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verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


nur angetreten, vielmehr wurde der Consistorial- und Kirchenrath und älteste Hofprediger in Berlin, Daniel Ernst Jablonski, ein berühmter Theologe und Orientalist, der von der Universität zu Oxford zum Doctor der Theologie ernannt und längst schon Mitglied der Akademie gewesen war, zum Präsidenten derselben, und zwar gleichfalls 1733, ernannt. Nach Chr. Bartholméß in seiner „Histoire philosophique de l'académie de Prusse depuis Leibnitz jusqu'à Schelling!“ hätte sich die Geistlichkeit von Berlin in’s Mittel gelegt und sogar die ewige Seligkeit des Königs in Frage gestellt, wenn er der Akademie nicht einen anderen Präsidenten gäbe; die Folge wäre die Wahl Jablonski’s zum Präsidenten der Akademie gewesen. Obgleich Bartholméß ohne Zweifel die Farbe zu stark aufträgt, so erscheint seine Vermuthung, daß die Berliner Geistlichkeit auf die Wahl Jablonski’s einen wesentlichen Einfluß ausgeübt habe, keineswegs unwahrscheinlich.

Friedrich Wilhelm starb am 31. Mai 1740. Gerade ein Jahr später, 26. Mai 1741, folgte ihm Jablonski. Dessen Nachfolger wurde Moreau de Maupertuis, den der neue König schon sehr bald nach seiner Thronbesteigung nach Berlin berufen hatte. Unter seinem Präsidium erhielt die Akademie durch Friedrich den Zweiten, 1744, als königliche Akademie der Wissenschaften, eine neue Organisation, neues Leben und neuen Glanz, während sie unter seinem Vater eben nur vegetirt, kaum aber gewirkt hatte. Unter Friedrich erhob sie sich auf die hervorragende Stelle unter den Einrichtungen ähnlicher Art für die höhere Wissenschaft, welche sie bis auf den heutigen Tag so ruhmvoll behauptet hat.



Nachdruck verboten.
Aus Chopin’s Leben.
Mittheilungen von Bernhard Stavenow.

Am 17. October des vergangenen Jahres waren es dreißig Jahre, daß Friedrich Chopin gestorben. Er war ein Dichter, ein Träumer und Phantast der genialsten Art, und seine Schöpfungen bilden eine kleine Welt für sich. Der wundersame Reiz, welcher seiner Muse innewohnt, hat ihm allenthalben Freunde und Verehrer erweckt, der blendende Schimmer seines Colorits und die aristokratische Vornehmheit seines Ausdrucks nehmen auch den Oberflächlicheren widerstandslos gefangen.

Seine Werke aber waren verhältnißmäßig immer noch so theuer, daß nicht Jeder sich dieselben anschaffen konnte. Mit dem 17. October 1879 ist das anders geworden, da mit diesem Tage das Monopol der bisherigen Verleger aufgehört hat; billige Volksausgaben werden entstehen, welche die Anschaffung auch dem Aermeren opferlos gestatten.

Von dem äußeren Lebensgange des Meisters ist leider nur verhältnißmäßig karge Kunde zu uns gekommen, und was über ihn bis jetzt geschrieben wurde, war ohne Ausnahme, besonders aber in den Angaben über die letzten zwölf Jahre seines Lebens, voller Irrthümer. Diese nun zum ersten Male zu berichtigen, und ein möglichst getreues Bild des Gefeierten während des letzten Decenniums seines Daseins in kurzen Zügen zu geben, sei die Aufgabe der folgenden kleinen Skizze.

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Friedrich Chopin war seit seiner Kindheit von zarter Natur und feinem Körperbau, dazu durch das viele Clavierspielen von sehr reizbarem Nervensystem. Kein Wunder, daß das unruhige Pariser Leben mit seinen zahllosen Vergnügungen und späten Abendgesellschaften, in welches er seit dem Jahre 1832 hineingerathen war, höchst nachtheilig und aufreibend auf die Constitution des Gefeierten wirkte, sodaß im Herbst 1837 bedenkliche Anfälle von Brustkrankheit sich bei ihm einstellten.

Anfangs hoffte man, der nächste Sommer mit seinen linden Lüften würde den Patienten wieder herstellen; allein dem war nicht so. Seine Kräfte erschöpften sich von Tag zu Tag mehr; schließlich wurden die Freunde und Aerzte ernstlich besorgt und riethen ihm, einige Zeit nach dem südlichen Frankreich zu gehen.

