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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Mehrzahl derselben schulmäßige Kenntnisse. Zu diesen Sprachen gehörten: lateinisch, griechisch, hebräisch, chaldäisch, syrisch, arabisch, persisch, armenisch, abyssinisch, ägyptisch, äthiopisch, türkisch, samaritanisch etc. Das Neue Testament konnte er in 14, das alte in 6 Sprachen auswendig. Den 16jährigen Analphabeten unterweist der im Dienste des Vaters stehende Kuhjunge, der die Winterschule besucht hat, während der Arbeit in Feld, Wiese und Wald im Buchstabiren, Des Vaters strenges Verbot fährt dazwischen. Aber dann erkrankt Nikol. Mit heißem Eifer studirt nun der zur Arbeit Untaugliche das A-B-C-Buch und buchstabirt den Katechismus durch. Des Sonntags merkt Nikol in der Kirche wohl auf, wie der Prediger die ihm zu schwer gewesenen Worte ausspricht. Dann lehrt ihn der Mutter Bruder schreiben. Und nun bricht sich das seltene Talent des Bauernsohnes energisch Bahn. Einen Katechismus in lateinischer Sprache hält Nikol gegen den deutschen und vergleicht beide mit einander. Dann wandert er zu den Buchhändlern bez. Buchbindern in Schleiz, Jena, Hof und Nürnberg und schafft die Bücher herbei, die ihm für seine in stiller Nacht und oft nur beim bleichen Scheine des Mondes mit heißem Bemühen betriebenen Studien nothwendig sind. Nach vier Jahren versteht er einen leichten lateinischen Schriftsteller. Dann bedeckt er die Wände der Scheune im väterlichen Gehöft mit dem griechischen, hebräischen, chaldäischen, arabischen Alphabet, und während der junge Bauer drischt, studirt er die fremden Schriftzeichen.

Allmählich war „der gelehrte Bauer“ in weiteren Kreisen bekannt geworden. Er wird an die Höfe zu Weimar, Schlackenwerth, Dresden und Gera „begehret“ und überall ist er Gegenstand ungeheuchelter Bewunderung. Nicht ohne Rührung betrachtet man den großen Selbstzögling, der die vollendete Reife eines gründlich gebildeten Gelehrten vor Männern entfaltet, die selbst als ausgezeichnete Gelehrte glänzen. Neben prosodischen Uebungen beginnt „der gelehrte Bauer“ dann physikalische, astronomische, meteorologische, botanische, chemische, optische, mathematische Studien. Auf einem seiner Wohnhäuser legt er sich eine Sternwarte an, und sucht mit Hilfe der auserlesensten mathematischen und astronomischen Instrumente die Geheimnisse der Fernen des Himmels zu erforschen. Bei seinen meteorologischen Beobachtungen nimmt er sorgsam Rücksicht auf die Polhöhe von Rothenacker, die er ziemlich genau mit 50° 30′ bezeichnet. Allein die grimmige Noth seiner Zeit schonte auch seiner nicht. Haus, Hof und Felder wurden in den Stürmen des Krieges verwüstet. Die Geißel der Sorge treibt den materiell zu Grunde Gerichteten auf den Markt. In Folge des reiflich erwogenen Zuredens einflußreicher Freunde wird aus dem gelehrten Sprachenkenner ein deutscher Kalenderschreiber, der den gerade damals brennend gewordenen Kampf zwischen Julianismus und Gregorianismus in die Wege der goldenen Mitte leitet. Die von der Endterischen Buchhandlung in Nürnberg verlegten Schmidt-Künzel’schen Kalender fanden reichen Absatz. Und als am 26. Juni 1671 Nikol Schmidt im Sterben lag, durfte seine das Todtenbett mit Thränen umstehende Familie dankbar anerkennen, daß er auch ein treusorgender Vater gewesen, den die Mit- und Nachwelt mit Recht nicht anders bezeichnete, als mit dem Ehrennamen „der gelehrte Bauer“.

In neuer Zeit kommt uns Kunde von einem schwäbischen Bauernpoeten, der auch über ein reiches Wissen gebietet. Daß man den Pegasus an den Pflug spannen kann, beweist ein so begabter Dichter wie Christian Wagner aus Warmbronn, dessen „Sonntagsgänge“ in zweiter Auflage erschienen sind (Stuttgart, Greiner und Pfeiffer). Er ist ein Landmann, der in einfachsten Verhältnissen lebt und nicht einmal von seiner schlichten Thätigkeit erfreuliche Erfolge sieht; denn es geht oft sehr karg bei ihm zu. Geboren ist Wagner am 5. December 1835 in Warmbronn bei Leonberg als einziges Kind eines Schreinermeisters; er war in frühen Jahren kränklich und schwächlich, erstarkte aber allmählich, und jetzt ist er ganz gesund. Die „Sonntagsgänge“, die der Dichter gemeinsam mit dem Sohn Oswald und einem Brahminen antritt, athmen den Geist einer seltenen Schonung und Verehrung alles Lebendigen, wie er im Lotosblumenlande üblich ist: die Dichtung enthält sinnige Märchen und eine Menge philosophischer Betrachtungen in Versen, die oft recht schwunghaft sind, hier und dort an Rückert und Leopold Schefer erinnern. Ein Bauer als Gedankenpoet: das ist jedenfalls etwas Seltenes.

