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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

„Sie werden nicht hinkommen können. Sie werden im Boden stecken bleiben, da er vom Regen jetzt ganz aufgeweicht ist.“ Ich wollte ihr nicht glauben, sondern begab mich an Ort und Stelle. Aber sie hatte Recht; ich konnte wirklich nicht fortkommen; bei jedem Schritt klebten meine Füße in einem dicken röthlichen Erdteig fest, von dessen Beschaffenheit ich nie eine Idee gehabt habe. Ich mußte wieder umkehren und warten, bis die Sonne die Erde getrocknet hatte, was schnell genug vor sich geht. Die Regenschauer, die mich auf Cuba empfangen und beinahe etwas böse gemacht hatten, sind, sagt man, Abschiedsgrüße der nassen Jahreszeit, die jetzt zu Ende geht und für die trockene (la seca) Platz macht, welche bis in den Mai hinein währt. Gestern schien die Sonne den ganzen Tag, und heute, heute habe ich im bischöflichen Garten, lustwandelnd unter Palmen, Bambus und mannigfachen schönen Tropenbäumen, unter prächtigen, ungewöhnlichen Blumen und Schmetterlingen den herrlichsten Morgen gefeiert, allein ein lobpreisender Geist unter den stummen Naturgeistern. Ach, da der Schöpfer uns schon hier auf Erden eine solche Schönheit schauen, eine solche Freude empfinden läßt, was hat er nicht von den Schätzen seines Reichthums für seine vom Staub befreiten, auferstandenen Kinder jenseits des Grabes?

Die Schönheit dieser Bäume und Blumen, die Lieblichkeit dieser Luft läßt mich eine Herrlichkeit der Schöpfung, eine Fülle des Daseins ahnen und gibt mir ein Gefühl von Naturleben, das Alles übersteigt, was ich bis jetzt empfunden habe. Wenn die Natur in einer vollendeten Welt ein Lobgesang von Schönheit, von harmonischer Größe und Lieblichkeit ist, wie wird da nicht das Leben empfunden werden, wie werden wir nicht lobpreisen?! … Wir sind nicht kühn genug, wir sind zu kleingläubig in unsern Blicken ins

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/104&oldid=- (Version vom 15.9.2022)