Aber Chopin vermochte sich nicht zu der Reise zu entschließen. Er befand sich, wie öfter in seinem Leben, in großer Geldverlegenheit und war doch zu stolz, Jemand dies merken zu lassen, obgleich er von Seiten seiner zahlreichen Freunde und Gönner sofort und mit größter Bereitwilligkeit Geld bekommen haben würde. Ferner konnte er es nicht über sich gewinnen, auf unbestimmte Zeit so weit von seinen Freunden, seinem Piano und von George Sand, der Geliebten seiner Seele, zu scheiden. Lieber wollte er den Winter, wie gewöhnlich, zu Paris verbringen trotz der Unzuträglichkeit für seinen Zustand.

Da faßte George Sand – wie es heißt, aus Rücksicht für ihren Sohn Maurice – den Entschluß, nach der Insel Mallorca zu gehen und redete Chopin zu, an dieser Reise Theil zu nehmen. Dieser Bitte vermochte Chopin nicht zu widerstehen, zumal auch inzwischen seine Börse sich durch den Verkauf seiner Präludien wieder gefüllt hatte: er hatte dieselben im August 1838 für zweitausend Franken an Camillo Pleyel verkauft. Und so fuhr er denn mit der geliebten Frau sammt ihren beiden Kindern Maurice und Solange im October 1838 von Paris ab, obgleich seinen Freunden diese Reise durchaus nicht gerathen schien.

Während der Seefahrt befand sich Chopin ziemlich wohl; allein gleich nach der Landung auf Mallorca erkrankte er gefährlich und wurde täglich schmaler und bleicher, sodaß er bald einem bloßen Gerippe glich und die Aerzte ihn vollständig aufgaben. Er war auf Alles gefaßt, um so mehr, als der Winter in jenem Jahre sich gerade entsetzlich hartnäckig zeigte, das Haus, oder besser gesagt, die Hütte, in welcher sie wohnten, an allen Ecken baufällig und von Mobilien entblößt war, und der Arzt, den er zu Rathe gezogen, sein Leiden gänzlich verkannte und Mittel anwendete, welche wider die Natur seiner Krankheit liefen.

George Sand berichtet uns in ihren Memoiren („Histoire de ma vie“, Paris 1855) ausführlich über diese Reise. Nur einen Irrthum begeht sie, der von den Chopin-Biographen in ihren Büchern und Aufsätzen bis jetzt stets nachgeschrieben wurde. Sie sagt nämlich, Chopin habe während jener Zeit in der Karthause auf Mallorca auch seine „Präludien“ geschrieben. Wohl konnte er ihr dieselben dort öfter vorgespielt haben; allein componirt hatte er jene Meisterwerke der duftigsten Poesie, jene seltsamen Träume und Bilder der Nacht, die aus Feenzauber und Mondesglanz, aus Herzeleid und Herzensfreud’ harmonisch gewoben scheinen, schon vor seiner Abreise von Paris, wie mir sein Lieblingsschüler und intimster Freund, Adolph Gutmann, der das Manuscript für den Druck copirt hat, wiederholt versicherte.

Während der Dauer der Krankheit wich George Sand keinen Augenblick von der Seite des Freundes. Sie war es auch, welche zuerst instinctiv fühlte, daß die von dem Arzt wöchentlich mehrmals vorgenommene Blutentziehung dem geliebten Kranken den sichern Tod bringen müsse; sie umgab ihn mit der zartesten Fürsorge und kannte weder Müdigkeit noch Abspannung, bis endlich das Leiden wich und die düstere Laune, welche Chopin’s Geist gefesselt hielt, sich allmählich zerstreute, einer lichtvolleren, glücklicheren Stimmung Raum gewährend.

Seit jener Zeit war George Sand für Chopin die machtvolle Zauberin, die sein Leben dem Tode abgerungen und seine Leiden in ein nie gekanntes Glück verwandelt hatte. Und als sie im März 1839 Mallorca wieder verließ, zog er mit ihr zusammen auf ihren idyllischen Landsitz nach Nohant und verlebte hier einen schönen Sommer, in welchem er sich glücklich und verhältnißmäßig wohl fühlte.

Im Herbst 1839 zog George Sand mit Chopin, der nun, wenn auch nicht vollkommen hergestellt, so doch sehr gekräftigt war, nach Paris. Beide waren während des Sommers unzertrennlich geworden. Und wenn auch kein Spruch des Gerichts oder der Kirche ihren Bund gesegnet hatte, so trösteten sich Beide doch mit der Ueberzeugung, daß die gegenseitige Treue das Bündniß zwischen ihnen heilige.

Am Square d’Orléans mietheten sie eine gemeinschaftliche hübsche Wohnung. Anfangs hatte Chopin außerdem noch pro forma in einer benachbarten Straße ein besonderes möblirtes Zimmer gemiethet, welches officiell als seine Wohnung galt und wo er die Besuche von entfernter stehenden Personen täglich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1880, Seite 036. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_036.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)