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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


„Bilder aus der Vogelstube“ von Karl Ruß. Der Verfasser dieser Schilderungen aus dem Leben fremdländischer und einheimischer Stubenvögel hat es sich seit Jahren zur Lebensaufgabe gemacht, der Vogelliebhaberei allgemeineren Eingang in der deutschen Familie zu verschaffen und das Verständniß für die richtige Pflege der Stubenvögel mehr und mehr zu verbreiten. Diesem bisher so glücklich von ihm verfolgten Zwecke dient auch das vorliegende Buch des kenntnißreichen Ornithologen, ein Werk, dem wir hier gern zu Anerkennung und Empfehlung das Wort reden. Die Karl Ruß’schen „Bilder aus der Vogelstube“ wollen in erster Linie nicht eigentlich belehren, sondern vor Allem zur Zucht und Pflege der Stubenvögel anregen; sie thun es mit großem Geschick und gewähren zugleich in der bunten Anordnung ihrer Capitel eine Art historischen Rückblicks auf die bisherige Entwickelung der Vogelliebhaberei.

Das mit Holzschnitten nach Zeichnungen von Robert Kretschmer und Karl Gerber gezierte und geschmackvoll ausgestattete Buch bietet in seinen drei Abschnitten – „Zum Willkomm in der Vogelstube“, „Stimmen- und Farben-Vielerei“ und „Lebensbilder“ – sowohl eigene Schilderungen des Herausgebers, wie Aufsätze anderer Vogelkenner und -pfleger, die sämmtlich den zehn Jahrgängen der Ruß’schen Zeitschrift „Die gefiederte Welt“ entnommen und hier zu einem hübschen Ganzen zusammengestellt worden sind. Mögen die „Bilder aus der Vogelstube“ zahlreiche Freunde finden!

Wir benutzen diesen Anlaß, um zugleich auf die eben genannte Zeitschrift des fleißigen Vogelpflegers aufmerksam zu machen. Die Pflege der Vogelliebhaberei leistet der Förderung des Gemüthslebens in Volk und Familie so vielen dankenswerthen Vorschub, daß wir die Gelegenheit nicht haben versäumen wollen, sie mit obigen Zeilen fördern zu helfen.




Die Frage der Entschädigung für schuldlose Haft ist neuerdings vielfach öffentlich zur Sprache gekommen, und zwar in Folge des eigenthümlichen Zusammentreffens einer Anzahl von Fällen, in welchen sich die Unschuld von bereits zu harten Freiheitsstrafen verurtheilten Personen nachträglich herausgestellt, nachdem dieselben schon einen Theil ihrer Strafe verbüßt hatten. Besonders waren es zwei kurz hinter einander in Oesterreich zu Tage getretene Fälle, welche die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen und schließlich einen bestimmten Antrag im Abgeordnetenhause veranlaßten.

Der eine Fall betraf den vom Schwurgerichte zu Krakau wegen Veruntreuungen im Amte zu fünf Jahren schweren Kerkers, Ausstoßung aus dem Militärstande und Verlust der Pension verurtheilten pensionirten Major und Postmeister Halle. Nachdem der Verurtheilte bereits siebenzehn Monate seiner Strafe verbüßt hatte, brachte ein glückliches Ungefähr seine Unschuld unwiderleglich zu Tage.

Im zweiten Falle war eine moralisch allerdings bereits compromittirte ledige Frauensperson, Namens Katharina Reiner, in den Verdacht der Ermordung einer Hausgenossin gekommen und vom Schwurgerichte zum Tode verurtheilt, die Strafe in einer weiteren Instanz aber in sechs Jahre schweren Kerkers umgewandelt worden. Katharina Reiner hatte bereits vier Jahre im Kerker zugebracht, als ein früherer Wiener Student, jetzt Soldat in Znaim, sich selbst als den Mörder anzeigte, worauf die arme Verurtheilte in Freiheit gesetzt wurde.

In Deutschland regte zu gleicher Zeit der Haarbauer’sche Fall die Gemüther auf. Hier war ein Vater auf Grund eines neuerdings wissenschaftlich corrigirten ärztlichen Gutachtens wegen Vergiftung seines Kindes mit Schwefelsäure gerichtlich verurtheilt worden. Auch dieser Fall brachte bei Gelegenheit der Berathung des Justizetats im preußischen Landtage die Frage der staatlichen Entschädigung wieder in Anregung, und Abgeordneter Windthorst trat für die Bejahung der Frage ein, aber Justizminister Dr. Friedberg, welcher gleichzeitig noch einen weiteren Fall unschuldiger Strafverbüßung anführte, fand die gesetzmäßige Zusage einer solchen Entschädigung namentlich aus dem Grunde für bedenklich, weil gewisse problematische Existenzen aus einer solchen hinterlistig herbeigeführten unschuldigen Verurtheilung geradezu eine Erwerbsquelle machen würden.

