Seite:Die Gartenlaube (1897) 875.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

0


Blätter und Blüten.

Gartenlaube-Kalender für das Jahr 1898. Die „alten“ Kalender für das Jahr 1897 werden bald ihren Zweck erfüllt haben und bereits am Jahresschluß tritt der „neueste“ in sein Recht. Da möchten wir unsere Leser auf den „Gartenlaube-Kalender“ aufmerksam machen, der sich schon seit einer Reihe von Jahren, wie seine Verbreitung beweist, einer großen Beliebtheit im deutschen Hause erfreut. Wie seine Vorgänger erscheint im Verlage von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig der „Gartenlaube-Kalender“ für das Jahr 1898 als ein schmales Bändchen Er bietet nicht nur die notwendigen kalendarischen Daten, sondern auch belehrende Notizen wie Post- und Telegraphietarife, statistische Notizen für das Deutsche Reich, Genealogie der europäischen Regentenhäuser u.s.w. Dabei sorgt er auch in ausgiebigem Maße für Unterhaltung, bringt fesselnde Novellen, lustige Scherze und auch interessante Artikel. Die allbeliebte Erzählerin W. Heimburg ist mit einer spannenden und sinnigen Erzählung „Großmutters Kathrin“ vertreten, dieselbe reiht sich als eine neue Perle an die Serie von Novellen „Aus meinen vier Pfählen“, die seit dem Jahre 1888 in dem „Gartenlaube-Kalender“ erscheint. Fritz Bergen hat diese neueste Erzählung W. Heimburgs mit reizenden Illustrationen geschmückt. Außerdem enthält unser Kalender noch folgende Novelle: „Der Seefahrer“, eine Reisegeschichte von Eva Treu mit Illustrationen von A. Liebing, und „Die Heimat“ von Ludvika Blütter mit Bildern von E. Liebich. Sehr interessant und zeitgemäß ist die Abhandlung „Ist Radfahren gesund?“ von Dr. med. Fr. Dornblüth. einen praktischen Kern birgt die postalische Plauderei: „Was von einer richtigen Adressierung abhängt“, während die Beiträge „Bierstudien“ von Dr. Emil Jung und „Rettungs-Apparate für Schiffbrüchige von M. Hagenau der Belehrung Rechnung tragen Dr. Hermann Diez liefert einen gedrängten „Tagesgeschichtlichen Rückblick“ für das verflossene Jahr. Aus dem reichen Bilderschmuck seien noch die Kunstblätter von E. Rau, A. Müller-Lingke und C. Schweninger hervorgehoben. – Dank dieser Mannigfaltigkeit wird auch der neue „Gartenlaube-Kalender“ unsern Lesern willkommen sein. Die gut ausgewählten litterarischen Beiträge geben ihm einen höheren Wert, der über die Jahresfrist hinausdauert. Nachdem das Bändchen als Kalender seinen Dienst gethan, bildet es eine Bereicherung der Hausbibliothek.

