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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

geben und las beim Hacken der Gartenpflanzen sorgfältig neben mir die Würmer auf. Hierbei hatte er sein mitgebrachtes Weibchen, einen sehr scheuen Vogel – das alte war jedenfalls auf der Reise verloren gegangen – ganz vergessen, weshalb er andern Tags eine große Tour machen mußte, um es wieder aufzusuchen. Da sich indessen das Weibchen durchaus nicht an die Nähe der Menschen gewöhnen wollte und der zahme Staar somit seine Touren täglich wiederholen mußte, so entschloß ich mich, ihm ein anderes und zwar ein zahmes Weibchen zu geben. Nach einigen Tagen, während welcher sich beide Vögel im Zimmer aneinander gewöhnt hatten, that ich sie in den Garten, woselbst sie auch sogleich ihr Nest bauten (das wilde Weibchen war inzwischen für immer abgezogen) und nach kurzer Zeit auch brüteten.

Der alte Staar machte sich die Fütterung der Brut dadurch sehr leicht, daß er zu mir kam, sein Lied sang und den dafür erhaltenen Lohn seinen Jungen zutrug. Bei solcher Fütterung kam es indessen plötzlich zwischen den beiden Alten zu einem heftigen Streit. Das Männchen, welches noch immer am Fuße etwas lahm war, hatte beim Einsteigen in den Nistkasten das Nest etwas verletzt, worüber das Weibchen so ungehalten wurde, daß es dem Herrn Gemahl einige Schläge mit den Flügeln gab. Nach diesem Streite verschwand ganz plötzlich mein treuer Gefährte, und da er nach acht Tagen noch nicht wieder zurückgekehrt war, so hielt ich ihn für verunglückt. Wie groß aber war meine Freude, als sich plötzlich der Schwergekränkte wieder einfand, ohne freilich vom Weibchen und von den Jungen Notiz zu nehmen. Da mir der traurige, einsame Vater leid that, so nahm ich die jungen Vögel dem Weibchen ganz weg und gab sie dem Vater zur Pflege, worüber sich dieser so freute, daß er, zum erstenmale nach dem Streit, sogleich wieder zu singen anfing und die Jungen sodann mit wahrhaft väterlicher Sorgfalt großzog. Das Weibchen durfte aber nicht in seine Nähe kommen und noch jetzt ist die Spannung mit demselben nicht ganz überwunden.

Damit dieser merkwürdige Staar nicht etwa auf dem Zuge nach dem Süden, wo leider noch so viele durch Menschenhände ihren Tod finden, verunglücken möchte, behielt ich ihn mit seiner kleinen Xanthippe in meiner Stube zurück, wo er mich durch seinen mannigfaltigen, auf Commando zum Besten gegebenen Gesang, der aus der Nachahmung des Pirols, des Frosches, der Ziege und vieler anderer Thiere besteht; sehr angenehm unterhält.

Diese schmucklos geschilderte Episode aus dem Leben eines Staars zeigt zur Genüge, wie reich bewegt durch Schicksale und Affecte der verschiedensten Art selbst das Leben eines so winzigen Geschöpfs zu sein vermag, wobei wir noch immer bedenken müssen, daß wir doch nur einen sehr kleinen Theil der thierischen Empfindungen zu belauschen vermögen. Könnten wir es fassen, was in der Gemüthswelt der kleinen befiederten Freunde vorgehen mag, wenn jene dunkle, geheimnißvolle Wanderlust, die unwiderstehliche Sehnsucht nach Licht und Wärme, sich geltend macht, und könnten wir sie dann auf jener gefahrvollen Reise beobachten – was gäbe es dann erst zu erzählen!

Clingen.

