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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

„Brauchet ihr Töpffer die reinesten Erden,
Machet die Pfeiffen, als wär’ es Crystall,
Daß sie glatt, eben und kreideweiß werden,
Von Gläser wie das gegossene Metall.
Welchen ihr wollet zum Meister erhöhen,
Laß an den Pfeiffen sein Meisterstück sehen.

Auch so ihr Künstler in Silber und Eisen,
Bringet Erfindung von Stopffern herfür,
Welche von allerhand arthigen Weisen,
Feuerschlag, Zangen, Zahnstöcker, Pitschier,
Pfeiffen und Kratzer und mehrerlei Sachen
Müßt ihr bei dieser auffs künstlichste machen.“

Tabaksbrüder jener Zeit lehrten in ihren „Tabacologien“, d. h. Abhandlungen über den Tabak, von denen eine große Zahl erhalten ist, die Pfeife solle nicht zu kurz oder unter vier Zoll sein; die leichte Zerbrechlichkeit der Thonpfeifen preßte ihnen manchen Stoßseufzer ab, und so riefen sie:

Indianer mit der Kriegspfeife.

„Machet ihr Meister von Messing und Bleche
Dienliche Futter, die zierlich und schön,
Daß man die Pfeiffen nicht leichtlich zerbreche,
Die aus zerbrechlichem Thone bestehn.
Oder die es noch bequemer verlangen,
Pflegen mit silbernen Pfeiffen zu prangen.“

So suchte man, nachdem das Rauchen einmal festen Fuß gefaßt hatte, die Rauchutensilien zu vervollkommnen, und den Thonpfeifen, die in Deutschland vorzüglich zu Köln und zu Almerode in Hessen verfertigt wurden, entstanden bald allerhand Nebenbuhlerinnen.

Bevor wir aber auf diese Neuerungen näher eingehen, möchten wir noch ein wenig der Vergangenheit der Pfeife in ihrer Urheimat, in Nordamerika, nachspüren.

Hier war das Tabakrauchen nicht bloß ein sehr beliebtes privates Genußmittel, es bildete auch einen Teil gottesdienstlicher und amtlicher Handlungen. Der Sonne, welche der Indianer verehrte, wurde der Tabak als Opfer dargebracht und der Rauch aus der Pfeife gegen das leuchtende Tagesgestirn geblasen. Die Indianer besaßen Kriegspfeifen, aus welchen die Männer vor Eröffnung eines Feldzuges gemeinschaftlich zu rauchen pflegten und die der Häuptling auf dem „Kriegspfade“ bei sich führte; sie besaßen aber auch Friedenspfeifen, die unter dem Namen Calumet bekannt sind (vergl. die Abbildung, S. 209 unten, Nr. 2). Das vier bis fünf Fuß lange, aus leichtem Holz verfertigte Calumetrohr wurde mit Schwanzfedern einer Adlerart, mit Bändern, Flechten von Frauenhaar, verschieden gefärbten Kielen von Stachelschweinen, bunten Federn, auch wohl mit weißen Korallenschnüren und Vogelschnäbeln verziert. Jeder Stamm schmückte die Pfeife auf seine Weise, so daß die Indianer beim ersten Blick bestimmen konnten, welcher Nation ein Calumet angehörte. Der Kopf des Calumet war jedoch nicht aus Thon gebrannt, sondern zumeist aus einem eigenartigen Stein, dem „ Catlinit“ oder roten Pfeifenstein, geschnitten, dessen Brüche sich im Westen Dacotas vorfinden. Noch heute gilt jene Gegend den Resten der Indianer als ein geheiligter Grund und Boden. Wir können uns versagen, länger bei diesem Gegenstand zu verweilen, da dieser berühmte Steinbruch Tchanopa-o-kä, das Heiligtum der Roten Rasse, im Jahrgang 1883 der „Gartenlaube“, S. 83, von Rudolf Cronau in Wort und Bild geschildert wurde.

