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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


des Erfinders. Auch der Umstand, daß die Maschine, nachdem sie einige Tage dem Publicum sichtbar gewesen, in Folge einer Beschädigung zeitweilig unbrauchbar wurde, war nur geeignet die hauptsächlich durch den gewählten Namen eines Perpetuum mobile hervorgerufene ungünstige Ansicht über den Werth der Maschine zu bestätigen. Man sagte sich, daß jede Kraft, welche eine Maschine treibt, über kurz oder lang erneuert werden muß, daß die Uhr z. B. nur so lange gehen kann, wie die Gewichte nicht abgelaufen oder die Feder ihre Spannung nicht verloren hat, man sagte sich, daß die Reibung, die Abnutzung des Materials eine ewige Bewegung nicht gestatten, daß also auf Erden wenigstens ein Perpetuum mobile im eigentlichen Sinne des Wortes ein Unsinn und eine Unmöglichkeit sei.

Es ist wohl möglich, daß der Erfinder, Herr Horstmann, von diesen sehr wichtigen Ansichten der Gelehrten nichts gewußt hat, denn vor etwa vierzehn Tagen stellte er sein reparirtes und verbessertes Werk zum zweiten Male dem Publicum zur Besichtigung aus. Das Publicum kam, und Horstmann siegte, denn die Maschine bewegte sich, bewegte sich mit einer geradezu verzweifelten Regelmäßigkeit. Da gab es nichts von bewegender Dampf-, Gas-, Wasser-, Pferde- oder Menschenkraft, aber die Maschine bewegte sich. Da waren auch, wie eine genaue Untersuchung ergab, keine magnetischen, elektrischen oder chemischen Kräfte, und die Maschine bewegte sich doch.

Das Ding machte bei dem ersten Anblicke fast einen unheimlichen Eindruck, da wohl alle Besucher die Bewegung sahen, die wenigsten aber sofort die Ursache dieser Bewegung begreifen konnten. Ja hätte das Werk noch zu Anfang einen tüchtigen Stoß erhalten! Aber nichts von alledem. Ein Stellrad, welches mit einem Gewinde verbunden ist, wird gedreht, und die Maschine bewegt sich; die Achsen drehen sich, die schiefe Ebene rotirt, die Balanciers sausen. So arbeitet das Werk, sich selbst überlassen, mit der größten Regelmäßigkeit und ziemlicher Geschwindigkeit so lange, bis man das Stellrad wieder in seine alte Lage zurückdreht. Eine solche Leistung hatte Niemand erwartet. Das anfängliche Mißtrauen wich freudiger Ueberraschung und begeisterter Anerkennung. Hoch und Niedrig, Gebildete und Ungebildete, Techniker und Laien wallfahrteten alsbald zu den bescheidenen Räumen in der Vorstadt Neumarkt, wo das Wunder zu sehen war. Ob Perpetuum mobile oder nicht, ein Mobile war es sicher, welches in kurzer Zeit die Bevölkerung Merseburgs, ja selbst die Nachbarstädte mobil machte.

Leider erlaubt es die Rücksicht auf den § 2 des Patentgesetzes nicht, dem Publicum der „Gartenlaube“ eine genauere und durch Abbildung unterstützte Beschreibung der Horstmann’schen Maschine vorzuführen. Das Interesse des mittellosen Erfinders, die Befürchtung, ihn muthwillig um die Früchte seiner achtzehnjährigen angestrengten Arbeit zu bringen, zwingen uns zur Vorsicht. Nur soviel glauben wir verrathen zu dürfen, daß die treibende Kraft des Ganzen die Schwerkraft ist. Zwei ungleicharmige Hebel, die den obersten Theil der Maschine bilden ruhen auf Unterstützungspunkten, welche durch das vorhin erwähnte Gewinde verschiebbar sind, sodaß die Hebelarme der Kraft nach Belieben verlängert und verkürzt werden können. Die Hebelarme der Last sind auf besondere Weise mit einer senkrechten Welle verbunden. Soll das Werk sich in Bewegung setzen, so werden durch Drehung der Winde die Unterstützungspunkte der Hebel verschoben, somit die Hebelarme der Kraft verlängert, wodurch die Wirkung der daran hängenden Gewichte verstärkt, und folglich nach den gewöhnlichen Gesetzen des Hebels die an den kürzeren Hebelarmen sitzende senkrechte Welle gehoben wird. Sofort beginnt das Werk, das von dem Augenblicke an, wo die Unterstützungspunkte der Hebel hinreichend verschoben sind, sich selbst überlassen bleibt, sich zu bewegen. Werden aber die Unterstützungspunkte der Hebel nicht weiter verschoben, so müssen natürlich die Gewichte stets denselben Druck, also auch die gleiche Wirkung ausüben. Wie nun Horstmann diesen sich stets gleichbleibenden Zug der senkrechten Welle nach oben mit Hülfe zweier anderer Wellen, schiefer Ebene etc. in eine gleichmäßig-drehende Bewegung verwandelt, das ist eben vorläufig noch sein Geheimniß, welches wir, so lange die Erfindung nicht patentirt ist, nicht mittheilen dürfen. Nur so viel sei gesagt, daß das Mittel ein ebenso ingeniöses, als einfaches ist – das Ei des Columbus! –

