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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Das amerikanische Sturmsignalcorps. Vor zwei Jahren bewilligte der Vereinigte-Staaten-Congreß die nöthigen Gelder zur Gründung eines Sturmsignalcorps, dessen Aufgabe es sein soll, dem Schiffer zeitige Kunde von nahenden Stürmen zu geben. Um die hier nöthige Disciplin in Anwendung zu bringen, wurde das Corps unter die Controle des Kriegsministeriums gestellt. Zum Chef wurde Albert J. Myer ernannt.

Schon nach kurzer Zeit erwies sich diese Anstalt auch dem Landmanne von Nutzen; denn nicht nur Stürme, sondern auch Regen, Schnee und Frost werden jetzt mit großer Genauigkeit vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden im Voraus prophezeit. Das Ganze beruht auf folgendem Plane: Ueber das weitläufige Gebiet der Vereinigten Staaten liegen die meteorologischen Stationen, fünfundsechszig an der Zahl, zerstreut; vorzugsweise in den größeren Städten. Jede Station steht in telegraphischer Verbindung mit Washington, der Centralstation. Von allen diesen Stationen werden drei Mal täglich (alle im selben Momente) Berichte über den Stand der Instrumente und den Charakter des Wetters per Telegraph nach Washington gesandt; aus diesem Material werden dann die Prophezeiungen componirt und zwei Mal täglich an die Presse im ganzen Lande geliefert. Außerdem werden täglich Karten gedruckt, auf welchen man mit einem Blicke die Beschaffenheit des Wetters übersieht. Beim Anzuge heftiger Stürme wird der Seefahrer durch Signale gewarnt, welche längs den Küsten aufgehißt werden; dieselben bestehen aus rothen Fahnen mit schwarzem Centrum am Tage, und rothen Lichtern in der Nacht.

Jede Station ist mit den folgenden Instrumenten versehen: ein Barometer, ein Thermometer, zwei registrirende Thermometer, ein Hygrometer (Feuchtigkeits-, oder Nässemesser), ein Anemometer (Windmesser), ein Anemoskop (Windweiser), ein Regenmesser und eine Windfahne. Das Observatorium befindet sich gewöhnlich auf dem Dache irgend eines günstig gelegenen Gebäudes und wird von einem Beobachter und einem Assistenten besetzt; Ersterer bekleidet den Rang eines Sergeanten. Die Sergeanten, welche eine gewöhnliche Schulbildung besitzen müssen, werden, ehe sie diesen Dienst antreten, in Fort Whipple im Gebrauche der Instrumente etc. unterrichtet. Wenn sie sich nun nach einer zweiten Examination als fähig bewiesen, wandern sie nach ihren Posten, um in manchen Fällen ein monotones Einsiedlerleben zu führen; z. B. auf dem sechstausendzweihundertneunzig Fuß hohen Mount Washington, wo das Thermometer zuweilen -35 Grad Kälte zeigt, oder in den Wildnissen des fernen Westens. Ihr Jahresgehalt beträgt nur achthundertsiebenundfünfzig Dollars.

Der praktische Geist der Amerikaner hat der Meteorologie, durch nützliche Anwendung derselben, in diesem Lande mehr Popularität zugewandt, als dieses in Europa heute der Fall ist; obgleich die europäischen Systeme älter als das amerikanische sind. Die Formation und Ausdehnung des Landes trägt aber auch wesentlich zur günstigen Entwicklung der Witterungskenntniß bei, denn fast alle Störungen im Luftmeere schreiten von West nach Ost vorwärts und gebrauchen oft drei bis vier Tage, um die Tausende von Meilen zu durchreisen, welche die telegraphische Warnung in eben so vielen Minuten durcheilt.

Die Gebäulichkeiten der Hauptstation in Washington zeichnen sich durch echt republikanische Einfachheit aus. Das Ganze besteht aus weiter nichts als einem kleinen Hause, zwei Stockwerke hoch, welches vormals als eine Privatwohnung gedient hatte. Beim Eintreten gewahrt man zwei Unterofficiere und einen Assistenten mit Schreibereien beschäftigt; in einer Ecke steht der Telegraphenapparat, welcher unaufhörlich Depeschen aus den entferntesten Gegenden auf einen sich entwickelnden Papierstreifen druckt. Eine Seitenthür öffnend, tritt man in ein ähnliches, aber noch kleineres Gemach: einige Landkarten an den Wänden, verschiedene Bücher und ein paar altersschwache Stühle bilden so ziemlich die ganze Einrichtung. An einem kleinen Pulte sitzt der „Chief Signal Officer of the Army“. General Myer, der das ganze Signal-Departement der Armee unter sich hat. Kurz, aber höflich werden hier alle Besucher abgefertigt. Im oberen Stockwerke, wo die schon vorher beschriebenen Instrumente aufgestellt sind, befinden sich die Professoren Abbe und Maury, welche das wissenschaftliche Material liefern.