Ein alpiner Pflanzenhort. Es giebt einige Tierarten die längst ausgestorben wären, wenn die Menschen sie nicht unter besonderen Schutz gestellt hätten. Wir erinnern nur an das Auerwild, das unter der Obhut der Kaiser von Rußland in der Bialowiezer Heide ein Asyl gefunden hat, und an den Steinbock, für dessen Erhaltung in den Alpen die Könige von Italien gesorgt haben. Bei gleicher Gefahr wie jene Tierarten wird auch eine Anzahl der alpinen Pflanzen bedroht. Diese Tatsache läßt bei dem Naturfreunde den Wunsch rege werden, für diese gefährdeten Pflanzen Zufluchtsstätten zu schaffen, einen alpinen Hort zu gründen, in dem sie gehegt und gepflegt werden können. In den „Mitteilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins“ giebt Eduard Sacher in Krems a. d. D. eine Anregung, die sehr beachtenswert ist und eifrige Unterstützung verdient. Da die Alpenpflanzen je nach ihrer Art einen bestimmte Hintergrund und eine bestimmte Höhenlage verlangen, könnte der Pflanzenhort räumlich nicht an eine Stelle gebunden sein, sondern müßte mehrere Räume in verschiedenen Höhenlagen umfassen. Einige der Anlagen müßten in den Centralalpen, andere in den Kalkalpen und andere wieder im dem Schiefergebirge gelegen sein. Jede Anlage sollte außerdem Stationen in verschiedenen Höhen von 600, 1100, 1600 und 2200 m haben. Außer der Fürsorge für die Erhaltung gefährdeter Pflanzenarten würden diese Horte noch andere wissenschaftliche Aufgaben verfolgen. Man könnte mit ihnen auch praktische Zwecke verbinden. Ein solcher wäre z. B. der Anbau von Getreide und anderen Samen in größeren Höhenlagen zum Zwecke der Abhärtung der Samenkörner, da solche erfahrungsgemäß, später in tiefere Regionen gebaut, sehr günstige Erträge liefern. Einen ganz besonderen Nutzen würden die Pflanzenhorte noch bringen, wenn man in ihnen Studierzimmer für Botaniker einrichte wollte, in welchen Gelehrte und Fachleute für einige Tage oder Wochen ihre Studien ablegen und gegen entsprechende Bezahlung Unterkunft und Verpflegung finden könnte. Ueberhaupt sollten die Pflanzenhorte zu botanischen Versuchsstationen ausgestaltet werden, sollten ein Gegenstück zu den an Tieresufern bereits vorhandenen Zoologischen Stationen bilden. Als vor Jahren Dohrn die erste Zoologische Station in Neapel gründete, konnte er selbst nicht wissen, daß sie im Laufe eines Vierteljahrhunderts die wichtigste Stätte zur Förderung der Zoologie werden würde. Der alpine Pflanzenhort kann vielleicht hinsichtlich der Botanik Aehnliches leisten. In erster Linie sind die Alpenvereine dazu berufen, die praktische Ausführung dieser Idee zu versuchen. Sie werden in ihrem Vorgehen sicher von Regierungen und landwirtschaftlichen Vereinen unterstützt werden, aber auch von privater Seite könnte dieser gewiß nützliche Plan eine wesentliche Förderung erfahren. Wiederholt haben hochherzige Stifter wissenschaftliche Institute, astronomische Observatorien etc. gegründet; in den Alpen bietet sich ihnen ein neues Feld zu einer solchen gemeinnützigen Thätigkeit.

Auf dem Eise. (Zu dem Bilde S. 861.) Glückliche Primaner! Fern zurück liegt die „Jungenzeit“, da man von dem weiblichen Publikum der Eisbahn übersehen und von dem männlichen als Verkehrshindernis aufgefaßt wurde, jetzt ist man erwachsen, beachtenswert und in der bunten Mütze konkurrenzfähig mit Studenten und Lieutenants – ein herrliches Bewußtsein! Und siehe, da nahen auch schon die jungen Damen im halbkurzen Röckchen, deren Gedächtnis gleichfalls nicht weit zurückzureichen braucht, um sie an Schneeballwürfe auf das Schulränzchen und hohnvolle Zurufe derselben jungen Herren zu erinnern, welche heute als angehende Kavaliere eifrig nach Anschluß und Zusammenfahren trachten. Der Kühnste wagt bereits die Anrede an die sich noch heftig „genierenden“ Fräulein – und bald wird die junge Gesellschaft, welche der Künstler hier mit humoristischem Behagen darstellt, als lustige Kette über das Eis hinfliegen! Bn.     

Vor Paris nichts Neues! (Zu dem Bilde S. 869.) „Nichts Neues vor Paris“, so lautet die Meldung, die der Patrouillenführer seinem Vorgesetzten erstattet, und dieser lakonische Bericht rückt die Scene, die der Künstler darstellt, sofort in die entsprechende historische Beleuchtung. Es ist eine Episode aus jener großen Zeit, da deutsche Heere die französische Hauptstadt mit eisernem Ring umklammert hielten, und auch über die augenblickliche Kriegslage, soweit sie nicht auf dem Bild selbst zum Ausdruck kommt, giebt uns diese Meldung erwünschten Bescheid.