S. Schneidewind, Oberamtmann.




Zum Bild und Gedicht von der Wartburg. (Seite 353.) Unsere Illustration stellt den inneren Thorgang der Burg mit seiner Umgebung dar, zur Rechten ein Stück der „Letzen“, des überdachten Vertheidigungsganges auf hoher Mauer, der den Burgfried mit dem Thor- und Ritterhaus verbindet, und zur Linken dieses selbst, im Volk berühmter als „Lutherhaus“. Die „Gartenlaube“ hat zwar auch das Geschichtliche der Burg in verschiedenen Artikeln behandelt; um aber dem Leser das Nachschlagen zu ersparen, fügen wir alles zum Verständniß des Gedichtes Nöthigste gedrängt hier an: Das Thüringische Königshaus ging 528 mit Hermanfried zu Grunde: Burg-Scheidungen an der Unstrut sah den letzten Kampf. Kaiser Konrad schuf die neue „Grafschaft“ Thüringen mit dem Löwenwappen um 1048; die Gründung der Wartburg geschah 1067. Den Beinamen „der Springer“ erhielt Ludwig allerdings erst in Folge seiner angeblichen Flucht vom Giebichenstein. Die Sage vom Landgrafen Ludwig, der aus einem Schwachen ein Eiserner ward, nachdem der Ruhlaer Schmied ihm sein „Landgraf, werde hart!“ zugerufen, ist allbekannt. Dieser und sein Sohn Ludwig der Milde waren ihrem Vetter, dem Kaiser Friedrich Barbarossa, auf dessen Kriegs- und Kreuzzügen gegen die heidnischen Polen und in’s Gelobte Land gefolgt; Letzterer starb auf Cypern 1190. Der poetische Wartburgkrieg zwischen den berühmtesten Minnesängern jener Zeit fand unter dem Landgrafen Hermann dem Ersten und seiner Gemahlin Sophie 1206 und 1207 statt. – Die Kaiserkriege zwischen Hohenstaufen und Welfen hatten auch Thüringen verwüstet, ehe Ludwig der Dritte die ungarische Königstochter Elisabeth auf die Wartburg brachte, die wegen ihrer Frömmigkeit und Wohlthätigkeit nachmals heilig gesprochen worden ist. Die Legende erzählt: „Als Elisabeth einstmals nach Eisenach ging und unter ihrem faltigen Gewand einen Korb mit Brod trug, um es den Armen zu spenden, trat ihr der Landgraf mit der barschen Frage entgegen: Was birgst Du unter dem Mantel? Erschrocken antwortete Elisabeth: Ich trage Blumen zur Stadt. Und siehe, als sie auf Ludwig’s Begehren den Mantel zurückschlägt, duften ihm frische Rosen entgegen.“ – Ludwig folgte dem Kaiser Friedrich dem Zweiten 1227 zum Kreuzzug und starb in Otranto. Sein Bruder Heinrich Raspe, zum Vormund bestellt, stieß Elisabeth mit ihren Kindern in’s Elend, riß ihr Erbe an sich, ließ sich von der Clerisei zum Gegenkönig gegen den gebannten Kaiser krönen und fiel 1247 in der Schlacht gegen ihn, trotzdem der Papst Jedem einen zweijährigen Ablaß verhieß, der für denselben beten würde. Das ist heute über sechshundertsechsundzwanzig Jahre her, und seitdem sind Millionen noch keinen Schritt weiter von dem alten Wahn gekommen. –

„Die Blide ward der Treue Lohn.“ Mit Raspe war der Mannsstamm der Thüringer Landgrafen ausgestorben. In dem Erbfolgekriege hielt das Volk, voran die Stadt Eisenach, zu den Nachkommen der heiligen Elisabeth gegen Heinrich den Erlauchten von Meißen, der die Wartburg behauptete. Da ward der Rathsherr Heinrich von Velsbach im Kampfe gefangen und mittelst einer Wurfmaschine (Blide) von der Burg geschleudert. Noch in der Luft fliegend soll er ausgerufen haben: „Das Land ist doch dem Kinde von Brabant!“ An der Stelle, wo er niederfiel und den Geist aufgab, steht am steilen Rasengehänge ein schiefer Stein. – „Der Gebissene, Friedrich, Sohn Albrecht’s des Entarteten und Margarethens, der Tochter Kaiser Friedrich’s des Zweiten, die, um der Mörderhand ihres Gemahls zu entgehen, mittelst einer Strickleiter aus der Wartburg entfloh, nachdem sie im Mutterschmerz beim Scheiden von ihren drei Söhnchen Friedrich in die Wange gebissen. Danach sein Beiname in der Geschichte und der ihn verherrlichenden Sage und Poesie. Unter seinem Sohne Friedrich dem Ernsthaften gedieh Thüringen zu seiner höchsten Macht. Der letzte Landgraf, der auf der Wartburg wohnte und 1406 starb, war Balthasar. Sein Nachfolger, Friedrich der Einfältige, starb 1440 in Weißensee. Es folgten die Wettiner, die längst andere Fürstensitze besaßen. Martin Luther verweilte aus der Wartburg vom 4. Mai 1521 bis zum 3. Mai 1522. Die 1815 von den zum großen Theil aus den Befreiungskriegen heimgekehrten Studenten in Jena gegründete deutsche Burschenschaft erhielt auf der Wartburg 1817 ihre Weihe; der kleine Rest der Greise feierte mit einigen Hundert Bundesgenossen alle späteren Jahrgänge des Wartburgfest-Jubiläums am 18. October 1867. Schon drei Jahre später ging der große Traum ihrer Jugend und der Wunsch ihren Lebens in Erfüllung. Niemand hat das ungeheure Erlebniß so verdient, wie sie, und so gewürdigt.

Fr. Hfm.