Wie uralt der Gebrauch der Tabakspfeife in Nordamerika ist, darüber geben die vielen in unseren Museen befindlichen nordamerikanischen Pfeifen Aufschluß, deren Ursprung gewiß in vorgeschichtliche Zeiten zurückreicht. In den Thälern des oberen Mississippi, des Missouri und Ohio, sowie an deren Zuflüssen, in Wyoming, Pennsylvanien und den Ländern bis zum St. Lorenzstrome giebt es zahlreiche Grab- und Opferhügel, die man mit dem Namen „Mounds“ bezeichnet und die vermutlich von einem Volksstamme herrühren, der noch vor den Indianern jene Gebiete bewohnte. In diesen „Mounds“ fand man nun neben vielen anderen Geräten sehr häufig Pfeifenköpfe, die bald aus Thon gebrannt, bald aus verschiedenen Gesteinsarten geschnitzt sind, entweder die Form einfacher Schlote haben, oder Tiere, Vögel und Menschenköpfe darstellen (vergl. Abbildung S. 209 unten, Nr. 3, 4 u. 6). Diese Pfeifenköpfe sind den unserigen aus Thon oft zum Verwechseln ähnlich, Jahrtausende hindurch hat sich dieser Typus erhalten, die Moundsleute vermachten sie den nordamerikanischen Indianern und diese wieder den Europäern. Eigenartig sind aber Pfeifen, welche Menschenköpfe oder welche Tiere darstellen, die auf einer gewölbten Platte befestigt sind. Sie bilden zweifellos die ältesten Formen kurzer Pfeifen. Man vergleiche z. B. den Frosch unten auf unserer Abbildung S. 209. In die Höhlung am Rücken stopfte man Tabak, das vordere Ende der Platte, wo eine mit jener Höhlung in Verbindung stehende Röhre mündete, nahm man an die Lippen, das andere aber diente als Griff.

In Mexiko waren zur Zeit der Entdeckung des Landes durch die Spanier die bereits geschilderten Rauchrohre üblich; in ferner zurückliegendes Zeiten war aber auch dort die Tabakspfeife bekannt; denn es wurden an verschiedenen Orten Thonpfeifen ausgegraben, die an virginische erinnern und bald Menschen, bald Tiere darstellen. Dorther stammt das sonderbare Gebilde S. 209 unten, Nr. 5. Am allerbizarrsten nimmt sich eine Pfeife von weichem Thonschiefer aus, die auf der Königin Charlotte-Insel an der Westküste von Nordamerika heimisch ist. Die unten stehende Abbildung giebt sie getreu nach dem im naturhistorischen Hofmuseum zu Wien befindlichen Originale wieder.

Thonschieferpfeife von der Königin Charlotte-Insel.

Die Zeit der ausschließlichen Herrschaft der Thonpfeife sollte aber in Europa und überhaupt in der Alten Welt nicht lange dauern. Schon im 17. Jahrhundert sann man auf Verbesserung des Rauchgeräts, und zwar nach zwei Richtungen hin; einerseits wollte man den zerbrechlichen Thon durch bessere Stoffe ersetzen, anderseits die Pfeifen zum Rauchen geeigneter machen, durch besondere Vorrichtungen die unangenehmen beißenden Wirkungen des Rauches beseitigen.

Für Deutschland ist besonders beachtenswert die Erfindung der Tabakspfeife mit Mundstück und Abguß oder Schwammdose, die der österreichische Arzt Vilarius im Jahre 1689 gemacht haben soll. Diese Art erfreute sich bald einer überaus großen Verbreitung. Am wichtigsten aber für die neuerstandene Industrie war die Wahl neuer Rohstoffe zur Herstellung unseres Rauchgeräts.

Fast gleichzeitig mit den Thonpfeifen erschienen metallene, namentlich silberne Köpfe auf der Bildfläche, fanden aber keinen Anklang. Eine gefährlichere Nebenbuhlerin wurde dagegen die Pfeife aus Holz, deren Herstellung in Süddeutschland, vor allem in Ulm, aber auch im Norden, in Göttingen zu hoher Blüte gelangte (vgl. Abbildung S. 209 oben, Nr. 2 und 5). Man begnügte sich nicht mit einheimischen Holzarten, sondern bezog passende Hölzer aus den verschiedensten Ländern, die Stein- oder Winterheide aus den Pyrenäen, Palysander-, Veilchen- und Campecheholz aus Amerika und Westafrika, wohlriechende türkische Weichsel aus Persien und Cedernholz aus Asien. Die Drechsler hatten viel zu thun und begannen neben Horn auch den Bernstein zu Pfeifenspitzen zu verwenden. Später, gegen Ende des vorigen und namentlich zu Anfang dieses Jahrhunderts, kamen die Porzellanköpfe in Aufnahme und im Thüringer Walde bildete sich ein neuer Sitz dieser Industrie.

Den begehrtesten und schönsten Rohstoff zur Herstellung von Pfeifenköpfen fand man aber zu Anfang des vorigen Jahrhunderts

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_210.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2023)