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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Regierung beauftragte deshalb einen jungen Zoologen, Kunkel d’Herenlais, vom zoologischen Museum, den Schaden an Ort und Stelle zu studieren und die geeigneten Mittel zu dessen Beseitigung vorzuschlagen. Seitdem hat sich derselbe das Studium der Heuschrecke zu seiner vornehmsten Aufgabe gemacht, den Entwicklungsprozeß derselben Schritt für Schritt verfolgt und dabei ganz seltsame Eigenthümlichkeiten entdeckt.

Aus einem Bericht, den Kunkel an die „Akademie der Wissenschaften“ in Paris eingereicht hat, erfahren wir die besonderen Umstände, von denen das Ausschlüpfen der jungen Heuschrecken aus dem gemeinsamen Gehäuse, in welches die Eier von dem Weibchen abgelegt wurden, begleitet ist. Diese eiförmigen Hüllen sind stets in die Erde eingegraben. Kunkel nahm einige davon und barg sie in Glasröhren, so daß er alle Vorgänge darin bequem verfolgen konnte. Die Befreiung der im Innern des Gehäuses schon den Eiern entschlüpften Heuschrecken findet regelmäßig in den ersten Stunden des Tages statt. Jede Umhüllung aber ist durch einen wunderbar genau schließenden Deckel verschlossen, der von den jungen Thieren im Innern erst emporgehoben werden muß. Zu diesem Zweck vereinigen wohl sechs oder noch mehr von ihnen ihre Kräfte und lassen den Deckel emporspringen, so daß er bisweilen centimeterweit davonfliegt.

Wie ist das möglich? wird der Leser fragen; wie fangen sie das an? – Nun sie verwandeln sich – in wirkliche kleine hydraulische Pressen. Man sieht nämlich, wie sie aus ihrem Körper hinten am Kopfe ein mit Blut gefülltes Bläschen hervortreten lassen, das sie ganz willkürlich anschwellen und wieder zusammenziehen können. Mittels dieser Bläschen vermögen sie ohne große physische Anstrengung einen recht ansehnlichen Druck auszuüben und so mit diesem vorzüglichen Apparat die Pforte des Gefängnisses zu sprengen, in welchem sie geboren wurden. Stellt sich dem jungen Insekt ein neues Hinderniß entgegen, so nimmt es seine Zuflucht zu seiner kleinen Presse und drängt das Hinderniß damit zurück, indem es das im Körper noch zurückgehaltene Blut durch Zusammenziehung des ersteren dem Bläschen zuführt.

Durch dieses willkürliche Aufblähen und Zusammenziehen ist es dem Insekt möglich, durch die engen Spalten des Bodens nach der Oberfläche heraufzugelangen und bisweilen sogar durch die kleinen Oeffnungen der Schachtel hindurch zu entweichen, welche der Sammler für undurchdringlich hielt.

Diese Eigenthümlichkeit der afrikanischen Heuschrecke, in der Jugend ihren Nacken höckerartig aufblähen zu können, dient ihr auch beim Wechsel ihres Gewandes. Denn ist der Augenblick der Häutung gekommen, macht sich auch sofort die kleine Presse bemerkbar, sprengt die zu eng gewordene Hülle auseinander und gestattet so dem Thiere, durch den entstandenen Riß hindurchzuschlüpfen und die alte Haut abzustreifen.

In dem Felsengebirge Nordamerikas giebt es eine andere Heuschreckenart, die ähnliche Verwüstungen anrichtet wie die in Algier; aber die Naturforscher der Vereinigten Staaten haben an derselben bis jetzt nicht die merkwürdigen Manöver beobachtet, von denen uns heute Kunkel zum ersten Male berichtet. Sicher würden die Entdeckungen Kunkels auch mit einer gewissen Ungläubigkeit, wenigstens mit großer Vorsicht aufgenommen werden, wenn uns das Reich der Insekten, so weit uns dasselbe bereits bekannt ist, nicht schon Aehnliches darböte. Man findet nämlich denselben hydraulischen Mechanismus bei einer Fliegenart wieder, deren Larve oder Made jeder Angler kennt, weil er sie als einen vortrefflichen Köder zu benutzen weiß. Wer jedoch die Entwicklung dieses Thieres schon beobachtet hat, dem ist gewiß auch aufgefallen, daß an der eiförmigen braunen Puppe die früheren Ringe der Larve noch deutlich sichtbar sind.