Nach Angabe des Erfinders soll die Maschine, die gewöhnlich fünfundvierzig Umdrehungen in der Minute macht, in ihrem jetzigen Zustande zwei Pferdekräfte besitzen. Wir halten diese Angabe für zu hoch. Doch mögen das die Techniker entscheiden, mögen sie untersuchen wie sich das Werk für den Betrieb von Drehbänken, Dreschmaschinen, Göpelwerken etc. eignet, oder ob es gar die Dampfkraft völlig zu ersetzen vermag. Für uns genügt es, daß der Apparat, allein durch die Schwerkraft getrieben, geht, daß selbst in längeren Zeiträumen seine Geschwindigkeit sich nicht verringert.

Gewiß ist die von Herrn Horstmann – beiläufig gesagt, einem einfachen Schlossermeister – construirte Maschine noch mancher Vervollkommnung fähig; immerhin scheint sie auch nach dem Urtheile berufener Sachverständiger, wenn auch kein Perpetuum mobile im strengen Sinne des Wortes, für das Maschinenwesen von hervorragender Bedeutung zu sein.



Der Künstler auf dem Anstand. (Mit Abbildung S. 275.) Es giebt sehr viele Leute, welche des Glaubens leben, der echte, rechte Meister des Pinsels müsse seine Gestaltungen mit Leichtigkeit aus seiner Phantasie schöpfen können und nur die mangelhafte Begabung nöthige dazu, das Modell, die Natur zu Hülfe zu nehmen. Wenn man in richtiger Kenntniß der Verhältnisse versichert, daß gerade unsere gediegensten Meister mit peinlicher Gewissenhaftigkeit der Natur bis in die Kleiderfalten nacharbeiten, wird man selten Ausrufen der Verwunderung und dem Achselzucken des Zweifels entgehen. Und doch ist es so, und es sind in Wahrheit nicht blos die Jungen, welche alljährlich in der schönen Wanderzeit des Sommers ihre Künstlerfahrten antreten und „Studien“ machen; jene so charakteristischen Typen welche auf den Bildern eines Knaus, Defregger etc. unsere volle Theilnahme fesseln, sie sind erst recht der Natur abgelauscht fast mit jedem Zuge, und eben darum wirken sie so sprechend und „echt“. -

Aus der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sind nur von wenigen Meistern Werke des Stifts und Pinsels überliefert, welche heute noch für den guten Geschmack der vollen Bewunderung werth sind, und das sind Arbeiten gerade solcher Meister, welche die Rousseausche Predigt von der Rückkehr zur Natur auf die Kunst angewendet haben. Aus diesen Bildern muthet uns dafür auch der Geist jener Periode des Uebergangs aus der Rococo-Welt mit einer Frische und Unmittelbarkeit an, daß eine culturgeschichtliche Feder durch ganze Bände nicht im Stande wäre, uns so in das unmittelbare, gefühlsmäßige Verständniß dieser Zeit zu versetzen, wie das aufmerksame Betrachten von wenigen jener charakteristischen Bilder.

Und wer ist nun der Meister mit dem feingeistigen Antlitz, welcher auf unserer ersten Illustration, das Skizzenbuch in der einen, den Stift in der anderen Hand, „Studien nach der Natur macht“? Vielleicht erinnern sich unsere Leser noch eines Aufsatzes in Nr. 5 des Jahrgangs 1874 der „Gartenlaube“, der unter der Ueberschrift „Vom Gewürzkrämer zum Künstler“ das Lebensbild dieses Mannes gegeben: es ist Daniel Chodowiecki, der gefeiertste Illustrator unserer classischen Literaturperiode, den wir dem Leser gern noch einmal inmitten von Gestalten der Haarbeutel-Zeit vorführen. Da steht er, wie der Jäger auf dem Anstand seine Ausbeute aus dem verborgenen Hinterhalt gewinnend, während die ahnungslosen Opfer in voller Ungezwungenheit die Lust eines ländlichen Festes athmen. Blut fließt nicht bei diesem friedlichen Lauern auf dem Anstande; vielleicht merken diejenigen, auf welche die Blitze der scharfen Maleraugen zielen, nicht einmal etwas davon, wie sie – getroffen werden. Und das werden sie bestimmt; denn der rechte Maler verfügt, wie der rechte Schütze über das, was zum Treffen hilft: über das sichere Auge und die sichere Hand!



