Um die Erde. Zwölfter Brief: Tchanopa-o-kä, das Heiligthum der rothen Rasse

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Autor: Rudolf Cronau
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Titel: Um die Erde. Zwölfter Brief: Tchanopa-o-kä, das Heiligthum der rothen Rasse
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aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 83–87
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[83]

Um die Erde.

Von Rudolf Cronau.
Zwölfter Brief: Tchanopa-o-kä, das Heiligthum der rothen Rasse.

„Zu den Höhen der Prairien,
Zu dem Bruch der Pfeifensteine
Gitche Manitu, der Mächt’ge,
Er, des Lebens Herr, stieg nieder
Auf des Steinbruchs rothen Klippen
Stand er und berief die Völker,
Rief die Stamme all zusammen …
Von dem rothen Fels des Steinbruchs
Brach er mit der Hand ein Stück sich,
Welches, mit Gestalten schmückend,
Er zum Pfeifenkopfe formte;
Pflückte drauf zum Pfeifenstiele
An des Flusses Rand ein Schilfrohr,
Frisch, voll dunkelgrüner Blätter;
Füllte dann den Kopf der Pfeife
Mit dem Bast der rothen Weide.
In den nahen Wald nun blies er,
Daß sich seine Aeste rieben,
Bis sie gluthumflossen flammten.
Aufrecht auf der Höhe rauchte
Gitche Manitu, der Mächt’ge,
Calumet, die Friedenspfeife,
Als ein Zeichen allen Völkern....“
(Longfellow, „Hiawatha“.)

Der „ferne Westen“ der Vereinigten Staaten ist reich an romantischen, sagenumwobenen Plätzen. Unstreitig aber gebührt unter all diesen durch Gesänge und Traditionen berühmten Orten der erste Rang dem großen Pfeifensteinbruche, dessen Gebiet den kupferfarbenen Urbewohnern Nordamerikas lange Jahrhunderte hindurch als der heiligste aller heiligen Plätze gegolten. Ihre Legenden und Ueberlieferungen kommen darin überein, daß hier nicht allein der Gebrauch der Friedenspfeife, sondern auch die ganze rothe Rasse selbst ihren Ursprung genommen hat.

Es ist noch nicht lange her, daß die Bleichgesichter die erste Kunde von diesem indianischen Heiligthume erhielten. Capitain Carver, der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die Landschaften im Herzen Minnesotas durchstreifte, war der Erste, welcher unbestimmte Nachrichten über die im Südwesten gelegenen „rothen Berge“ brachte, aus deren Gestein die Indianer jene Pfeifen schnitzten, deren Darbietung als ein Zeichen der Freundschaft unter den Rothhäuten gang und gäbe war. Siebenzig Jahre noch blieb das Geheimniß, welches über diesen rothen Bergen ruhte, unentschleiert; Niemand wagte aus Furcht vor den Indianern, die jedem Bleichgesichte die Annäherung zu ihrem Heiligthume verwehrten, sich den rothen Bergen zu nähern.

Erst Georg Catlin, dem bekannten Indianerreisenden, gelang es im Jahre 1832 dieselben zu erreichen; sechs Jahre später kam der Ingenieur Nicolett ebenfalls zum Ziele, und Beide haben Schilderungen des Pfeifensteinbruches gegeben. Doch sind außer einer sehr schwachen und wenig getreuen, dilettantenhaften Abbildung des Bruches, die in Catlin’s Werken zu finden ist, der Welt keine weiteren Aufnahmen bekannt und dürfte die unseren Artikel begleitende Illustration als die erste zuverlässige zu betrachten sein. Noch in neuerer Zeit war der Besuch des seltsamen Gebietes mit großen Gefahren und Schwierigkeiten verknüpft; so wandten sich z. B. 1855 drei Reisende, die von Prairie de Chien gekommen, nicht fern vom Ziele aus Furcht vor den Indianern wieder rückwärts; ebenso eine zweite Partie in der Mitte der sechsziger Jahre.

