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Seite:Die Gartenlaube (1872) 315.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

der Rochuscapelle, die uns Altmeister Goethe nach den Tagen des großen Kampfes von 1813 eingehend schildert, hatte sich das Lazareth des englischen Hülfsvereins eingerichtet, um auch hier zu predigen, daß das Unglück bei gebildeten Nationen alle Unterschiede tilgt! Und mit welchem Jubel wurde diese Stelle wieder begrüßt von den lorbeergeschmückten Helden, welche hier nach harten Kämpfen zuerst den Strom wiedersahen, der doch augenscheinlich der Preis jenes frevelhaft heraufbeschworenen Kampfes sein sollte!

Und hier stehen wir, mitten in dem blühendsten Weingarten des Rheingaus, an seiner gerühmtesten Stelle, mitten im Rüdesheimer Berg. Möge das Denkmal erstehen in welcher Gestalt und Form es wolle, hier wird es umduftet sein von den köstlichsten Rebenblüthen, den edelsten, die unser Vaterland hervorbringt, hier werden es die Geister jener Edeltraube umschweben, deren Erinnerung schon die Poesie weckt! Kein Garten der Welt kann diesem verglichen werden, kein schöneres Grün entsproßt der deutschen Erde, als die ewig frischen Thyrsusstäbe des rheinischen Gaues.

Und feiern wir denn mit dem Denkmal die Wiedererstehung des deutschen Reichs, so giebt uns das Land vor uns das schönste Bild der neu errungenen Einigung. Denn hier grenzten noch vor Kurzem drei deutsche Länder, Preußen, Nassau und Hessen, die jetzt vereinigt unter starkem Scepter jene Wiedererstehung mit deutlichen Zeichen predigen. Bis in die weiteste Ferne erblickt hier das Auge kein Stückchen Land und Fels mehr, das nicht seit jenem Kriege deutsch und nur deutsch wäre!

Und an dem Hügel wandelt ein hoher Schatten her,
Mit Schwert und Purpurmantel, die Krone von Golde schwer;
Das ist der Karl, der Kaiser, der mit gewalt’ger Hand
Vor vielen Hundert Jahren geherrscht im deutschen Land!

Bei Rüdesheim, da funkelt der Mond in’s Wasser hinein
Und baut eine goldene Brücke wohl über den grünen Rhein,
Der Kaiser geht hinüber und schreitet langsam fort
Und segnet längs dem Strome die Reben an jedem Ort.

Und hier, Angesichts all’ der deutschen Landesherrlichkeit, wird Emanuel Geibel’s Lied zur Wahrheit, wenn die Tausende, welche alljährlich über die rheinischen Berge dahinwandern, am Fuße des nationalen Denksteins

Füllen die Römer und trinken in gold’nem Saft
Sich deutsches Heldenfeuer und deutsche Heldenkraft!

Das deutsche Volk besitzt wenig nationale Denkmale im weiteren und allgemeineren Sinne, weniger als irgend ein anderes. In Paris erinnert uns jeder offene Platz an die Siege unserer Gegner über die deutschen Waffen. Das edelste und hehrste Denkmal für uns ist freilich wohl die Neugründung des deutschen Reiches selbst, und die Wiedererwerbung der Reichslande Elsaß und Lothringen; aber jene Hunderttausende, welche den „deutschesten Strom“ auf und ab im Laufe eines Jahres befahren, sie werden gerade hier gehobenen Herzens und Auges, in der schon an und für sich erhöhten Stimmung durch die Wirkung der herrlichen Landschaft, ihres Werthes als Deutsche sich bewußt, sie werden hier in jubelnder Freude hinaufschauen zu dem Altare der gemeinsamen Vaterlandsliebe. –

Sobald der Niederwald als bevorzugte Stelle für das Denkmal den Bewohnern des Rheines bezeichnet war, trat die Presse für und wider diese Idee auf, um endlich geklärt und nach allen Seiten geprüft die Meinungen in dem angedeuteten Sinne zu vereinigen. Der Niederrhein verzichtete auf die Bevorzugung des Drachenfels, der außerdem schon ein nationales Denkmal zur Erinnerung an die Jahre 1813 und 1814 besitzt, und in einer ersten Versammlung zu Köln wurden dem Denkmal schon nahe dreitausend Thaler durch sofortige Zeichnung zugewendet. Krupp in Essen brachte gleichzeitig der nationalen Idee die Summe von tausend Thalern dar. Die Aachener und Münchener Feuerversicherungsgesellschaft, die Darmstädter Bank, die Actiengesellschaft der hessischen Ludwigsbahn folgten mit bedeutenden Beiträgen. Jedes Städtlein, jedes Dörfchen am Rhein sammelte und gab mit offenen Händen und freudigem Herzen.