In juristischen Kreisen hat die Entschädigungsfrage längst schon eine eingehende Würdigung – leider aber noch keine befriedigende Lösung gefunden. Auf den deutschen Juristentagen hat sie wiederholt die Tagesordnung beherrscht. Bedeutende juristische Capacitäten haben über dieselbe Bericht erstattet. Diese Gutachten wiesen aber schon in der Beantwortung des Princips scharfe Gegensätze auf, noch mehr in den einzelnen Modificationen. Der im August 1876 zu Nürnberg abgehaltene zwölfte deutsche Juristentag war bestimmt, die Sache zum endlichen Austrag zu bringen. Der gewandte und sachlich begeisterte Berichterstatter Hofgerichtsadvocat Dr. Jacques-Wien sprach sich für Bejahung der Entschädigungsfrage aus mit Ausnahme des Falles, daß der Beschuldigte erweislich lügenhafte Angaben, Collusions- (= ein geheimes, betrügliches Einverständniß) oder Fluchtversuche gemacht, oder durch sein Verhalten erweislich die Verhaftung oder Haftverlängerung selbst hervorgerufen habe. Es handelte sich dabei weniger um die Fälle, daß Jemand eine ihm irrthümlich zuerkannte Freiheitsstrafe verbüßt, als um diejenigen, daß er eine Zeitlang in Untersuchungshaft gesessen hatte, dann aber die Untersuchung eingestellt oder der Gefangene förmlich freigesprochen worden war. Nach einer zweistündigen Debatte wurden indeß sowohl der Antrag des Berichterstatters wie die weiter gestellten Anträge abgelehnt. Die Frage verschwand somit von den Tagesordnungen der Juristentage, auf denen sie lange wie ein gefürchtetes Gespenst einhergeschlichen war.

Man hoffte, daß die Sache bei der Ausarbeitung der neuen Justizgesetze innerhalb des Rahmens der Strafproceßordnung zur gesetzlichen Regelung kommen werde. Aber auch die Reichstagscommission lehnte es ab, eine Bestimmung über die Entschädigung des Beschuldigten für unschuldig erlittene Haft dort aufzunehmen, und somit ist das Problem nach wie vorher ein gesetzlich ungelöstes. Aber die Humanität wie die Gerechtigkeit selbst verlangen immer mahnender eine Abhülfe.

Die Fälle, in welchen Jemand unschuldig verurtheilt worden ist, sind zum Glück doch nur sehr seltene, obwohl hier das Unrecht am schreiendsten ist. Weit häufiger sind dagegen die, daß Jemand wegen des Verdachtes einer von ihm begangenen verbrecherischen Handlung gefänglich eingezogen, die Untersuchung aber wieder eingestellt wird, ehe es zu einer Anklage kommt, oder daß ein längere Zeit in Haft Verbliebener durch ein förmliches Erkenntniß freigesprochen wird. Auch hier erleidet der Gefangene eine empfindliche Einbuße an seiner persönlichen Freiheit, seinem Vermögen und, wenn auch nur vorübergehend, an seiner Ehre.

Die Frage der Entschädigung hat nun in der That verschiedene Seiten.

Eine unbedingte und ausnahmslose Entschädigung würde das Kind mit dem Bade ausschütten: sie würde, statt zu einem Rechte und einer Wohlthat, sogar in vielen Fällen zu einem Unrechte. Denn die Einstellung einer Untersuchung und die Freisprechung eines Angeklagten erfolgt sehr oft nur deshalb, weil nicht genügendes Beweismaterial zur Ueberführung des Beschuldigten vorliegt. Sie trägt also oft nur einen formellen Charakter. Der Beschuldigte bleibt sehr oft doch der Thäter; es fehlt nur das namentlich für den juristisch gebildeten Richter, der sein Urtheil auf bestimmte Entscheidungsgründe zu basiren hat, nothwendige Maß von Ueberführungsmomenten. Eine Entschädigung wäre hier geradezu eine Prämiirung des Verbrechens. Es könnte sich also dieselbe doch nur auf diejenigen Fälle beziehen, in welchen die Unschuld des Angeschuldigten bis zur Evidenz nachgewiesen ist. Diese Fälle lassen sich aber durch Gesetz von vornherein gar nicht feststellen. Es müßte vielmehr lediglich dem Richter überlassen werden, die Frage in jedem Einzelfalle zu entscheiden. Das Gesetz hätte dann nur zu bestimmen, daß im Falle einer Freisprechung der erkennende Richter gleichzeitig mit darüber zu entscheiden hat, ob und welche Entschädigung dem Freigesprochenen zuzubilligen sei. In denjenigen Fällen, wo es überhaupt nicht zu einer förmlichen Entscheidung der Schuldfrage kommt, müßte diese Entscheidung entweder von denjenigen Richtern gegeben werden, welche den Beschluß fassen, daß der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen sei, oder es müßte dem Letzteren das Recht zustehen, ein freisprechendes Erkenntniß noch herbeizuführen. In der dritten Serie von Fällen, wo der Beschuldigte bereits rechtskräftig verurtheilt war und seine Unschuld sich später herausstellt, müßte man im Wege der Wiederaufnahme der Untersuchung zu diesem Ziele kommen. Damit wäre wenigstens für die eclatantesten Fälle Abhülfe geschaffen; dann wäre auch der vom Staatsminister Friedberg geltend gemachten Gefahr vorgebeugt.