Mitternacht war vorüber, als ich nach tagelanger harter Fahrt endlich bis zur äußersten Südwestecke des Staates Minnesota vorgedrungen und dem Ziele meiner Reise nahe war. Mit Spannung sah ich dem grauenden Morgen entgegen. Endlich brach dieser an, aber die Witterung hatte sich total geändert; trüb und schwer hingen die Wolken hernieder; ab und zu strichen mit Schnee untermischte Regenschauer über die endlose braune [84] Prairie, aus der sich in der Entfernung von einundeinhalb englischen Meilen eine von Norden nach Süden streichende fleischfarbene Klippenwand, ein senkrecht abfallender Wall in äußerst malerischer, wilder Zerklüftung bis zur Höhe von 25 oder 30 Fuß emporhob, eine Front von etwa zwei bis drei englische Meilen Länge bildend und an seinen Enden in den Boden der Prairie verschwindend. Ein kleiner Strom, der Pipestone Creek, welcher seinen Quell eine kurze Strecke östlich von den Felswänden hat, stürzt sich in verschiedenen Armen über die jähen Klippen herab und wendet sich dann westlich und südlich dem großen Siouxflusse zu, um mit diesem vereint dem Missouri zuzueilen.

Der Pfeifensteinbruch, das Heiligthum der rothen Rasse.
Nach der Natur gezeichnet von dem Specialartisten der „Gartenlaube“ Rudolf Cronau.

Parallel der Klippenwand, in der Entfernung einer halben Meile vor derselben, liegt der eigentliche Pfeifensteinbruch, eine Reihe von fünf bis zehn Fuß tiefen Gruben. welche zu beiden Seiten des Flusses sich auf eine Strecke von je dreiviertel Meilen hinziehen. Diese mit Felsbrocken und Bruchscherben umgebenen, zur Zeit meines Besuches drei bis vier Fuß hoch mit Wasser gefüllten Gruben sind der Fundort des seltsamen Steines.

Schon die Lage desselben ist interessant genug. Er liegt in einer Dicke von ungefähr elf Zoll zwischen zwei Schichten grauen, blaß- und tiefrothen Quarzes eingebettet, und man muß zuerst eine Lage von fünf bis acht Fuß mächtigen, äußerst festen Quarzes durchbrechen, ehe man zu dem heiligen Steine gelangen kann, von welchem wiederum nur eine zweieinhalb Zoll starke Schicht zur Herstellung der Pfeifen und anderer Ornamente taugt, während der übrige Theil zu splitterig und unrein ist. Der Stein, von Farbe eigenthümlich braunroth, ist es, welcher den Indianern diese Localität so heilig und werthvoll macht und sie veranlaßt, [85] alljährlich am Pfeifensteinbruche zu erscheinen und sich hier mit dem nöthigen Quantum für ihren Bedarf an Pfeifen zu versehen.

Die Gewinnung des Steines muß in früheren Jahrhunderten, als die Indianer eiserne Werkzeuge nicht kannten, mit schwerer Arbeit verbunden gewesen sein, und ich erhielt darüber von dem an die neunzig Jahre alten, schier erblindeten Oberhäuptling der Yanktonans, Padani-a-Papi, folgende Mittheilung:

„Als noch meine Väter lebten und ich ein Knabe war, besuchten wir den Pfeifensteinbruch alljährlich in den Monaten Juli und August, der einzigen Zeit, wo das Wasser in den Gruben ausgetrocknet und ein Arbeiten in denselben möglich war. Bevor wir uns dem heiligen Boden nahten, unterwarfen wir uns einer dreitägigen, mit Fasten, Opfern und Gebeten verbundenen Reinigung und flehten zum Großen Geiste, daß er eine recht baldige Sprengung der den heiligen Stein verdeckenden Felsen geschehen lassen möge. Am vierten Tage unserer Reinigung bemalten wir uns und schritten zum Werke. Jeder Krieger nahm einen Felsblock in beide Hände und schmetterte diesen mit aller Macht auf die Felsen, bis dieselben durchbrochen waren. Diese Arbeit währte, da die Felsen sehr hart und dick sind, manchmal Tage und Wochen lang, und gar häufig war das Gestein mit dem Blute unserer Hände und Füße geröthet.“

So der Alte!