Warum Bockbier? Da uns hierüber mehrere Fragen und Antworten eingegangen sind, so scheint der Gegenstand wohl Interesse genug für eine öffentliche Behandlung zu haben. Veranlaßt ist die Frage nach dem Ursprunge der Bezeichnung Bock für das berühmte Maibier des königlichen Hofbrauhauses zu München allerdings durch die Gartenlaube selbst in ihrem Bockstall-Artikel von Nr. 15 des Jahrgangs 1872.

Man hat darüber Allerlei zusammengefabelt. Namentlich citirt man häufig den englischen Lord, dem das Münchener Bier zu leicht gewesen und dem zu Liebe der Brauer einen so kräftigen Trunk gebraut haben soll, daß er davon trunken ward und hinfiel. Auf die Frage, was ihm geschehen sei, antwortete er: „Ein Bock hat mich gestoßen.“

Dieser gemachten Geschichte gegenüber, giebt die deutsche Sprachwissenschaft eine ganz andere, aber sehr einfache Erklärung. Die Bibel der Dialektforscher, Schmeller’s bairisches Wörterbuch, sagt nämlich, daß dieses starke Bier ursprünglich Eimbeckisches Bier war und hieß. Im Reichsarchiv zu München findet sich noch eine herzogliche Vollmacht, im März 1553 ausgestellt auf einen Erfurter Bürger zum Transport „von 2 Wagenschwer Ainpeckhisch Bier“, d. h. aus Eimbeck in Hannover, das im fünfzehnten Jahrhundert die höchste Blüthe seiner Brauereien erlebte, nach München oder Landshut. Auch in einer Münchener Hofrechnung von 1574 kommt „Einbeckisch Bier, so die Nürnberger dem gnädigen Herrn geliefert“, vor. Es ist nun leicht begreiflich, daß, bei der Lust des Volkes, jedem ihm fremden Ausdruck eine Form zu geben, die einen handgreiflichen Sinn hat, die Umwandlung von Eimbeck in „Eimbock“, „Einbock“ und endlich in „ein Bock“ und einfach „Bock“ geschehen konnte. Diese volksmäßige Umformung ist indeß schon ein paar Jahrhunderte alt, denn in der Land- und Polizei-Ordnung von 1616 ist von einem Bock-Meet die Rede, welcher „nicht anders als zur Nothdurft der Kranken gesotten werden sollte.“ Natürlich ging der Name Bock für das stärkende Getränk später, als die fürstliche Hofbrauerei ihr Privilegium, so starkes Bier allein herzustellen, in Ausübung brachte, auf den heimischen Labetrunk über. Das Gegenstück zum Bock bildete die besonders aus den Brauhäusern der Jesuiten hervorgegangene, etwas schwächer gebraute und darum sanftmüthigere Gaiß.




Eine sprachliche Unart. Es sind namentlich unsere österreichischen Freunde von der Feder, von welchen wir z. B. Folgendes lesen: „Clara und Cäcilie sitzen am Sopha.“ – Wo sitzen sie nun eigentlich? – „Der Graf fuhr am See?“ – Wo fuhr er da? – „Der Mann stand am Berge.“ – Wo stand er da? Ist es nicht unartig, uns in solcher Ungewißheit zu lassen? Dieses „am“ ist eine Eigenthümlichkeit der österreichischen Schriftsprache, aber keine berechtigte; es entstand aus der Zusammenschleifung von auf dem, aufm, aum, am. Am kann aber nie etwas Anderes bedeuten, als an dem, und ebendarum drücken obige Beispiele alle das Gegentheil von dem aus, was sie bezeichnen wollen. Clara und Cäcilie sitzen an dem Sopha, also daneben. Der Graf fuhr an dem See, folglich auf dem Lande, das Ufer entlang. Der Mann stand an dem Berge, also am Fuße oder Abhange, aber noch lange nicht auf dem Berge. Wir sind wohl zu der Bitte berechtigt, der deutschen Sprache und ihrer Correctheit und Klarheit zu Liebe diese Unart abzuschaffen.




Briefkasten.

