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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

No. 1.   1873.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



An unsere Leser.

Die erhöhten Lohnforderungen der Arbeiter aller Art und die enorme Steigerung der Papier- und Druckpreise (allein für Papier jährlich an 20,000 Thaler mehr) zwingen uns nunmehr auch den Preis der Gartenlaube zu erhöhen. Um unseren Lesern indeß zu beweisen, daß wir dabei nur der Nothwendigkeit weichen und kein „Geschäft“ beabsichtigen, beschränken wir diese Erhöhung auf

Einen Silbergroschen pro Quartal.

Wird das unsere Liebe stören?

Die Redaction und Verlagshandlung.




Glück auf!
Von E. Werner, Verfasser von „Ein Held der Feder“ und „Am Altar“.

Die Hauptkirche der Residenz war trotz der späten Nachmittagsstunde noch dicht gefüllt. Die Menge der Anwesenden und der reiche Blumenschmuck des Altars drinnen, sowie die lange Reihe wartender eleganter Equipagen draußen ließen darauf schließen, daß die Trauung, welche hier vollzogen werden sollte, auch in weiteren Kreisen Interesse und Theilnahme erregte. Die Haltung der Zuhörer war die gewöhnliche bei solchem Anlaß, wo die Heiligkeit des Ortes jede lautere Aeußerung der Neugierde oder Theilnahme verbietet, eine erwartungsvolle Unruhe, ein Flüstern und Zusammenstecken der Köpfe in einzelnen Gruppen, und eine gespannte Aufmerksamkeit für alles, was in der Nähe der Sacristei vorging, endlich ein allgemeines Ah! der Befriedigung, als die Thüren derselben geöffnet wurden und mit den ersten Tönen der Orgel, die jetzt einfielen, der Brautzug erschien.

Es war eine zahlreiche und glänzende Versammlung, die sich hier um den Altar und das Brautpaar gruppirte. Reiche Uniformen, schwere Sammet- und Atlasroben, duftiges Spitzengewebe, Blumen und Diamanten, das alles schimmerte, wogte und rauschte durcheinander, in einer wahrhaft blendenden Pracht. Die Geburts- und die Geldaristokratie schienen in ihren hauptsächlichsten Vertretern anwesend zu sein, um der Ceremonie einen erhöhten Glanz zu verleihen.

Zur Rechten der Braut, als der Erste unter den Gästen, stand ein hoher stattlicher Officier, dessen Uniform und dessen zahlreiche Orden auf eine längere militärische Laufbahn deuteten. Seine Haltung war einfach und würdevoll, der bevorstehenden Feierlichkeit angemessen, und doch schien es, als berge sich hinter dem Ernste dieser Züge etwas, das nicht zu dem frohen Anlaß passen wollte. Es war ein eigenthümlich düsterer Blick, der auf dem Brautpaar ruhte, und als er, sich von diesem abwendend, die dicht gefüllte Kirche streifte, da zuckte es wie unterdrückter Schmerz oder Zorn durch die stolzen Züge, und die festgeschlossenen Lippen zitterten leise.

Ihm gegenüber, in unmittelbarer Nähe des Bräutigams, stand ein anderer Herr in Civiltracht, gleichfalls schon in vorgerücktem Alter, gleichfalls, wie es schien, zum nächsten Verwandtenkreise gehörig, aber weder die Brillantenverschwendung, die er in Uhr, Ringen und Tuchnadeln zur Schau trug, noch die ungeheuer selbstbewußte Haltung vermochten ihm auch nur einen Schimmer jener Vornehmheit zu geben, die sein Gegenüber in so hohem Maße besaß. Die ganze Erscheinung war entschieden gewöhnlich, um nicht zu sagen gemein, und selbst der Ausdruck unverhohlenen Triumphes, der jetzt darauf lag, war nicht im Stande, ihr ein anderes Gepräge zu geben. Es war in der That ein unendlicher Triumph, mit dem er das Brautpaar betrachtete und dann auf die glänzende Versammlung, auf die dicht besetzten Reihen der Kirchstühle schaute, eine Genugthuung, mit der man die Erreichung eines langerstrebten Zieles begrüßt und empfindet; ihm trübte sicher kein Schatten die Freude an der bevorstehenden Festlichkeit.

Diese beiden Männer schienen aber auch die einzigen zu sein, die ihr ein tieferes Interesse widmeten, das Brautpaar zum Mindesten that es nicht. Der fremdeste, unbetheiligtste der Gäste hätte keine vollendetere Gleichgültigkeit bei dem feierlichen Act zur Schau tragen können, als diese beiden Menschen, die in wenig Minuten einander für immer angehören sollten. Die etwa neunzehnjährige Braut war unleugbar ein schönes Mädchen, aber es wehte etwas wie ein eisiger Hauch um sie her, der wenig zu dem Ort und der Stunde paßte. Das Licht der Altarkerzen spielte in den schweren Falten des weißen Atlasgewandes, es blitzte in den Diamanten des kostbaren Schmuckes, aber es fiel auf ein Antlitz, das mit der Schönheit des Marmors auch dessen ganze Kälte und Starrheit empfangen zu haben schien, wenigstens für diese Stunde, die doch sonst selbst die kälteste Ruhe zu beleben pflegt. Das Aschblond der schweren Flechten, in denen der Myrthenkranz lag, contrastirte seltsam mit den dunklen Augenbrauen und den dunklen, fast schwarzen Augen, die sie kaum ein- oder zweimal während der ganzen Ceremonie zu dem Geistlichen emporhob. Das regelmäßige, etwas bleiche Gesicht, an dessen Seiten der Brautschleier niederfloß, trug den Ausdruck jener Vornehmheit, die wohl angeboren, aber nicht anerzogen werden kann. Vornehmheit war überhaupt das vorherrschende Element in dieser Erscheinung, sie verrieth sich nicht blos in den zart und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_001.JPG&oldid=- (Version vom 28.5.2018)