Nähern wir uns dem oben erwähnten Klippenzuge, so gewahren wir, daß derselbe unstreitig durch äußere Einflüsse bloßgelegt worden ist und daß die Zerstörung desselben sich in stetigem Fortschreiten befindet. Namentlich wenn wir auf das eigenthümlich geformte Plateau des felsigen Zuges treten, blicken wir so recht [86] in die geheimsten Werkstätten der Natur. Die einzelnen Steinkuppen ragen bald gleich unregelmäßig neben einander gestellten Basaltsäulen empor; bald ähneln sie einem aus kleineren und größeren Platten zusammengesetzten riesigen Steinpflaster. In den Fugen und Spalten desselben rinnt und murmelt es überall; allerwegen blitzen uns kleinere und größere Wasserläufe, Adern und Aederchen, die sich langsam immer tiefer graben, hell entgegen. Das ist ein geheimnißvolles Schaffen und Weben; ein flüssiges, nachgiebiges Element überwindet hier den diamantharten, schier unbezwinglich scheinenden Riesen und zerbricht ihn nach Jahrhunderte langem Ringen zu furchtbar zerklüfteten Trümmern. Eine interessante Erscheinung, welche ich bisher niemals und nirgendwo beobachtet, ist die äußerst glatte Oberfläche der blaßrosa und fleischfarbenen Felsen, die uns überall wie polirt, wie mit einer Glasur übergossen gemahnen, und namentlich an den der Luft und Witterung zumeist ausgesetzten Kanten gleich geschmolzenem Glase erscheinen. Ich hatte während der feuchten Witterung große Vorsicht zu üben und manchmal auf Händen und Füßen zu kriechen, um nicht auszugleiten und an den scharfkantigen Klippen zu zerschellen.

Friedenspfeife.

Einige Schritte nördlich von der Stelle, wo der Pipestone Creek sich über die Klippen hinab in sein felsiges Bette stürzt, steht innerhalb eines furchtbaren Wirrsales eine einzelne Säule aufrecht, abgetrennt von der steinernen Mauer, fünfunddreißig Fuß hoch und sieben im Durchmesser breit, polirt an den Seiten wie auf dem Gipfel. Diese sieben Fuß von dem Walle entfernte Säule, in ihrem oberen Theile fast einem altmexicanischen Idole gleichend und von den Dacotahs Jyan atachakschi, Sprungstein, auch Medicinfelsen genannt, war in früheren Zeiten der Schauplatz seltsamer Bravourstücke.

Indianische Toteme.
Nach der Natur gezeichnet von dem Specialartisten der „Gartenlaube“ Rudolf Cronau.

Es erforderte unbedingt außergewöhnliche Kraft und Geschicklichkeit, um von dem Rande der Klippenwand hinüber auf die kaum zweieinhalb Fuß im Quadrat haltende Oberfläche des einzeln stehenden Felsens zu springen, und noch größere, wieder auf den Wall zurück zu gelangen, da kein Anlauf genommen werden konnte.

Glückte dieses Wagstück, so war der Unternehmende hoher Ehren gewiß, und er durfte sich bis in sein hohes Alter dieser That als einer der hervorragendsten seines Lebens rühmen. Mißlang aber der Sprung, oder wußte sich der Kühne auf der glatten Fläche des Felsens nicht zu halten, so stürzte er in die Tiefe, um einen sicheren Tod auf den gräßlichen Klippen drunten zu finden. Angesichts dieser letzteren Möglichkeit war es darum bei den nach der seltsamen Ehre strebenden Kriegern Brauch, vor der Ausführung ihres Wagstückes all ihren Schmuck anzulegen, um im Falle des Mißlingens festlich geschmückt in das unbekannte Jenseits, in die glücklichen Jagdgründe, zu gehen. Gesicht und Arme prangten in bunten Farben; vom Haupte nickten die langen Adlerfedern; am Halse klirrten Bärenklauen; am Gürtel hingen die Scalpe der erschlagenen Feinde, im Köcher aber staken die schnellen Pfeile, die von dem kühnen Springer, wenn ihm das Wagniß gelungen, als Siegeszeichen in die Risse und Spalten auf der Oberfläche des Sprungsteines eingeklemmt wurden.

Auf der unserem Artikel beigegebenen Illustration (Seite 84 und 85) sehen wir links am Rande einen kleinen eingesunkenen Hügel, welcher auch auf Catlin’s Skizze, dort aber noch als wohlerhalten abgebildet ist. Er barg die Ueberreste eines ausgezeichneten jungen Kriegers, der zwei Jahre vor Catlin’s Besuche während des entscheidenden Sprunges ein jähes Ende fand. Ein wohlerhaltener Backenzahn, von einem Wolfe vor langer Zeit herausgescharrt, war die Reliquie, die ich zur Erinnerung an jenen Verunglückten mit mir nahm.