Altrömischer Luxus. Als König Tiridates sich zu Rom als Gast befand, ließ Kaiser Nero alltäglich zur Bestreitung seines Hofstaats 20 000 Thaler anweisen, so daß der Besuch, als er nach neunmonatlichem Aufenthalte abreiste, 5 400 000 Silberkronen gekostet hatte. Der Kaiser Caligula führte einen so verschwenderischen Haushalt, daß er in einem Jahre 671 Tonnen Goldes brauchte, also während seiner noch nicht vierjährigen Regierungszeit beinahe 73 Millionen Thaler. Heliogabal war ein solcher Verschwender, daß er ein Kleid, wenn auch noch so kostbar, nicht mehr als einmal anlegte. In den Lampen brannte der köstlichste Balsam; ganze Bassins ließ er mit Rosenwasser füllen und die kostbarsten Edelsteine schmückten seine Schuhe. Das geringste seiner Kleider bestand aus Goldstoff und Sammet, und die einfachste Mahlzeit durfte nicht weniger als 3000 Goldstücke kosten. Bei einem Festmahle ließ Heliogabal 6000 Straußenköpfe aufsetzen, aus welchen die Gäste nur das Gehirn genießen sollten, und nachher fand im Park auf einem mit Wein gefüllten Bassin ein kleines Seetreffen statt. Die Fußböden seiner Gemächer und der Schaubühne waren mit gefeiltem Golde bestreut, damit man sanft auftreten konnte, und die gewöhnlichsten Geschirre bestanden aus den edelsten Metallen. Da die Wahrsager Heliogabal verkündet hatten, er werde keines natürlichen Todes sterben, so ließ er sich für den Nothfall, um durch eigene Hand zu sterben, Stricke von Gold und indischer Seide und goldene edelsteinbesetzte Dolche anfertigen, auch einen mit Gold und Edelsteinen überladenen Thurm zum Herabstürzen bauen. Er konnte jedoch diese Todesmittel nicht verwenden, denn am 6. März des Jahres 222 wurde er durch seine Leibwache ermordet und der Körper in den Tiber geworfen.

Grausame Strafe für Bienenfrevler. Im Lande Lauenburg und Bütow, welches der Kurfürst von Brandenburg 1657 von Polen zu Lehen empfing und dem Herzogthum Hinterpommern einverleibte, nachdem es vorher zu Polnisch-Preußen gehört hatte, wurde auch die Bienenzucht eifrig betrieben, welche durch eine aus vorbrandenburgischer Zeit stammende Ordnung geschützt wurde. Dieselbe enthielt einige sehr strenge, ja grausame Strafen. Artikel 16 des Büthener- (das ist Bienenzüchter-, Zeidler-) Rechtes lautete: „Wer eigenwillig fremde Bienen besteiget, oder heimlich bestielt, soll ohne einige Gnade mit dem Galgen bestraft werden.“ Die Bienenstöcke waren in den Wäldern in abgestandenen Bäumen angelegt. Eine fürchterliche Strafe stellte aber der folgende Artikel in Aussicht; er lautet: „Wer entweder seine eigene oder fremde Bienen aus der Büthen (Bienenstock) ganz ausnimmt, der soll ohne einige Gnade dem Henker überantwortet werden, welcher ihm alles sein Gedärme und Eingeweide umb die bestohlene Fichte herumwinden, und ihn hernach an eben selbiger erhenken soll.“ Also sogar gegen ihren eigenen Besitzer wurden die Bienen durch diesen Paragraphen geschützt. Auch noch auf andere Vergehen gegen diese Ordnung stand die Todesstrafe; leichtere Uebertretungen derselben wurden durch Geldstrafen und Spenden von Bier gesühnt.