Der Kampfesmut der Belagerten, die seit Monaten in größeren und kleineren Ausfällen gegen die eherne Umarmung ankämpften und die Kantonnements unsrer Vorposten mit einem Hagel schwerster Geschosse überschütteten ist in der Hauptsache gebrochen. Noch einmal, am 30. November 1870, hatte der Feind sich zu einem gewaltigen Stoß gegen die seine Ostfront bewachenden Sachsen und Württemberger aufgerafft. Jener Uebermacht war es gelungen, deren Vortruppen aus ihren exponierten Stellungen in Brie und Champigny zu verdrängen und sich auf dem Höhenrand des linken Marneufers festzusetzen. Aber jeder weitere Vorstoß scheiterte an dem Heldenmut der Verteidiger von Villiers und Noisy le Grand, und als nach dreitägigem Kampf das erwartete Entsatzheer von der Loire noch immer nicht eintraf, da sah sich der tapfere General Duerot, der sich beim Auszug aus Paris vermessen hatte, nur als Sieger oder als Leiche dorthin zurückzukehren gezwungen, als ein Besiegter seine gänzlich erschöpfte Armee hinter die schützenden Wälle der Hauptstadt zurückzuführen.

Freilich waren auch auf deutscher Seite die Opfer dieses Kampfes keine geringen gewesen, und so mancher gute Kamerad fehlte in Reih’ und Glied, als die tapferen Schwaben wieder in ihre alten Vorpostenstellungen am Ufer der Marne einrückten. Wohnlicher war es gerade auch nicht geworden in dem kleinen schon vorher hart mitgenommenen Champigny, wo jetzt vollends kein Dachgiebel mehr heil war und die durchlöcherten Mauern von der Wut des überstandenen Kampfes zeugten. Da galt es denn, sich unter den Ruinen, so gut es eben ging, einzurichten für die Feldwache; irgend einen Raum, der wenigstens einigermaßen Schutz gegen die Unbilden der Witterung, wenn auch nicht gegen die feindlichen Granaten bot, für den Führer einen Tisch und einen Stuhl ausfindig zu machen und sodann vor allem den Gegner durch Posten und Patrouille scharf im Auge zu behalten, falls er etwa eine neue Ueberrumpelung beabsichtigen sollte. Allein daran dachten die Franzosen um diese Zeit nicht, sie hatten an der alten noch genug, und wenn auch ihre Forts noch von Zeit zu Zeit die üblichen Grüße herübersandten, bei den Vorposten draußen blieb es ruhig. „Nichts Neues vor Paris“, das war die ständige Meldung auf der ganzen Linie, und damit mußte sich auch die besorgte und ungeduldige Seele in der Heimat zufrieden geben – aber nur kurze Zeit, nicht ganz zwei Monate vergingen, da gab es vor Paris eine große Neuigkeit, die größte und herrlichste, die der Verlauf des Krieges mit sich brachte, und das war, als man im Königsschloß von Versailles König Wilhelm zum Deutschen Kaiser ausrief. C. Hecker.     

Die rote Tasche des Zugführers. Wie die preußische rote Mütze als Auszeichnung für den diensthabenden Stationsbeamten ihren Eroberungszug durch die mitteleuropäischen Staaten – Frankreich ausgenommen – machte, so fängt nunmehr auch die rote Tasche unserer Zugführer an, sich außerhalb der schwarz-weiß-roten-Grenzpfähle einen Platz zu sichern, zunächst in Oesterreich. Dort sind seit einiger Zeit sämtliche Personenzugführer ähnlich wie im Deutschen Reiche, mit einer Diensttasche aus rotem Leder ausgerüstet, die, an einem roten breiten Tragbande befestigt bandelierartig umgehangen wird. Als Verzierung ist auf der Tasche ein großes versilbertes Flügelrad, bei der Staatsbahn auch noch eine Kaiserkrone, und auf dem Tragbande eine große versilberte Schnalle angebracht. – Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieses Abzeichens ist längst erwiesen. Durch dasselbe ist der Zugführer als höchste Dienstperson auf dem fahrenden Zuge für jedermann weithin sichtbar gekennzeichnet und legitimiert. Im Deutschen Reiche hat sich die Einrichtung denn auch seit vielen Jahren bewährt, und die Reisenden haben sich daran gewöhnt. Durch die Einführung in Oesterreich ist nunmehr neben der roten Kopfbedeckung ein zweites internationales „Eisenbahner-Abzeichen“ geschaffen, für welches die deutsche Einrichtung vorbildlich war. Seine Annahme in den übrigen mitteleuropäischen Ländern ist wohl nur eine Frage der Zeit. Reinh. Brand.     

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 875. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_875.jpg&oldid=- (Version vom 9.7.2023)