Abschied am Grabe. Wir haben bei den Mittheilungen über die Trauerfeier und Bestattung unseres unvergeßlichen Ernst Keil des letzten Liedes von Gustav von Meyern gedacht, das an den Gräbern der beiden Männer gesungen wurde. Wenn wir im Folgenden die anspruchslosen Strophen wiedergeben, so kommen wir damit den uns in zahlreichen Briefen ausgesprochenen Wünschen unserer Leser gern nach. Das Lied lautet:

Lebe wohl in schön’rer Welt,
Theure Seele, die entschwunden!
Unser Herz bleibt doch verbunden,
Wenn der Leib dem Tod verfällt. –
Lebe wohl, lebe wohl in schön’rer Welt!

Lebe wohl, Du treues Herz,
Das so warm für uns geschlagen!
Ach, wir Armen steh’n und klagen,
Suchen Trost in uns’rem Schmerz. –
Lebe wohl, lebe wohl in schön’rer Welt!

Lebe wohl! Aus schön’rer Welt
Neige Dich zu uns hernieder:
„Was sich liebt, das sieht sich wieder“
Rufst Du uns vom Sternenzelt. –
Lebe wohl, lebe wohl in schön’rer Welt!

Was die von so vielen Seiten gewünschte Wiedergabe der ergreifenden Rede betrifft, welche Albert Traeger über dem Sarge Ernst Keil’s gesprochen, so hat der Dichter es leider für unmöglich erklärt, diese oratorischen Eingebungen des Augenblicks nachträglich aus dem Gedächtniß wiederherzustellen und können wir daher den Wünschen unserer Leser nicht entsprechen. Die uns noch fortwährend aus allen Kreisen des Publicums zugehenden Bezeugungen inniger Theilnahme an dem Hingange unseres verehrten Chefs und Freundes sind uns ein wahrer Trost in der Trauer um den theueren Todten, und sprechen wir hier wiederholt unsern Dank für die Beweise treuer Anhänglichkeit aus, die man ihm gezollt hat und die man so freundlich auf uns zu übertragen verspricht. D. Red.



Mit Fleisch ernährte Pflanzen. Im Jahrgange 1875 (Seite 169) hatte ich den Lesern der „Gartenlaube“ empfohlen zu ihrer Augenweide den rundblätterigen Sonnenthau, diesen zierlichen Insectenfänger unserer Torfsümpfe, in die Zimmer-Terrarien zu pflanzen und ihm gelegentlich ein Stückchen Fleisch zu reichen, damit er gut gedeihe. Es ist inzwischen von manchen Naturverständigen bezweifelt worden, daß diese Pflanzen wirklich thierische Kost verdauen und man hat gemeint, sie befänden sich ohne derartige Extraversorgung mindestens ebenso gut. Franz Darwin, ein Sohn des berühmten englischen Naturforschers, nahm sich vor, diese Frage zur Entscheidung zu bringen. Er sammelte im Juni vergangenen Jahres ungefähr zweihundert Pflänzchen des rundblätterigen Sonnenthaues und pflanzte sie in mit Moos ausgelegte Suppenteller, um sie den Sommer hindurch zu pflegen. Jeder Teller wurde durch eine niedrige hölzerne Scheidewand in zwei Hälften getheilt und die Pflanzen der einen dazu bestimmt, mit Fleisch gefüttert zu werden, die der andern Hälfte, zu fasten. Die Teller wurde sämmtlich unter ein Gazegehäuse gebracht, damit die zum Fasten bestimmten Pflanzen verhindert sein sollten, sich Insecten einzufangen. Die Methode der Fütterung bestand darin, daß aus den Futterseiten der Teller jedes Blatt mit einem ganz kleinen Schnitzelchen gebratenen Fleisches in Zwischenräumen weniger Tage versehen wurde, bis Anfang September, wo die Samen reisen, worauf dann eine Schlußvergleichung der verpflegten und unverpflegten Pflanzen vorgenommen wurde. Schon im Juli erschien es klar,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_289.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)