K. L. in L. Ihre Ansichten über Pflichten und Leistungen eines Redacteurs fußen auf Voraussetzungen, die an sich schon irrige sind. Man kann nicht gleichzeitig Wöchnerin und Geburtshelfer sein, mit andern Worten, man kann nicht schaffen, dichten und produciren, wo es gilt das Material eines größern Journals aus allen Theilen der gebildeten Welt herbeizuziehen, zu sichten und in Einklang mit den Anforderungen eines guten Geschmacks und der Tendenzen zu bringen, die das Journal vertritt. In den meisten Fällen hört mit der Uebernahme einer bedeutenden Zeitung oder einer größern Wochenschrift für den schaffenden Schriftsteller die Möglichkeit auf, noch weiter in geschlossenen Productionen vor die Oeffentlichkeit zu treten, oder seine schriftstellerische Thätigkeit beschränkt sich dann lediglich auf redactionelle Kleinigkeiten, auf Notizen, Milderungen, Correcturen etc., die sich meist nicht mehr mit dem Namen literarische Leistungen bezeichnen lassen. Aus der schimmernden beseligenden Welt lebendigen Schaffens und Dichtens tritt er in die enge Kammer der Verwaltung, des Prüfens, der kalten Kritik. Fortan hat er nur eine Aufgabe zu lösen: mit unausgesetzter Aufmerksamkeit die Zeit und deren Bedürfnisse zu erforschen und zeitig zu erfassen, seine mit Verständniß gewählten Mitarbeiter anregend durch Wort und That für seinen Ideengang zu gewinnen und für seine Zwecke zu begeistern und im Verein mit diesen tüchtigen Kräften ein harmonisches Zusammenwirken zu erzielen, das die Massen zu sich heranzieht, aber nicht zu ihnen und ihren zufälligen Wünschen herabsteigt. Wo dieses Zusammenwirken, dieses kalte parteilose Prüfen und die eiserne Disciplin des Leitenden fehlen, wird das Ganze ein Sammelsurium bleiben, ohne Gepräge und Einfluß, das rasch wieder zusammenbricht. – Denn ebenso wenig die Beiträge eines guten Autors – und wenn er Gold schriftete und Silber leitartikelte – den Aufschwung eines Journals bewirken können, so wenig nützen alle Reclamen und Lobposaunen, wenn der Redacteur in seiner fieberhaften Thätigkeit nachläßt oder in der Wahl seiner Mitarbeiter Ungeschicklichkeiten und Fehler begeht, die das einheitliche Wirken seines Organs vernichten.

Ein derartiges Grübeln, Suchen, Sichten und Anregen, diese ewigen, mit jedem Tage neu beginnenden, unausgesetzten und aufreibenden Hetzjagden absorbiren aber mehr noch die geistigen Kräfte als das behagliche, befriedigende Dichten und Schaffen. Des Tages Hitze und Mühen lassen stets eine Erschlaffung zurück, die sich selten noch zu poetischen Stimmungen und zur Lust am Fabuliren und Produciren aufzuraffen vermag. Der denkende Redacteur, der seine Aufgabe begreift und nicht schon in der Correctur zufällig eingegangener Beiträge erfüllt sieht, legt deshalb auch die schaffende Feder, die unmöglich zweien Herren gleich gut dienen kann, aus der Hand und überläßt Erfolge und Lorbeeren seinen Mitarbeitern, deren gedruckt vorliegende Leistungen die Lesewelt entzücken und begeistern. Er selbst hat sich mit dem Bewußtsein zu begnügen, durch seine nie ruhende, ordnende Hand ein Material herbeigeschafft zu haben, das in Wahl und Zusammensetzung überall hin gute Saat auf die Fluren deutschen Culturlebens streut und nach allen Seiten belehrt, anregt, erhebt und bildet. Der Lesewelt gegenüber ist selbstverständlich seine Leistung eine untergeordnete. Denn diese erkennt in der vorliegenden Nummer niemals die Arbeit und die mit großen Mühen beseitigten Schwierigkeiten der Herstellung, sie fühlt es dem glatten eleganten Artikel nicht an, daß hie und da der Rothstift des Leitenden die Ecken und Langweiligkeiten des Beitrags beseitigen mußte, und weiß nicht, daß viele Ideen der gelesensten Artikel zuvor in dem gemarterten Hirn des Redacteurs geboren wurden, der noch sinnt und grübelt, wenn jeder andere Arbeiter sich der Behaglichkeit seiner vier Wände hingiebt.

Vorausgesetzt, daß das Hirn eines solchen Pioniers der Ideenwelt zufällig auf längere Jahre diesen Selbstverbrennungsproceß aushält, und daß wirklich Geist und Körper so viel Elasticität besitzen, diese mit jedem Tage wiederkehrende Herculesarbeit auf lange Zeit zu bewältigen, so kann es nur auf Kosten seiner geistigen Spannkraft geschehen, auf Kosten seines Gemüths- und Familienlebens, seiner innern Ruhe und Behaglichkeit. Der ewige Kampf in der Arena der Oeffentlichkeit zerstört nachhaltig und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_019.JPG&oldid=- (Version vom 5.3.2021)