Von Interesse sind einige kolossale grobkörnige Wanderblöcke, [87] Tausende von Centnern schwer, die wohl in der frühesten Eisperiode hierher gelangt sein mögen. Auf den rothfarbigen Felsplatten, die in weitem Umkreise hier aus dem Boden zu Tage treten, befindet sich eine große Zahl in den Stein gegrabener Toteme und Symbole, die Namenszeichen der indianischen Besucher, also indianische Visitenkarten, Catlin versichert, daß die Zahl dieser Darstellungen an die Tausende gewesen sei, ich konnte indessen nur etwa vierzig bis fünfzig entdecken und lege die bemerkenswerthesten in beigegebenen Nachbildungen vor,

Haben wir so unsere Wanderung im heiligen Pfeifensteinbruch beendet, so bleibt uns noch übrig, auf die mannigfachen Ueberlieferungen und Mythen zurückzublicken, mit welchen der rothe Sohn der Wildniß diese Stätte umgeben hat.

Fast jeder Stamm hat seine eigenen Traditionen über die Theorie der Schöpfung, eine große Zahl derselben aber kommt darin überein, daß der Große Geist die ersten rothen Menschen direct aus dem rothen Pfeifensteine erschaffen habe. Eine Sage der Dacotahs lautet:

„Lange Zeit vor der Erschaffung der Menschen pflegte Wakantanka, der Große Geist,[1] dessen Fußspuren aus dem Felsen des Tchanopa-o-kä in Gestalt großer Vogeltritte noch zu sehen sind, die von ihm getödteten Büffel auf dem Gipfel der rothen Klippen zu verzehren. Das Blut rann über die Felsen und färbte sie roth. Eines Tages kroch eine große Schlange in das Nest des Kriegsadlers, um die Eier desselben zu verzehren. Eines der Eier öffnete sich unter dem Bisse der Schlange mit einem heftigen Donnerschlage, und der Große Geist, herbeikommend, zermalmte die Schlange mit einem Stein und verwandelte das Ei in einen Mann, dessen Füße gleich einem Baume in dem Grunde wurzelten. Dieser Mann stand so viele Jahre, und er ward älter als hundert Menschen der gegenwärtigen Tage. Zuletzt sproß ein Weib ihm zur Seite und ein großes Thier nagte Beider Wurzeln ab, und sie wanderten fort und bevölkerten die Erde.“

Eine andere Tradition erzählt: „In der Zeit der Großen Fluth, welche vor vielen, vielen Jahrhunderten stattfand und alle Nationen der Erde zerstörte, versammelten sich alle Stämme der rothen Menschen auf den Höhen der Prairie, um den Fluthen zu entgehen. Die Wasser aber wuchsen und wuchsen und verschlangen mit der Zeit auch Alle, die sich hierher geflüchtet. Ihr Fleisch wurde zum rothen Pfeifenstein. Nur eine Jungfrau, Kwap-tahw, ergriff während des Sinkens die Füße eines vorüberfliegenden großen Adlers, welcher sie auf den Gipfel einer hohen Klippe trug. Hier gebar sie Zwillinge; der Vater derselben war der Kriegsadler, und diese Kinder bevölkerten die Erde. Aus dem heiligen Pfeifensteine rauchen darum alle indianischen Nationen, diese Handlung als Symbol des Friedens deutend; denn er ist das Fleisch ihrer Vorfahren, und die Adlerfedern schmücken darum auch die Häupter ihrer Krieger. Der Steinbruch aber ist neutraler Grund: er gehört allen Stämmen, und Allen ist es erlaubt, ihn zu besuchen und aus ihm ihre Pfeifen zu brechen.“

Die dritte bemerkenswerthe Ueberlieferung ist endlich die, welche Longfellow in seinen „Hiawatha“ so meisterlich verwebt und welche wir zu Anfang unserer Schilderung bruchstückweise abgeführt haben. Die ursprüngliche Sage lautet:

„In alter Zeit rief der Große Geist hier all die indianischen Stämme zusammen. Auf dem Vorsprung eines Felsen stehend, brach er von der Wand ein Stück und formte es zum Pfeifenköpfe, aus welchem er über ihnen rauchte nach Norden, Süden, Osten und Westen. Er sprach zu den Versammelten, der Stein sei roth, weil er ihr Fleisch sei, darum sollten sie ihn gebrauchen zu ihren Friedenspfeifen. Er gehöre ihnen Allen: Scalpirmesser und Kriegsbeil dürften niemals erhoben werden auf diesem heiligen Grund, andernfalls würden diejenigen, welche hier den heiligen Frieden stören, untergehen. Bei dem letzten Zuge aus seiner Pfeife verschwand der Große Geist in einer Wolke, und die ganze Oberfläche der Felsen war geschmolzen und verglast auf viele Meilen hinaus. Zwei mächtige Feuerschlünde öffneten sich und zwei Frauen, Tso-mec-costee und Tso-mec-coste-wondee, die heiligen Wächterinnen des Platzes, traten in dieselben hinein, umstrahlt vom Lichtschein des Feuers. Und diese Wächterinnen werden noch heute gehört, da sie die Anrufungen der hohen Priester und Medicinmänner beantworten.“

Sämmtliche anderen Mythen und Nachrichten kommen darin überein, daß der Pfeifensteinbruch dereinst neutraler Grund gewesen sei, der allen Stämmen gemeinschaftlich zu eigen war. Von allen Nationen kamen daher die Krieger alljährlich, um Material für ihre Pfeifen zu brechen, während es keinem Weißen erlaubt war, weder den Bruch zu besuchen, noch gar ein Stückchen des Steines hinwegzunehmen. Geschähe das Letztere – so war der Glaube der Indianer – dann würde eine nie zu schließende Wunde in ihr Fleisch geschlagen werden, und alle Stämme müßten verderben und verbluten.

Heutzutage ist der Pfeifensteinbruch kein neutraler Grund mehr, und allem Anschein nach haben im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte fürchterliche Kämpfe um den Besitz desselben stattgefunden, Catlin erzählt, daß die Mandanen daselbst vor langen Jahren ihren Wohnsitz gehabt; noch später scheinen die Omahaws sich zu Eigenthümern des Landes gemacht zu haben, welchen der Bruch wiederum von den Sissetons entrissen wurde. Aus der Zeit jener Kämpfe stammt wohl noch der kreisrunde, mit einer Ausladung versehene, über 2000 Fuß im Umfange haltende Erdwall, dessen jetzt fast gänzlich verwaschene Spuren noch östlich auf dem Plateau sichtbar sind. In unseren Tagen verkauften die Sissetons den Bruch mit einer Menge anderen Landes an die amerikanische Regierung, gegen welchen Act die Yanktonans aber Protest einlegten, da, wie sie behaupteten, der Pfeifensteinbruch nicht den Sissetons allein, sondern der ganzen Nation gehöre, erstere also keine Rechte hätten, den Bruch zu verkaufen. Die zur Ordnung dieser Angelegenheit im Jahre 1858 nach Washington gesandte Delegation der Yanktonans unter Führung ihres Häuptlings Padani-a-Papi erreichte es denn auch, daß der Bruch den Indianern zurückgegeben und die Yanktonans als Eigenthümer rechtmäßig anerkannt wurden. Die Reservation, welche diesen hier eingeräumt ist und den ganzen heiligen Grund umschließt, hält 640 Acres, eine Quadratmeile, und alljährlich erscheinen die rothen Söhne der Wildniß an dieser Stelle, um Steine zu brechen, die sie als hochbezahlte Tauschobjecte auch ferner entlegenen Stämmen mittheilen.

Wenn der Steinbruch auch aufgehört hat, neutraler Grund zu sein, so dauert der Brauch der Friedenspfeife doch noch fort: tritt ein Fremdling in das Wigwam eines Indianers und raucht dieser die Pfeife mit ihm, so ist der Fremde sein Gast, während die prächtig geschmückte Friedenspfeife, vor dem Beginn einer feierlichen Berathung oder eines Friedensschlusses von Mund zu Mund gehend, die freundschaftlichen Gesinnungen der Anwesenden gegen einander besiegelt.


  1. Derselbe ist hier in Gestalt des Kriegsadlers gedacht.