Alte Tänze. So erfinderisch auch unsere Ballettmuse sein mag – sie kann doch noch bei den gesellschaftlichen Tänzen des Mittelalters in die Schule gehen. Im Jahre 1404 gab die Stadt Berlin dem Ritter Dietrich von Quitzow, mit dem sie vorher in arger Fehde gelebt, ein Ballfest zur Feier der Versöhnung: auf dem Rathhause wurde tüchtig geschmaust und die Gäste wurden dann, wie es sich wohl nöthig zeigen mochte, mit Laternen in ihre Herbergen geleitet. Man tanzte auf dem Feste 1. den Zwölfmonatstanz, bei welchem die Paare durch Bewegungen das Zu- und Abnehmen des Mondes und der Jahreszeiten nachahmten; 2. den Todtentanz, wobei ein Herr oder eine Dame sich todtstellte und von den Uebrigen geküßt wurde; 3. den polnischen Tanz, der in Kippen und Wippen des Leibes bestand; 4. den Schmoller, das Schmollen und Sichversöhnen Liebender darstellend, und andere Tänze. Gegen dies reichhaltige und originelle Tanzrepertoire muß das Programm unserer heutigen Ballabende ziemlich einförmig und dürftig erscheinen.

Allerlei Kurzweil.
Die Burgruine.


Buchstaben-Räthsel.

Am Heilquell kannst Du es in Scharen
Bald krank, bald frisch mit B gewahren;
Mit L ein Meister ist’s von Werken,
Die vieler Frommen Andacht stärken;
Mit R ein Gott, dem einst erklang
Der Slawenpriester Lobgesang. G. Lindner.


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

B. in K. Die Sitte oder vielmehr die Unsitte, vor dem Keltern die Trauben mit den Füßen zu treten, hat schon Karl der Große in seinen Kapitularien verboten. Petrus de Crescentius verlangte im 13. Jahrhundert, daß die Füße wenigstens rein seien, daß man aus der Kelter nicht ein- und auslaufen, in derselben der Reinlichkeit halber nicht essen und trinken solle. – An einigen heute noch berühmten Orten wurde der Wein schon vor mehr als 1000 Jahren gebaut. So besitzen wir schriftliche Aufzeichnungen über Weinberge in Aßmannshausen aus dem Jahre 800 n. Chr., in Ingelheim aus dem Jahre 835, in Rüdesheim aus dem Jahre 864. Ausführlichere Mittheilungen über die ersten Weinberge in Deutschland und Oesterreich-Ungarn finden Sie in dem Werkchen „Beiträge zur Geschichte des ältesten Weinbaues in Deutschland und dessen Nachbarländern“. Von Karl Reichert (Reutlingen, J. Kocher, 1886).

E. L. in Konstanz. Gärtnerschulen giebt es viele. Wir nennen: 1) Königliche Gärtnerlehranstalt in Potsdam. Die Schülerzahl ist beschränkt, die Aufnahme daher unsicher; 2) Königliche pomologische Lehranstalt zu Proskau in Oberschlesien; 3) Königliche Lehranstalt in Geisenheim am Rhein, Direktor Oekonomierath Göthen; 4) Pomologisches Institut von Fr. Lucas in Reutlingen (Württemberg), gut, jedoch billiger als die erstgenannten. Auf Verlangen werden Programme geschickt. Alle Anstalten verlangen eine praktische Vorlehre von mindestens 1 Jahr. Die Reutlinger Schule nimmt auch Lehrlinge von 15 Jahren auf.

Jacob Geyer. 517 Main Straße. Springfields, Mass. U. S. A. Wir veröffentlichen gerne an dieser Stelle Ihre Adresse, um Ihren Bruder oder dessen Nachkommen zu veranlassen, mit Ihnen in Verbindung zu treten.


Inhalt: Lisa’s Tagebuch. Erzählung von Klara Biller. S. 649. – Schwarzblattl. Illustration. S. 649. – Die Aebtissin von Frauenchiemsee. S. 654. Mit Illustration S. 652 und 653. – Vor Metz. Eine Kriegserinnerung an den 16. August 1870. Von E. v. Wald-Zedtwitz. S. 657. – Nicht zu heiß! Von C. Falkenhorst. S. 659. – Der Unfried. Eine Hochlandsgeschichte von Ludwig Ganghofer (Fortsetzung). S. 660. – Der Probestrumpf. Illustration. S. 664. – Was ist ein Kind werth? Ein Wort für kinderlose Gatten und elternlose Kinder. Von Friedrich Hofmann. S. 665. – Blätter und Blüthen: Der König des Zululandes und sein Krokodilorden. Mit Abbildung. S. 667. – Der Philosoph von Königsberg. S. 667. – Die Fasanenjagd. S. 667. Mit Illustration S. 661. – Gelehrte Bauern. S. 667. – Altrömischer Luxus. S. 668. – Grausame Strafe für Bienenfrevler. S. 668. – Alte Tänze. S. 668. – Allerlei Kurzweil: Die Burgruine. S. 668. – Buchstaben-Räthsel. Von G. Lindner. S. 668. – Kleiner Briefkasten. S. 668.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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