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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Gleichviel! Dann hat eben der berühmte Illustrator des großen Königs und seiner Zeit und hervorragendste deutsche Maler der Gegenwart den Autor ergänzt. Wie er ihn, von dem man mit Hamlet sagen kann: „Ihr werdet seines Gleichen nimmer sehen“ – ihn und seine Paladine so mannigfach mit Stift oder Farben in packendster Wirklichkeit vor die Augen eines späteren Geschlechts gezaubert, ihm zurufend: „Seht, das ist er, so war er; in seinem Anschauen lebt ihr ein Jahrhundert, sitzt mit ihm zu Tische, promenirt an seiner Seite auf der Terrasse von Sanssouci, seht in seine strahlenden Augen, hört den bestrickenden Zauber seiner Rede im sinnlichen Klange, wie im geistigen Inhalt,“ so giebt er ihn hier auf unserem Bilde wieder, an der Stätte der Majestät des Todes, im Grabgewölbe des Domes von Berlin, damals des neuen. Eigentlich doch in keiner Gruft. Die Särge waren in offenen Nischen aufgestellt, die durch Eisengitter vom Schiffe abgeschlossen wurden, wie sie Jedermann heutzutage noch sehen kann.

Das Leben hat einen Zug zum Tode, die Größe wieder zum Großen, die Familie zur Familie. Der König wollte den im Tode sehen, dessen Heldengestalt er den Lebenden durch seinen Geist wieder erweckt hatte, dessen Gedächtniß nicht allein in den Büchern der Geschichte lebte, sondern auch noch so frisch und lebendig im Volke war.

Am 3. Januar 1750 war’s, als der König seinen Weg nach dem Dome nahm. Ein kalter Januartag. Das Innere des neuen Gotteshauses war in seiner Ausschmückung noch nicht vollendet, aber trotzdem hatte der Dombaumeister Boumann alle Arbeiter feiern lassen, sobald der Besuch des Königs angesetzt war. Dieser kam mit kleinem Gefolge. Die „Spener’sche Zeitung“ von damals sagt freilich, daß auch die Prinzessin Amalie darunter war, aber sie hat auf unserem Bilde keinen Platz gefunden; auch Preuß sagt nichts von ihr; nehmen wir an, daß es eine Incorrectheit des damaligen Reporters war. Mit dem Könige waren gekommen: sein ältester Bruder Prinz Heinrich, der treffliche Feldherr des siebenjährigen Krieges, der geistige Epikuräer von Rheinsberg, hier erkenntlich an dem Stern des Schwarzen Adlerordens auf dem Militärmantel, dann der zweitälteste Prinz und Stammvater des jetzt regierenden Hauses, der schöne August Wilhelm, der acht Jahre darauf nach dem heftigen Rencontre, das er ob seines Rückzugs im Lager von Bautzen mit dem Könige hatte, wie ein verwundeter Löwe heim nach Oranienburg ging, sich hinlegte und starb. Auch die beiden Lieblinge des Königs aus seiner militärischen Umgebung waren mit ihm: Keith und Winterfeld. Voran Jakob Graf von Marishal Lord Keith und Altran. Schottländer von Geburt, Jakobit von Gesinnung, war er wenige Jahre zuvor aus russischen Diensten in die des Königs getreten, Gouverneur von Berlin geworden und Ritter des Schwarzen Adlerordens, dessen Stern er auch auf unserem Bilde trägt. Er sowohl wie der über den Sarg sich neigende jüngere Mann neben ihm, der stattliche, viel angefeindete Generaladjutant von Winterfeld, bezahlten im siebenjährigen Kriege die Gunst und das Vertrauen, womit der König sie auszeichnete, heldenmüthig mit dem Tode; ebenso General Franz Ulrich von Kleist, dessen Kopf sich über dem Bilde des Prinzen August Wilhelm erhebt. Bei diesem winterlichen Kirchenbesuche treten sie uns noch im frischesten Leben entgegen. An den Portalen des Domes hatte die Domgeistlichkeit den König empfangen und ihm das Geleit gegeben. Ihre Köpfe werden auf dem Bilde hinter der militärischen Suite bemerkbar.

Das Kirchengewölbe widerhallte von den klirrenden Schritten der Besucher. Schweigend, in sich gekehrt, angeweht vom Ernste der Stätte und des Zweckes, schritt der König dahin. Die Weichheit der Jugend war aus seinem Gesichte verschwunden - die scharfen charakteristischen Züge der späteren Jahre begannen sich bereits herauszubilden. Aber hier war noch die ganze Frische und Kraft der Jugend in ihm; das eigentliche Friedrichsgesicht, so wie wir es kennen, kam erst nach der Schlacht bei Leuthen zum Vorschein. In dem blauen Sammetpelz mit dem Stern des Schwarzen Adlerordens, den er über der Uniform trug, eine wahre Königsgestalt, stattete er dem todten Kurfürsten den gebührenden Tribut an jenen Ehren ab, welche bereits seine Regierung schmückten: denn daß er hier stand, schon in vollem Nimbus seiner Thaten, das war zum großen Theil die Frucht der rastlosen Arbeit, das glorreiche Verdienst des Mannes, der da vor ihm lag im Sarge, dessen Deckel man eben von der körperlichen Hülle Friedrich Wilhelm’s des großen Kurfürsten abhob. Der König zog den Hut und salutirte; mit ihm die Prinzen und Alle, die gegenwärtig waren.

