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Modell dazu angewandt. Aber man denke sich dasselbe in naturalistischer Weise aufgefasst – etwa wie ein Pferdemaler einen Vollblutrenner darstellen würde – so wäre der Effekt zerstört. – Ich glaube, dass dieser Karl V. Tizians von keinem Kunstwerke aller Zeiten übertroffen worden ist, noch je übertroffen werden kann. Bisher kannten ihn Wenige; denn obgleich es der Mühe lohnte, eine Reise nach Madrid zu machen, nur um ihn zu sehen, war solche doch nur Einzelnen ausnahmsweise vergönnt. Dass Lenbach nun das Original, im Ganzen wie in jeder Einzelheit, auf so meisterliche Weise reproduzirt und dasselbe einem grösseren Kreise zugänglich gemacht hat, ist ein nicht hoch genug zu schätzendes Verdienst. – Er kopirte weiter noch in Madrid die Herodias des Tizian, oder vielmehr dessen Tochter Lavinia, die das Haupt Johannes des Täufers in einer Schale erhebt. Es ist das schönste von mehreren Exemplaren des Gemäldes, und diese Lavinia, ein Weib in voller Jugendblüte, besiegt an bethörendem Liebreize noch die vielgepriesene im Berliner Museum. Das goldblonde Haar kleidet sie so wohl, dass man begreift, wie die edlen Venezianerinnen täglich mehrere Stunden anwandten, um ihrem Haupthaare eine solche Farbe zu verleihen, und wie ein eigenes Buch verfasst ward, um diese Kunst zu lehren. – Mehr um einige sonst unbeschäftigte Tage nicht nutzlos verstreichen zu lassen, als wegen besonderer Trefflichkeit des Bildes, wandte sich Lenbach zum Kopiren eines weiblichen Porträts von Tintoretto. Es soll die Geliebte dieses Malers sein; ihr anmutiges Gesicht von offenem keckem Ausdrucke gefällt, ohne jedoch zur Bewunderung seiner Schönheit hinzureissen. – Seine letzte Arbeit in Spanien widmete Lenbach einem Bildnisse Philipp IV. von Velasquez. – Dieser Spanier gehört unstreitig in die Reihe der Porträtmaler ersten Ranges. Aber hinter den grossen Venezianern steht er doch zurück, indem diese das Charakteristische, das er zu seinem Hauptprinzip machte, immer der Schönheit unterordneten, und die harten Formen der Wirklichkeit mit einem idealen Reize umkleideten, der ihm fremd ist. Da in seiner Zeit kein Tizian mehr lebte, begreift man übrigens, wie Philipp IV. allein von seiner Hand gemalt sein wollte. Auf unserem Bilde steht der König, ein junger Mann von echt Habsburgischer Physiognomie, im Jagdkostüm, einen Hund zur Seite, vor uns – eine höchst vornehme Erscheinung, in welcher man, trotz der einfachen Tracht, den Herrscher zweier Welten erkennt. In der Unbefangenheit und Natürlichkeit, mit der hier Philipp sich uns zeigt, offenbart sich eine Haupteigentümlichkeit des Velasquez; wir glauben wirklich einen Lebenden, dem wir schon einmal begegnet sind, in einem unbelauschten Momente vor uns zu sehen, während die Männer und Frauen auf den venezianischen Porträts wie die Helden guter Tragödien uns doch immer Wesen höherer Art bedünken.





XII.


Gleichzeitig in Madrid für mich beschäftigt war Ernst von Liphart, ein damals noch sehr junger Mann, der sich früh durch ungemeines Talent für die Malerei, wie durch hohe geistige Bildung auszeichnete. Er kopirte zunächst ein Porträt des berühmten Malers Alonso Cano von Velasquez – ein Werk, das die Vorzüge des letztgenannten teilt; dann ein Gemälde, welches zu den besten Leistungen dieses ausgezeichneten Spaniers gehört.

Wir erblicken den Infanten Balthasar Carlos, Sohn Philipps IV., einen Knaben von noch zartem Alter, wie er auf einem kleinen Rosse, kühn gleich einem Feldherrn, in die Welt hineinsprengt. Es gibt nur wenige Bilder von so frappanter Wirkung wie dieses. In der Landschaft erkennt man sogleich die kahle felsige Umgegend von Madrid, die trotz ihrer Oede mit dem Hintergrunde der schneebedeckten Sierra von Guadarramma von grösstem malerischen Reize ist und in dieser Hinsicht nicht der römischen Campagna weicht. Im Laufe der Zeit ist das Gemälde, ich weiss nicht durch welchen chemischen Prozess, an einigen Stellen zu blau geworden. Dies beeinträchtigt seine Wirkung in etwas; indessen blieb nichts anderes übrig, als bei der Reproduktion die störende Farbe beizubehalten. – Hierauf setzte Liphart seine beste Kraft an die Kopie eines der herrlichsten Bilder des Murillo: es ist dies eine jener, von den Spaniern häufig gemalten Darstellungen der Jungfrau Maria, wie sie von Engeln umgeben, den halben Mond zu ihren Füssen, in seliger Entzückung in den Lüften schwebt. Solche Gemälde der „Conception“ wurden bei den Prozessionen in feierlichem Zuge durch die Strassen der Städte dahingetragen. Murillo hat den Gegenstand häufig behandelt, und ist darin oft noch von Anderen nachgeahmt worden; aber keines der vielen Exemplare kommt dem in Madrid befindlichen an Vorzüglichkeit gleich, selbst das berühmte im Louvre nicht. Dieses ist zwar reicher in der Komposition und von grösserer Farbenpracht, leidet aber im Gesichte der Madonna schon etwas an Affektation, während das der unsrigen durch holdselige Unschuld und Naivetät der reinsten Jungfräulichkeit das Herz gefangen nimmt. – Liphart hatte bereits früher in Florenz Mehreres für mich kopirt; so ein ansprechendes, Giorgione beigelegtes Frauenbildnis, und das grossartige Porträt des Papstes Julius II. von Rafael. Rafael ist in meiner Galerie weit weniger stark vertreten, als andere der grossen Maler. Der Grund hiervon liegt darin, dass fast alle seine Werke schon früher häufig nachgebildet worden sind, und mein Augenmerk sich vorzugsweise auf Gemälde richtete, die nicht gleich allgemein bekannt waren.