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weh, weh, weh.“ Das war nun freilich eine sehr drastische Art von Anschauungsunterricht, die ihres Eindrucks nicht verfehlt haben wird.

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Das Holen der Ruten für den Lehrer.

Den Lehrern ward zur Pflicht gemacht, die Kinder zu christlicher Zucht und Ehrbarkeit, zum schuldigen Gehorsam gegen ihre Eltern zu erziehen, in Gottes Wort zu unterrichten und zum Gebete herzlich zu vermahnen. Nach Erasmus von Rotterdam sollten die Knaben in der Schule züchtig und still sitzen, nicht brüllen oder murmeln und sich hüten, daß sie gestäupt würden. So sie unterwiesen werden, sollen sie nicht „verwegen widerbellen“. Die Halsstarrigkeit sollten sie ablegen, dagegen gehorsam und aufmerksam sein, fleißig zuhören und was gelesen wurde und der Präzeptor sprach, sich aufzeichnen „und solches alles wie einen Schatz verwahren, auswendig studieren, nicht hinter die Bänke werfen zur Ergötzung der jungen Mäuse“. Auf dem Heimweg von der Schule, wenn die Jungen den Fesseln der Zucht entronnen waren, mag es oft recht wild zugegangen sein. Denn der ehrenwerte Erasmus ermahnt die Knaben, sie sollten züchtig heimgehen, „nicht laufen wie ein Botenläufer“, oder wie eine Sau zum Troge, sollten nicht heulen und brüllen wie die Ochsen, sich nicht keilen wie die Märzenkälber. Nicht hin- und wiederlaufen wie die Antoniusferkleim gethan haben. Und wenn sie des Nachts zu Bette gingen, sollten sie nicht einschlafen, sie hätten denn alles, so sie den ganzen Tag vom Lehrer gehört, wiederholt und nochmals überlegt.

Ein braver Schüler, der diese Vorschriften fleißig befolgte, war der zehnjährige Friedrich Behaim von Nürnberg, der im Januar 1573 seinem Bruder Paul, der in Leipzig studierte, folgenden prächtigen Brief schrieb: „Brüderliche Lieb und Treu und von Gott ein gelikseliges neies Jar winsch ich Dir, lieber Bruder Paulus. Wiß, daß ich frisch auf pin und geren frie in Schul geh mit meinem prezepter Mattes Zoberer, welcher alle Nacht bei mir in der Kammer ligt. Wanns zwei gen Tag schlägt, so heb ich an zu singen und laß dem Mattesen kein ruh, er muß auch herfür. Als dann sehen wir, wo ein Trog mit Suppen ist, den streichen wir miteinander aus und essen und laufen miteinander in die Schul. Wann der Offel (Christoph) und die andern Suppen essen, so haben wir unsere verdaut … Weiter, lieber Bruter, laß ich Dich wissen, daß ich … hab den Donat ausgelernet und lern die Grammatica und den Sintax auswendig; wil mich flux fördern und darnach hinein zu Dir wischen und Deines Prezebters Prezebter werden. Wils Gott, iez nittmeer (d. h. „für heute nicht mehr“) denn spar Dich gesund, bis ein Has fängt ein Hund. Datum der Jener 1573. Dein lieber Bruder Friedrich Behaim.“

Schulstrafe.

Aber es wird auch viele gegeben haben, denen es überall besser gefallen hat als in der Schule. So z. B. unserem Veit Konrad Schwarz, den wir vorhin bei seinem Eintritt in die Schule begleitet haben und der ja überhaupt ein großer Schalk war. Er ging lieber hinter als in die Schule; mit Vögeln zu schachern, Kreisel und Reif zu treiben, mit Schussern (Marbeln) zu spielen war sein größtes Vergnügen. Im Winter 1551, als er ins zehnte Jahr ging, kam er von der lateinischen in die deutsche Schule, um Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen. „Das that ich aufs allerschlechtst,“ sagt er, „denn die Bosheit lag mir mehr im Sinn, denn das Lernen, als ich darauf dachte, was ich nach der Schul ausrichten wollt, ob ich wollt schleifen, Schneeballenwerfen oder Schlittenfahren, oder ob ich einem ein Kampf wollt anbieten, dem, der mich etwa bei meinem Schulmeister, meiner Bosheit oder anders halben, angegeben hat. Da wird dem Lehrer eben oft nichts anderes übrig geblieben sein als den Burschen ordentlich mit der Rute zu stäupen. Die Rute spielte in der Schule die selbe wichtige Rolle wie in der Familie, ohne sie konnten sich die Alten den Lehrer überhaupt nicht denken, auf allen Bildern ist er mit ihr dargestellt – ja er ist mit diesem Attribut sogar auf einem Siegel verewigt, auf dem der Schule zu Höxter aus dem Jahre 1356, das einen Lehrer zeigt, der mit der erhobenen Rechten die Rute über einem knieenden Knaben schwingt. Manche Schulordnungen so die Eßlinger von 1548, machten die häufige Anwendung der Rute förmlich zur Pflicht, und in Heidelberg wurde ein Lehrer entlassen, da er „die Rute nicht brauchen wollte gegen die Jungen.“ Doch waren diese dem Lehrer nicht auf Gnade und Ungnade ausgeliefert, dem Züchtigungsrecht waren bestimmte Schranken gesetzt. In Breisach war es im 16. Jahrhundert strengstens verboten, die Schüler auf das Haupt zu schlagen oder die Faust ihnen gegenüber zu gebrauchen, bloß mit der flache Hand oder der Rute durfte die Strafe erteilt werden. In Frankfurt a. M. mußte der Schulrektor in seinem Amtseid geloben, den Schülern nicht unverdienterweise wehe zu thun.

Der Bedarf an Ruten war für eine Schule ganz ansehnlich. Ihre Herbeischaffung war im Mittelalter seltsamerweise der Schuljugend selbst überlassen. An einem schönen Sommertage zog die ganze Schule in den Wald, um in allgemeiner Fröhlichkeit die Ruten zu schneiden, mit denen die Faulen oder Ungezogenen im Laufe des Jahres nähere Bekanntschaft machen sollten. Waren die Ruten geschnitten, so wurden allerlei Spiele aufgeführt, es wurde gegessen und getrunken und in heiterster Stimmung der Heimweg angetreten. Vielleicht, daß manches heute noch bestehende Schulfest seinen Ursprung diesen Rutenprozessionen verdankt.

Außer mit der Rute wurden die Kinder auch noch mit dem „Asinus“, dem „Esel“, bestraft. Ein Holzschnitt, der in kräftigen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_237.jpg&oldid=- (Version vom 15.12.2023)