Diese Puppe hat in der That keine andere Umhüllung als dieselbe Haut, welche bereits der Larve zur Bedeckung diente, und aus dieser Hülle geht elf Tage nach der Verpuppung das vollkommene Insekt wie aus einem Gespinst hervor. Es ist nicht schwierig, den Vorgang genau zu beobachten; dann wohnt man aber auch einem Schauspiel bei, wie man es sich merkwürdiger kaum zu denken vermag. Sogleich beim ersten Versuch bemerkt man, wie unter den angestrengten Bewegungen des Insekts, das aus dem Innern hervorzugehen wünscht, das Ende der braunen Hülle an der Seite, wo sich der Kopf der Larve befand, sich wie ein Deckel ablöst. Schaut man nun mit größerer Aufmerksamkeit hin, so sieht man den Kopf des Thieres bald sich aufblähen, bald wieder einschrumpfen, um die alte Haut, worin es ihm jetzt zu eng und unbehaglich wird, bersten zu machen. Und das Aufblähen und Entleeren des Apparates geht abwechselnd wie bei einem Ballon so lange vor sich, bis das Thier sich endlich losgelöst hat und wie ein Phönix aus seinem Futteral hervorschlüpft. Nach Verlauf von wenigen Minuten, während welcher Zeit das erlöste Insekt in seinem noch erdfarbigen Gewand ganz unbeweglich bleibt, nimmt es seine kupferige Färbung und sein sonstiges straffes Aussehen an.

Diese merkwürdige Eigenthümlichkeit gewisser Insekten, bestimmte Theile ihres Körpers aufzublähen und gleichsam als hydraulische Presse zu benutzen, war demnach den Forschern bereits vor den anziehenden Beobachtungen Kunkels kein Geheimniß mehr. Dennoch finden wir in denselben einen neuen Punkt, der nicht weniger beachtenswerth ist, nämlich die gemeinsame Anstrengung mehrerer junger Heuschrecken, sich miteinander zu verbinden, um den Deckel ihres Gefängnisses zu sprengen, den zu beseitigen einer einzigen nicht möglich wäre. L. Haschert.     

Geschoß zum Oelen der See.

Das Oelen der See. Die Verwerthung des Oels zur Glättung der Meereswogen ist bekanntlich eine Frage, welche die öffentliche Aufmerksamkeit seit einer Reihe von Jahren wieder lebhaft beschäftigt. Auch die „Gartenlaube“ hat ihren Lesern im Jahrgang 1888, Halbheft 23 über den Stand der Angelegenheit Bericht erstattet. Neuerdings hat ein Franzose Namens Silas ein Geschoß konstruiert, welches vor allem dem Zweck dienen soll, die Bändigung der gefährlichen Meereswogen auf längere Strecken vor dem fahrenden Schiffe her zu bewerkstelligen. Das Geschoß, welches unsere nebenstehende, dem neuesten, wieder äußerst reichhaltigen und anregenden Bande des „Neuen Universum“ entnommene Abbildung wiedergiebt, ist aus Holz, 46,5 cm lang, besitzt eine innere Höhlung H, welche mit 300 g Oel gefüllt ist, und trägt bei A eine starke Garnumwicklung. Vermittelst eines kleinen Mörsers oder auch einer Schleuder wird es in der gewünschten Richtung in das Wasser geworfen, wo es sich alsbald in der Weise, wie unsere Figur zeigt, aufrecht stellt. Am Boden der Patrone befindet sich nämlich ein Blechbeschlag nebst einer weiteren Beschwerung, während oben bei L ein Korkring ringsum läuft. Hat das Geschoß diese Lage erhalten, wobei die zur Oelkammer führenden Mündungen O unter Wasser zu liegen kommen, so dringt nach Durchweichung einer leichten Löschpapierumwicklung durch jene Mündungen Wasser in die Oelkammer, sinkt vermöge seines größeren spezifischen Gewichts zu Boden und verdrängt ein entsprechendes Quantum Oel, welches alsbald seine beruhigende Wirkung auf die umgebende Wogenfläche ausübt.

