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C. F. Schmelzer & Sohn, Werdau
Vigognespinnerei und Färberei.

Seit vier Generationen befindet sich diese Firma nunmehr im Besitze der Familie Schmelzer. Vom Urgroßvater der heutigen Inhaber begründet, repräsentiert sie eines der ältesten und angesehensten Häuser der gewerbfleißigen Stadt Werdau; sie gehört mit zu den hervorragendsten Vertretern der sächsischen Spinnerei-Industrie und hat alle Schicksale und Wandlungen dieser Branche von einer Zeit an, wo man noch ohne Verwendung des Dampfes arbeitete, bis zur hochentwickelten Technik der Gegenwart mit durchgemacht. Ihre Begründung fällt in das Jahr 1820, in dem Herr Christian Friedrich Schmelzer sen. in Gemeinschaft seiner beiden Söhne Christian Friedrich jun. und August in Werdau eine Spinnerei erbaute, für welche die Herstellung reinwollener Ketten- und Schußgarne in Aussicht genommen und die, entsprechend der primitiven Krafterzeugung in damaliger Zeit, noch durch Göpel in Betrieb gesetzt wurde. Erst ein halbes Menschenalter später – 1847 – trat an Stelle des Göpelwerkes der Dampf, und wenn man heute die kolossale Kraftleistung in Betracht zieht, die derselbe zuwege bringt, so klingt es wie ein Märchen, wenn man hört, daß einst in der Kindheit dieser Branche das Rossegespann seine Arbeit notgedrungen ersetzen mußte. Mit der Aufstellung der ersten Dampfmaschine begann denn auch eine neue Ära für das Geschäft. Dasselbe war mittlerweile auf die beiden Söhne des Begründers, die schon vorerwähnten Herren Christian Friedrich Schmelzer jun. und August Schmelzer übergegangen, von denen aber der letztere noch in demselben Jahre, in dem die Herrschaft des Dampfes ihren Anfang nahm, ausschied, so daß Herr Christian Friedrich Schmelzer jun. alleiniger Besitzer wurde.

Herr C. F. Schmelzer führte die Geschäfte des Hauses bis zum Jahre 1866, zu welchem Zeitpunkte er sich ins Privatleben zurückzog, während sein Sohn Herr Rudolf Schmelzer ihm im Besitze der Firma nachfolgte. Derselbe arbeitete unter denselben günstigen Auspicien weiter wie seine Vorgänger, bis am 10. Oktober 1871 eine schwere Katastrophe eine totale Störung des gesamten Betriebes herbeiführte. Das ganze Fabrikgebäude brannte bis auf die Umfassungsmauern nieder. Indes, so schwer auch die erlittenen Verluste waren, die Firma überstand sie und konnte durch sie nur zeitweilig in ihrer Entwicklung gehemmt werden. Bereits 1872 erstand wieder ein mit allen modernen Einrichtungen ausgestatteter Neubau von größerem Umfange als die alten Anlagen und zudem noch durch eine Färberei erweitert. Am 1. August 1872 nahm dann Herr Rudolf Schmelzer

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/353&oldid=- (Version vom 2.4.2020)