Dichterleid. Wenn das Schicksal mit harter Hand in das Privatleben einen Mannes greift, dessen Wirken der Oeffentlichkeit angehört, so darf wohl auch die öffentliche Theilnahme für einen solchen in Anspruch genommen werden. Dies müssen wir heute auf einen alten treuen Mitarbeiter der Gartenlaube beziehen, auf Albert Traeger, dem nach kurzer glücklicher Ehe, kurz nach dem Verlust seines einzigen Söhnchens, nun auch die junge Gattin durch den Tod geraubt wurde. Erst einunddreißig Jahre alt, starb zu Cölleda Frau Caroline Traeger, geborne Ritter, an einer Lungenentzündung am 17. Mai d. J. Möge die Theilnahme der Vielen, die den schwer Betroffenen als Dichter verehren, ihm den Gatten- und Vaterschmerz mildern!

Die Redaction.


Kleiner Briefkasten.


F. in Speyer. Ob wir die Verleumder nicht heimschicken werden? Lieber Herr, ist Ihnen wirklich der Raum der Gartenlaube so gleichgültig, der dabei unnütz verschwendet würde? Welches Kartätschenfeuer von versteckten und offenen Anklagen haben seit langen Jahren nicht der Neid, der Unverstand, der Priester, der katholische wie der protestantische, der Geheimmittelfabrikant wie der Kreuzritter gegen uns in die Oeffentlichkeit geschleudert, soweit ihnen die kleinen ultramontanen und feudalen Wochenblättchen und Zeitungen zu Gebote standen! Dürfen wir uns doch rühmen, das bestverleumdete Blatt in Deutschland zu sein. Da soll unser ganzen Redactionspersonal aus „ungläubigen Judenjungen“ bestehen, denen es besser wäre, man hinge ihnen einen Mühlstein an den Hals und ersäufte sie, da wo es am tiefsten sei; da soll die Gartenlaube erst an Oesterreich und später an Preußen verkauft sein; da werden grausige Geschichten erzählt von armen Schriftstellern oder von Haupt-Mitarbeitern der Gartenlaube, die das Blatt eigentlich gegründet hätten und dann verhungert wären, während der Verleger im Ueberflusse schwelge und das Geld verprasse; da werden Briefe fabricirt und in die Oeffentlichkeit gebracht, die wir niemals geschrieben haben; da wird unter frommen Augenverdrehungen versichert, die Gartenlaube nehme nur Mitarbeiter an, die auf den Barrikaden gestanden oder längst aus der Kirche gestoßen wären; da wird auf den Kanzeln gegen uns gepredigt, auf katholischen wie protestantischen, und mit sittlicher Empörung darauf hingewiesen, mit welcher raffinirten Bosheit die Gartenlaube die Religion untergrabe, den verwerflichen Materialismus predige und das Gemüth der einfältigen Gläubigen vergifte. Von all Diesem und noch viel Schlimmerem können wir Sie durch Hunderte von Blättern und Belegen überzeugen, die seit langen Jahren von uns gesammelt und mit Lächeln still bei Seite gelegt wurden. Sollen wir nach alledem wirklich den Raum unserer Zeitschrift mit Aufzählung der Verbrechen verschwenden, die der Gartenlaube von dieser Sorte von Feinden, dieser Mischung von Bosheit, Lüge, Neid und schäumendem Fanatismus aufgebürdet werden? Nicht doch – prüfen Sie die Gartenlaube und unsere journalistische Wirksamkeit mit ruhiger Ueberlegung und fragen Sie sich dann selbst, ob es der Mühe lohnt, diesen scandalsüchtigen Entstellungen von Thatsachen, diesen mehr oder weniger lächerlichen Lug- und Trugbündnissen auch nur mit einem Worte entgegenzutreten. Selbst polizeiliche Hülfe wäre hier Verschwendung!

A. Z. in Bremen. Sie haben eine der neuen rosenrothen Doppelpostkarten (Gartenlaube, Nr. 7) benutzt, um eine Frage an einen Geschäftsfreund zu richten; dieser hat aber nicht kartographisch, sondern brieflich geantwortet, und zwar in gereiztem Tone, weil er eine „Verletzung der hergebrachten Form“ darin gesehen. Trösten Sie sich! Alles Neue, wenn es keine absurde Pariser Mode, sondern etwas wirklich Zweckmäßiges ist, stößt anfangs auf Widerstand und bürgert sich erst allmählich ein. Mittlerweile kann ja übrigens in Fällen, wo man derlei Empfindlichkeiten befürchtet, für die Anfrage der alte briefliche Weg gewählt und nur eine mit Adresse versehene und frankirte einsame Postkarte für die Antwort eingelegt werden. Der Hauptvortheil, den Adressaten zu einer raschen, kurzhändigen Antwort zu bewegen, wird ja so nicht minder erreicht.

Arthur Michelis.

H. B. in Bremen. Recht talentvoll, aber zum Abdruck ungeeignet.

F. A. B. in St. Nicht zu verwenden. Zeichnung und Text stehen zu Ihrer Verfügung.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_366.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)