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In der gefangenen Prinzessin sehen wir einen Ritter, in Schlaf versunken, am Boden liegen. Der Hintergrund des Bildes führt uns seinen Traum vor; man gewahrt eine gefesselte, von einem Riesen bewachte Prinzessin, in deren Zügen man leicht eine Dame erkennt, welcher Schwind bis an sein Lebensende schwärmerische Verehrung zollte. Auf einem entzückend schönen Aquarell hat er dieselbe dargestellt, wie sie, eine vorzügliche Sängerin, die Himmelsleiter emporgestiegen ist, und oben von der hl. Cäcilie empfangen und umarmt wird; sie scheint durch seine Träume ebenso geschwebt zu sein, wie durch die des schlummernden Ritters. Als der Künstler die „gefangene Prinzessin“ eben begonnen hatte, traf ich ihn einst so in seine Arbeit vertieft, dass er mich lange gar nicht bemerkte. Da ich zuletzt ganz nahe zu ihm herantrat, schrack er empor und sagte: „Wenn ich mit einem neuen Bilde beschäftigt bin, sehe ich nichts um mich her und denke jedesmal, etwas gleich Schönes sei nie zuvor gemalt worden.“ Dies charakterisirt ihn, und ich meine, das nämliche müsse bei jedem Künstler der Fall sein; nur aus einer leidenschaftlichen Liebe zu dem, was er schafft, kann das wahre Kunstwerk hervorgehen. Wie sollte Derjenige, der selbst nichts empfindet, der nicht sein ganzes Herz in seine Schöpfung ergiesst, Empfindungen in Andern erregen können?

Einer Reihe von vier Bildern, zu welcher nach der Absicht Schwinds auch das letztgenannte, sowie die „Jungfrau“, zu zählen ist, gehören noch Hero und Leander und die Anachoreten an. Der Name „Liebesgeschichten“, den er diesem Cyklus gab, scheint mir nicht sehr treffend. Will man ihn beibehalten, so stellt die gefangene Prinzessin die sehnsüchtig verlangende Liebe vor, Hero und Leander die unglückliche, die Jungfrau die unerreichbare; die Anachoreten aber lassen sich kaum in den Cyklus einreihen, man müsste denn dabei an die auf alle irdische Liebe verzichtende Weltentsagung denken. Hero und Leander führt den Moment vor, wo Hero, nach langer vergeblicher Erwartung des Geliebten, auf dem Altan ihres Landhauses eingeschlafen ist, und, gerade während ihres Schlummers, die Leiche Leanders zu ihren Füssen an das Ufer gespült wird. Auf den Wellen erblickt man eine Schar von Nereiden, die, wie es scheint, ein Totenlied anstimmen. Das Bild möchte, so schön auch die Figur Leanders gezeichnet ist, zu den schwächern des Meisters gehören. Nach seiner eigenen Angabe hat Schwind dabei mehr das Trauerspiel des ihm befreundeten Grillparzer, als das Gedicht des Musäus vor Augen gehabt. – In den Anachoreten zeigt er sich dagegen wieder in seiner vollen Bedeutung; denn er befindet sich hier auf dem Gebiete, das man sein eigenstes nennen kann und auf dem er keinen Nebenbuhler hat. Diese einsame Waldklause mit ihrem Muttergottesbilde, den beiden Einsiedlern, die in einem Legendenbuche lesen, und dem dritten, der ein Reh füttert, bietet ein Bild des lieblichsten Friedens. Wer das Gemälde nicht bloss mit dem Auge, wer es mit dem Geiste und mit wahrer Hingebung an die Intentionen des Künstlers betrachtet, wird sich von dem Hauche eines solchen Friedens angeweht fühlen.




III.


Nachdem bisher von zwei Meistern die Rede gewesen ist, die uns schon entrissen sind, seien hier zunächst einige andere erwähnt, welche der Geburtszeit nach dem Beginne unseres Jahrhunderts angehören, wenn sie zum Teil auch noch unter den Lebenden weilen. Doch schliesse ich hier vorerst die Landschaftsmaler aus.

Als ein besonderes Glück muss ich es betrachten, dass es mir gelang, ein Oelgemälde des Altmeisters Cornelius in meinen Besitz zu bringen. Oelbilder desselben sind von äusserster Seltenheit, und ich kenne, ausser zweien, die seiner letzten Lebensperiode angehören und sich bei dem Grafen Raczynski, sowie in der Nationalgalerie zu Berlin befinden, nur noch die kleine Grablegung im Thorwaldsenmuseum zu Kopenhagen. Ein unvollendetes, die thörichten und weisen Jungfrauen, soll sich in Düsseldorf befinden. Das meinige, die Flucht nach Aegypten, war Eigentum des Malers Wittmer in Rom, von dem ich es erwarb. Der landschaftliche Hintergrund, in welchem deutlich die Tiberufer zu erkennen sind, rührt von Joseph Koch her, und diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass das Bild in Rom geblieben war, da Koch es auf seinen Schwiegersohn Wittmer vererbt hatte. Seine Entstehung fällt etwa in das Jahr 1818, jene schöne Zeit, als eine Anzahl junger hochbegabter Männer, Cornelius, Overbeck, Veit, Führich, von edler Begeisterung erfüllt, der tief gesunkenen deutschen Kunst neues Leben einzuhauchen bestrebt waren. Sie wählten sich die alten florentinischen und umbrischen Meister Filippo Lippi und Sandro Botticelli, Perugino, Pinturicchio und den jungen Rafael zu Vorbildern. Man hat später viel über diese Anlehnung an die Maler einer Periode, welche der höchsten Ausbildung der Kunst voranging, gespottet; aber es war natürlich, dass die jungen Künstler zu dieser Quelle zurückgingen, um der entarteten, sich nur in Aeusserlichkeit bewegenden Malerei wieder eine Seele einzuflössen; und das ist ihnen gelungen. Ihre besten Bilder sind, bei strenger Zeichnung und edler Formgebung, aus dem innersten Gemüt hervorgequollen und üben daher eine dauernde Anziehungskraft aus, die bis auf den heutigen Tag fortwirkt. Die Fresken der Villa Bartholdy in Rom, welche ein glänzendes Zeugnis von dem schönen und erfolgreichen Streben der genannten jungen Männer geben, sollten als Denkmal dieser Periode beginnender Wiedergeburt unserer Kunst in die Hauptstadt des wiedergeborenen deutschen Reiches