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und im Innern überall groß und hell gestaltet. Namentlich macht der Montierraum von 110 m Länge und 20 m Breite mit seinen beiden Seitengalerien und einem durchgehenden als Oberlicht dienenden Glasdachreiter einen ebenso imposanten als freundlichen Eindruck. Sämtliche Gebäude sind durch Schienenwege mit einander verbunden, während das Werk selbst durch ein eigenes Geleis an die Königl. Sächs. Staatsbahn angeschlossen ist, das direkt in den erwähnten Montierraum führt und die dort zur Versendung gelangenden fertigen Maschinen aufnimmt. Der Betrieb der Werkstätten geschieht vorzugsweise durch Elektromotoren, von denen u. a. auch der Gießereilaufkrahn von 15 000 kg Tragfähigkeit bedient wird. Als Beleuchtung ist überall das elektrische Licht in Anwendung, welches von drei Dynamomaschinen und zwei Akkumulatoren geliefert wird. Der Kraftbedarf wird gedeckt durch zwei Compounddampfmaschinen von 70 Pferdekraft und durch zwei Petroleummotore von 40 Pferdekraft. An Werkzeugmaschinen – in der Hauptsache solche größeren Umfanges – sind 148 in Thätigkeit und an Lauf- und Drehkrahnen 9. Die schon jetzt vorhandenen Räume sind so angelegt, daß 700 Arbeiter bequem eingestellt werden können.

Zu den beiden Spezialitäten der Fabrik übergehend, so hat sich Swiderski auf dem Gebiete des Dampfmaschinenbaus einen wohlbegründeten Ruf erworben. Namentlich war er einer der Ersten, welche in der Mitte der siebziger Jahre die Bedeutung des Zweicylinder-(Compound-) Systems erkannten, das heute wegen seines sparsamen Betriebes allgemeine Anwendung findet. Sodann widmet er sich vorzugsweise dem Bau von schnellgehenden Dampfmaschinen für elektrischen Betrieb und ist hierin ständiger Lieferant für die bedeutendsten Installationsfirmen wie z. B. Siemens & Halske, die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft, Schuckert & Cie. u. a. m. Die Fabrik­-Einrichtungen gestatten den Bau von Dampfmaschinen bis zu 1000 Pferdekraft, und die Anzahl der Modelle für liegende, stehende, Ein-, Zwei-, und Dreicylinder-Anordnung mit Schieber-, Ventil- und Corlißsteuerung ist Legion.

Die andere gewissermaßen eine Ergänzung zum Dampfmaschinenbau bildende Spezialität der Fabrik ist der Bau von Petroleummotoren. Es war Swiderski nicht entgangen, daß eine neue Art von Betriebsmaschinen für alle die Orte geschaffen werden müßte, wo die Gasmaschine wegen mangelnden Gases und die Dampfmaschine mit Kessel wegen ihrer hohen Anschaffungs-Kosten oder wegen Platzmangels oder wegen ihres umständlicheren Betriebes nicht zur Aufstellung gelangen konnten. Er verband sich daher mit dem hervorragenden Ingenieur Capitaine, welcher sich schon seit einer Reihe von Jahren mit dem Problem, Petroleum als Kraft nutzbar zu machen, beschäftigt hatte, und der Erfolg hat die beiderseitigen Bemühungen glänzend belohnt, wie die fortwährend sich steigernde Nachfrage nach diesen Maschinen beweist. Die Swiderskischen patentierten Motore finden die mannigfachste Anwendung zu Wasser und zu Lande; durch sie ist ein Mittel gefunden worden, um dem durch die Großindustrie arg bedrängten Kleingewerbe wieder aufzuhelfen. Außerdem sind diese Motore, welche auch in größeren Stärken ausgeführt werden, für die Großindustrie aller der Länder von Bedeutung, in denen Kohlen teuer, Petroleum aber billig ist. Nicht unerwähnt darf hierbei bleiben, daß auch dem Bau der dem Petroleummotor eng verwandten Gasmaschine eingehende Aufmerksamkeit gewidmet wird.

Die Swiderskischen Maschinen wurden auf allen beschickten Ausstellungen durch erste und zweite Preise – 12 an der Zahl, darunter die sehr selten verliehene große preußische Staatsmedaille – ausgezeichnet. Ferner wurde die Fabrik im Jahre 1872 durch den Besuch Sr. Majestät des Königs Johann, im Jahre 1891 durch den Sr. Majestät des Königs Albert und 1892 durch den Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen Max von Sachsen Dr. juris geehrt. Endlich sei erwähnt, daß die Fabrik wegen ihrer musterhaften und zeitgemäßen Einrichtungen häufig von Polytechnischen Gesellschaften, Techniker- und Ingenieur-Vereinen und ähnlichen Korporationen, sowie von Universitäts-Abteilungen und einzelnen Interessenten besichtigt wird und daß das Montagegebäude bereits fünfmal ohne wesentliche Änderung kopiert worden ist.

Schließlich noch die Notiz, daß Swiderski, durch das Vertrauen seiner Mitbürger berufen, früher eine Reihe von Jahren dem Leipziger Stadtverordneten-Kollegium angehörte und jetzt Mitglied der Leipziger Handelskammer ist.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/400&oldid=- (Version vom 2.4.2020)