Noch ist eine besondere Vorrichtung am Kopfe der Patrone zu erwähnen. Dieser enthält nämlich bei B eine Höhlung, welche mit Phosphorcalcium gefüllt ist. Durch eine unter Wasser liegende Oeffnung, in der Abbildung links unter dem Kopf sichtbar, kommt das Phosphorcalcium mit Wasser in Berührung, es entwickelt sich Phosphorwasserstoff, der in der durchlöcherten Röhre P aufsteigt, sich an der Luft entzündet und mit hellleuchtender Flamme brennt, die im Winde nicht erlöscht. Man kann also vom Schiffe aus auch bei Nacht genau verfolgen, wo das Geschoß schwimmt.

Heilung durch Dynamit. Das ist eine recht verfängliche Ueberschrift für eine kurze Notiz. Die modernen Mordbrenner wollen ja die Gesellschaft mit solchen Mitteln heilen, was vernünftige Menschen eben morden und brennen nennen. Doch nicht von Heilmitteln Mostscher Art soll hier die Rede sein, sondern von einer wirklichen Arznei. Die wenigsten Laien wissen, daß in dem Heilschatze auch das Nitroglycerin, der explodierende Bestandtheil des Dynamits, eine wenn auch bescheidene Stelle einnimmt.

Gegenwärtig wird in den Fachblättern folgender Fall veröffentlicht. Dr. K. Hoffmann, Arzt in Baltimore, wurde eines Tages früh morgens um 9 Uhr zu einer 30jährigen Schauspielerin gerufen, die anscheinend tot im Bette aufgefunden worden war. Es handelte sich um eine Leuchtgasvergiftung. Der Gashahn war in dem kleinen Schlafzimmer vom vorhergehenden Abend 11 Uhr bis zum andern Morgen 9 Uhr offen geblieben. Tot war die Schauspielerin für den Arzt noch nicht, denn er konnte noch einen schwachen Puls und eine langsame oberflächliche Athmung feststellen. Als einige andere Belebungsversuche nichts fruchteten, machte ihr der Arzt eine Einspritzung von 1 Milligramm Nitroglycerin unter die Haut der Herzgegend. Schon nach einer halben Minute hob sich der Puls, das Athemholen wurde tiefer und die Kranke gab einen Laut von sich. Sie wurde bis zum Nachmittag wiederhergestellt – der Sprengstoff hatte ihr geholfen. *     


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

F. R. 29. Ihre „Weihnachts-Fest-Erinnerung“ ist verspätet eingetroffen.

L. J., Gymnasiast in Darmstadt. Die Grabschrift Livingstones in der Westminsterabtei zu London lautet wie folgt: Von treuen Händen über Land und Meer gebracht, ruht hier David Livingstone, Missionar, Reisender, Menschenfreund. Geboren 19. März 1813 in Blantyre, Lanarkshire. Gestorben 1. Mai 1873 in Tschitambos Dorf, Ilala. Dreißig Jahre seines Lebens waren dem unermüdlichen Streben gewidmet, die Völker Afrikas zu evangelisieren, unenthüllte Geheimnisse zu erforschen, den verwüstenden Sklavenhandel in Centralafrika zu vernichten, wo er noch zuletzt die Worte schrieb: „Alles, was ich in meiner Einsamkeit sagen kann ist: möge des Himmels reicher Segen auf jeden, Amerikaner, Engländer oder Türken, herabkommen, welcher helfen will, diese offene Wunde der Welt zu heilen.“ – Die Aufsätze in der „Gartenlaube“ über Livingstone finden Sie leicht unter Hilfe der Register.

R. Schlicht. Leider nicht verwendbar!

P. S. in T. Eine gut geschriebene Gesammtdarstellung der Geschichte unseres Volkes bietet Ihnen in mäßigem Umfang die „Deutsche Geschichte“ von Professor Dr. O. Kämmel (Carl Höckner, Dresden). Sie können das Werk durch jede Buchhandlung beziehen.

A. L. in Barmen. Ihr Gedicht können wir leider nicht verwenden.

A. F. in J. Das Motto des betreffenden Buches heißt auf Deutsch: „Dem bißchen Geist, welches der gute Mann besaß, mußte der Geist anderer Leute zur Ergänzung dienen“ – Die Georginen finden Sie vielleicht unter ihrem Familiennamen „Kompositen“. – Eine Ostertabelle für das 20. Jahrhundert enthält der „Gartenlaube-Kalender“ für das Jahr 1892.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_067.jpg&oldid=- (Version vom 1.7.2023)