Ein vollständiges Aequivalent für die Schädigung, welche ein unschuldig in Haft Genommener unter Umständen erleidet, läßt sich freilich überhaupt nicht ermöglichen. Die verlorene Zeit läßt sich nicht einbringen, die Qual der Seele nicht ungeschehen machen, der furchtbare Eindruck auf das Gemüth nicht leicht wieder verwischen. Die Entschädigung kann sich nur in Geld ausdrücken, dem alleinigen äußeren Werthmesser aller irdischen Dinge; vielleicht noch in einer Art öffentlicher Ehrenerklärung. Immerhin ist das doch ein Etwas. Das, was dem Geschädigten nicht vergütet werden kann, muß er hinnehmen als ein über ihn verhängtes Unglück, als ein Product der Verhältnisse, die in ihrem eigenthümlichen Zusammentreffen oft weit stärker sind, als aller menschliche Wille.

Fr. Hbg.




Vermißte. (Fortsetzung von Nr. 35 des Jahrgangs 1881.) Wir wiederholen hier, daß alle Nachfragen nach den in den Vereinigten Staaten von Nordamerika Vermißten nur auf den Umschlägen der Heftausgabe für Nordamerika abgedruckt werden.

1) Alexander Gustav Ronneberger, Barbiergehülfe aus Grimma, den 19. August 1860 geboren, hat sich im März 1879 nach Hamburg und im Herbst desselben Jahres nach London begeben, wo er bei M. W. Brand (Blackman-Street 41, Borough S. E. London) in Arbeit gestanden und von wo er am 10. October 1880 zum letzten Male geschrieben. Er soll früher den Wunsch, nach Australien zu reisen, geäußert haben.

2) Ein Vater, der vor dem siebenzigsten Jahre steht, sucht seinen Sohn, der ihm von sechs Kindern allein geblieben und von dem er seit 1866 keine Nachricht mehr hat. Dieser Sohn ist der Schlossergeselle Ernst Julius Porzig aus Altenburg, jetzt 34 Jahre alt. Er arbeitete auf der Wanderschaft durch Deutschland zuerst in Crimmitschau, Essen und Hamburg. Von letzterem Orte aus schrieb er zum letzten Male, ohne Andeutung über etwaige weitere Reisepläne zu geben. Erst durch einen Mitgesellen erfuhr der Vater, sein Sohn habe nach Aegypten wandern wollen, und durch denselben später (1870), er sei in Jerusalem. Wie viel Wahres an diesen Nachrichten, ist leider bis jetzt unerkundet geblieben.

3) Ein Sohn sucht den Vater. Seit 1866 ist der Kaufmann Wisselinck, der in Aachen sein Geschäft hatte, für seine Familie spurlos verschwunden. In seiner Vaterstadt Wetzlar wohnt jetzt sein Sohn Gustav als Handschuhmachergehülfe und hofft endlich auf diesem Wege den Vater wieder zu finden oder wenigstens eine Nachricht über ihn zu erhalten.

4) Im September 1861 verließ der damals vierundzwanzigjährige Landwirth Julius Adolay aus Kirchheimbolanden (Rheinpfalz) Mutter und Geschwister zu Freiesheim bei Dürkheim, um nach Südamerika auszuwandern. Er war von kleiner, magerer Gestalt, aber von frischer Gesichtsfarbe, Augen und Haare braun, die Nase stark gebogen. Von Buenos Ayres gab er den Seinen Nachricht; Briefe gelangten stets an ihn „– p. adr. Signor Don Leon Vela, Calle Piedad 307“ daselbst. Im letzten Brief, vom 1. September 1871, äußert er den Wunsch, nach Deutschland zurückzukehren. Seitdem ist jene Adresse vergeblich benutzt und nun über zehn Jahre vergeblich auf seine Heimkehr gewartet worden.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_271.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)