust die trauten, deutschen Lieder,
Germania drückt, o süße Himmelslust,
Die langentbehrten Kinder an die Brust! – –
Und dann ein Siegesmarsch, Trompetenton
Und Trommelwirbel! Seinem besten Sohn
Drückt auf die Stirn die deutsche Kaiserkron’
Das deutsche Land, reicht ihm das Scepter dar! –
Das ist das echte, rechte, neue Jahr!
Das ist der Zukunft großer Sonnentag!
Tönt, ihr Trompeten! klinge, Trommelschlag!
O Tag des Siegs, wann bist du endlich da? –
Gott sei mit Dir! Heil Dir, Germania![1]




Zu den Erinnerungen des heiligen Krieges bringen wir heute nachfolgende Stelle aus einem am 20. October 1870 geschriebenen Briefe, welchen der Verfasser, Lorenz, zugleich mit der sodann vom Maler Sundblad trefflich ausgeführten Skizze uns seiner Zeit zugeschickt hat. Es heißt dort:

„Sie ahnen wohl kaum, an welcher heiligen Stätte ich in spätester Abendstunde diese Zeilen schreibe! Auf den Stufen eines Altars, im Angesicht einer Kanzel, beim Schimmer düster brennender Altarkerzen, kurz, mitten in einer Kirche, deren Wölbung tagüber vom profanen Treiben der deutschen Soldateska widerhallt, und deren weite Räume, statt vom mystischen Weihrauch der Messe, vom Cigarrenrauch und Pfeifenqualm feindlicher Einquartierung erfüllt sind. Ich zweifle nicht, daß manchen Ihrer Leser bei dieser Schilderung ein gelindes Entsetzen erfaßt, wenn er nicht schon beim Anschauen meiner Skizze genug gehabt hat, die ich heute Nachmittag treu nach dem Leben aufgenommen habe, und die mein lieber Freund Sundblad gewiß recht hübsch und sauber für Sie ausführen wird.

Nachdem wir zehn Tage lang im Dorfe Villepinte in der Reserve gestanden sind – so langweilig, daß man seine Zeit nur zwischen Exerciren und Scatspielen zu vertheilen vermochte – stehen wir heute im Dorfe Sevran wieder auf Vorposten, unmittelbar vor Paris, dessen ausgehungerte Einwohner zu Hunderten herauskommen, Kartoffeln auszugraben und dabei auf beste Weise durch unsere Linien zu brechen. Sie wieder nach Paris zurückzutreiben ist für’s Erste unser Zweck.

Dabei sind wir aber auch in unserer Kirche ganz gut aufgehoben, und wenn die Herbstsonne nicht allzu früh ihren Dienst versagt, so werden wir uns auch in den Chorstühlen noch ganz erträglich warm halten können. Ob wir die Kirche mit Militär belegen sollten oder nicht, darüber blieb uns keine Zeit zum Besinnen, da wir bei unserer Ankunft das ganze Dorf von oben bis unten und vom Keller bis zum Dach schon voll Soldaten fanden. Dableiben aber mußten wir, und so übertrat denn unser unheiliger, staubbedeckter Fuß die Schwelle des heiligen Hauses, dessen Inneres bald mehr einer, freilich nur sehr provisorisch eingerichteten Caserne glich, denn einem Tempel des Friedens. Uebrigens waren Pfarrer und Meßner schon lange geflohen; der unmittelbare Anblick unseres heidnischen Gräuels blieb ihnen also erspart.

  1. Den vielen Freunden und Verehrern unseres geschätzten Mitarbeiters, namentlich aber den Subscribenten auf die im März vorigen Jahres angekündigte und bisher durch die Zeitverhältnisse zurückgehaltene Sammlung neuer Gedichte wird bei dieser Gelegenheit die Mittheilung willkommen sein, daß wir Veranlassung genommen haben, den Dichter zu bestimmen, der Sammlung auch diejenigen Schöpfungen einzuverleiben, welche den Ereignissen der Jahre 1870–71 ihre Entstehung verdanken und, von warmer Vaterlandsliebe eingegeben, nicht selten und nicht wenig dazu beigetragen haben, die Opferwilligkeit des Volkes in die rechten Bahnen zu lenken und seinem Streben für die Tage friedlicher Arbeit die richtigen Ziele zu weisen. Wir hoffen, damit eines Theiles die Subscribenten für das verzögerte Erscheinen zu entschädigen, anderen Theiles aber in noch weiteren Kreisen eine neue Anregung zur Betheiligung an der Subscription zu geben. Das Resultat der letzteren – bekanntlich soll dem Dichter der volle Reinertrag ohne Abzug zukommen – sichert übrigens bereits nicht minder unserem Unternehmen einen erfreulichen materiellen Erfolg, als es unserem Volke zur Ehre gereicht, und es ist deshalb nunmehr mit dem Druck begonnen, so daß die Sammlung in etwa zwei Monaten erscheinen wird. Es ist daher nothwendig, und wir bitten also darum, die Subscriptionslisten mit dem 15. Mai zu schließen und sodann alsbald an die betreffenden Herren Mitglieder des Comités zurückgelangen zu lassen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_259.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2017)