Zweiundsechszig Jahre waren darüber hingegangen, seit man die Leiche des Dahingeschiedenen von Potsdam nach Berlin und von dem Schlosse in das Gewölbe der alten Domkirche überführt hatte. Von dem Leben war nicht viel mehr zu erschauen, als etwa die äußeren Abzeichen der kurfürstlichen Würde, der rothe mit Hermelin besetzte Talar, der aber auch schon der Nothwendigkeit irdischer Vergänglichkeit zu unterliegen begann, und dann noch die große Allongeperrücke. Von den historischen Zügen des Gesichtes war kaum mehr etwas übrig – das Fleisch war braun, eingeschrumpft, mumienhaft. Die Stille des Todes hier wie draußen im weiten Kirchenraum. Das bleiche Licht des winterlichen Himmels fiel durch das Kirchenfenster auf den Leichnam des großen Mannes. Man hätte das Zittern des Staubes vernehmen können. Alles Mühen, alles Kämpfen, aller Glanz, der Rest von allem Leben – Staub und Staub und Staub! Nicht doch! Hier in diesen großen, von feuchtem Glanze verklärten Augen des Königs, die träumend-nachdenklich auf dem Ahnherrn ruhten, hier war das Leben des großen Todten wieder lebendig geworden in geistiger Nachfolge; hier stand sein Fleisch und Blut, Athem, Geist, Kraft und Gesinnung vor ihm – in dem Urenkel war der Ahnherr in neuer Gestalt dem Leben und der Welt wiedererstanden: der große Kurfürst in dem großen Könige. Von diesem Empfinden kam etwas in die Seele des Königs. Durch die Thränen, die auf seine Wangen herabträufelten, blitzte die Begeisterung, das Bewußtsein seiner Macht und seines Geschlechts. Und als er die Hand des Todten ergriff und zu seiner Umgebung die Worte sprach: „Messieurs, der hat viel gethan für Preußen“, war er von einem Gefühle durchglüht, dem er später in einer Epistel an seinen Bruder August Wilhelm in französischer Sprache dichterischen Ausdruck gab!

„Der Held, unsterblich, wie sein Geist erhaben,
In Krieg wie Frieden von gleich großen Gaben,
Er, der die Welt gezwungen, ihm zu geben
Des Großen Namen – was sind wir daneben!

Unwürdig nicht, wenn wir nur richten
Nach ihm die hohen Ziel unsrer Pflichten;
Es bietet uns sich zum Gesetz sein Leben:
So nah’ sein Bild – so hoch geh’ unser Streben!“

Georg Horn.




Zur Kaltwasserbehandlung der Neuzeit.

Die Behandlung hitziger Krankheiten, besonders des Typhus, mit kaltem Wasser ist an und für sich nicht neu; sie war im Gegentheil schon seit geraumer Zeit von einzelnen Aerzten (Wright, Jackson und Anderen) zur Anwendung gebracht worden. Das Verdienst aber, diese Methode zuerst wissenschaftlich begründet und genauere Regeln der Anwendung angegeben zu haben, gebührt dem englischen Arzt Currie (in Liverpool), welcher am Anfang dieses Jahrhunderts in seinen besten Jahren starb. Indessen, seine Kaltwasserbehandlung des Typhus schlief wieder ein. Die damalige Zeit war eben noch nicht reif für diese so tiefeingreifende Umwälzung. Dr. Ernst Brand in Stettin hat das große Verdienst und den Ruhm, der Neubegründer der Hydrotherapie des Typhus, wie der Hydrotherapie der hitzigen Krankheiten überhaupt zu sein, und ihr diejenige allgemeine Anerkennung verschafft zu haben, welche sie heutzutage genießt.

Die Erfahrungen desselben und die von ihm beobachteten Verhaltungsregeln, welche er in seinen classischen Werk „Die Hydrotherapie des Typhus“ niedergelegt hat, sind seitdem durch zahlreiche Wiederholungen als richtig bestätigt worden, und schon jetzt steht fest, daß die Zahl der Todesfälle bei den mit kalten Wasser behandelten Typhuskranken eine bei Weitem geringere ist, als dies unter andern Verhältnissen vordem der Fall war.

Zwei Hauptwirkungen sind es, welche bei Anwendung des kalten Wassers auf den Körper zur Geltung gelangen: die Wirkung des Temperaturreizes, den wir als Kälte oder Wärme empfinden und zu welchem bei bewegtem Wasser (Wellen-, See-, Strahlbäder

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 827. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_827.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)