Concerte und Unterhaltungen wurden veranstaltet und manches Sümmchen häufte sich zum Grundstock für den gemeinsamen Zweck. Die Pfalz verzichtete gleichfalls hochherzig auf die Ausführung eines besonderen Denkmals auf den Höhen der Vogesen und stimmte dem gewählten Platze einstimmig zu, auch hierdurch ein Bild unserer nationalen Einigung bietend. In Hessen vertagte man die Sammlungen für das Ehrendenkmal der heimischen Truppen, um für das gemeinsame deutsche Unternehmen zu wirken. In Berlin, Frankfurt und in den Hansestädten, in Schleswig-Holstein, Oldenburg, Braunschweig, Carlsruhe, in Schlesien, in Baiern und Würtemberg, überall regt sich’s zur Förderung der gemeinsamen Idee. In Köln und Mainz waren an den beiden Sammelstellen schon Ende März je über fünftausend Thaler eingelaufen. Schon manches Scherflein ist der deutschen Vereinsbank in Frankfurt zugeflossen, welche als allgemeine Sammelstelle bestimmt worden ist, und daß unsere Idee auch bei den Deutschen im Auslande besten Anklang und beste Unterstützung findet, haben zuerst unsere braven Landsleute in Petersburg bewiesen, die bei dem Festessen zu Ehren des Geburtstages des deutschen Kaisers im Hôtel Demuth die Summe von siebenhundert Rubel gesammelt und eingeschickt haben.

Nachdem sich inzwischen ein geschäftsführender Ausschuß gebildet hatte, in welchem sich der Regierungspräsident Graf zu Eulenburg in Wiesbaden, v. Dachröden, Schloßhauptmann in Berlin, Forck, Landrath in Rüdesheim, Freiherr Franz v. Stauffenberg in München, Vicebürgermeister Dr. Stephani in Leipzig u. A. befinden, erschien ein „Aufruf an das deutsche Volk“ zur Mitbetheiligung an der gemeinsamen Aufgabe, welcher durch die gesammte deutsche Presse in wärmster Weise unterstützt wurde. Dieser Aufruf fand zu seiner Vertretung vor der Oeffentlichkeit hundertvierundvierzig Unterschriften, Namen von „gutem Klang im Lande“, die nicht nur alle deutschen Stammesglieder, sondern auch alle politischen Richtungen vertreten. Auch in dem Schöpfer unseres deutschen Einigungswerkes, dem Reichskanzler Fürsten v. Bismarck, hat die Idee der Gründung dieses National-Denkmals das wärmste Interesse erregt, und der Führer unserer siegreichen Heere, der deutsche Kaiser, zollte dem Projecte nach einem ihm in Ems im letzten Sommer gehaltenen Vortrage seinen größten Beifall.

In richtiger Würdigung der noch schwebenden Frage, ob dieses „National“-Denkmal zum Andenken an die jüngste sieg- und erfolgreiche Erhebung des deutschen Volkes und die Wiederaufrichtung des deutschen Reiches ein plastisches oder architektonisches oder eine Verbindung beider Kunstzweige werden solle, hat man es der freien Concurrenz aller deutschen Künstler überlassen, die Bestimmung des künstlerischen Charakters des Entwurfs selbst zu treffen. Es ist demnach jedem Gedanken, jeder Idee freier Raum gegeben.

Die Kosten des Denkmals, einschließlich der Aufstellung, sind auf zweihundertfünfzigtausend Thaler veranschlagt und zwar sollen alle Modelle, beziehungsweise Zeichnungen bis zum 1. September dieses Jahres nach Berlin eingeliefert werden. Wir müssen es uns versagen den Inhalt des Concurrenz-Ausschreibens hier wiederzugeben und dürfen umsomehr davon absehen, als sich zweifellos auch weiter die Gesammtpresse dieses Unternehmens in ausgedehnter Weise annehmen wird. Um allen Richtungen, allen Zweigen der verschiedenen Kunstgattungen indeß auch bei der Entscheidung gebührend gerecht zu werden, ist das Preisgericht über die Entwürfe aus folgenden Künstlern und Kunstkennern zusammengesetzt: Professor Drake in Berlin, Professor Eggers in Berlin, Professor Dr. Hähnel in Dresden, Professor Lübbe in Stuttgart, Oberbaurath Professor Schmidt in Wien, Oberhofbaurath Strack in Berlin und Professor Zumbusch in München.

Das Preisgericht hat bei seinem Spruch ebensowohl auf den absoluten Kunstwerth der Arbeiten, als auf die Angemessenheit und Ausführbarkeit derselben, nach Maßgabe des gesammten Programms, zu sehen. Als Preise sind dreitausend, eintausend und fünfhundert Thaler für die einzureichenden Entwürfe ausgesetzt. Sei es hier gestattet, auch im Voraus schon einem – vielleicht mit einigem Anschein von Recht – zu erhebenden Einwurfe zu begegnen. Der Gesammt-Kostenbetrag des Denkmals soll vorläufig die Summe von zweihundertfünfzigtausend Thalern nicht überschreiten, und leicht dürfte der Ansicht Raum gegeben werden, daß diese Summe ohne Schwierigkeit aus den Geldern der französischen Kriegsentschädigung entnommen, das heißt bewilligt werden könnte. Der Meinung des Gesammt-Comités entspricht diese Auffassung indessen und mit vollem Rechte, nicht. Das deutsche Volk selbst soll das Denkmal aufrichten und kein fremdes Geld soll und darf helfen, um an dem Denkstein zu bauen, der unsere staatliche Wiedergeburt verkündet. Bringe man Trophäen des letzten Krieges in dieser oder jener Gestalt an dem Monumente an, aber halte man fern von ihm, was nicht durch uns selbst dem nationalen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_315.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)