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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

und Freude, daß der bildende Künstler hier Feder und Pinsel fallen lassen und muthlos wie Carlo Congo beim Tanze sagen muß: „Nein, es lohnt sich doch der Mühe nicht!“ Nein, es lohnt sich der Mühe nicht die Hände zu erheben, um nachzubilden, sondern bloß um anzubeten. Aber es lohnt sich der Mühe diese Bildungen des höchsten Künstlers zu betrachten, um von ihnen Sinn und Kunst veredeln und vergeistigen zu lassen.

Ich stehe Morgens früh auf um zu malen und sehe da von meinem Fenster aus zwei große Hybiscusbüsche mit blutrothen Blumen, umsaust von einem Schwarm smaragdgrüner Colibri. Rund um sie her auf den großen Plänen ist eine Menge Federvieh, das meine Belustigung ausmacht. Zuvörderst kommen zwei hochbeinige, langhalsige, hellrothe Flamingos, die ganz jung am Meeresufer gefangen wurden und jetzt vollkommen zahm sind. Sie haben von Gestalt einige Aehnlichkeit mit Schwänen, aber bedeutend längere und schmalere Beine wie auch längere und schmalere Hälse. Sie haben kleinere Köpfe und große krumme Schnäbel und geben ein schnarchendes Getöne, ähnlich wie die Enten, nur weit stärker von sich, besonders wenn sie nicht zu rechter Zeit gefüttert worden sind, und bei dieser Gelegenheit spazieren sie, wenn sie Madame Carrera herauskommen sehen, brummend ihr nach und scheinen gleichsam zu zanken und mit großem Eifer darüber zu klagen, daß man sie vernachläßigt hat. Ihre Verachtung gegen die Hühner und Gänse ist unbeschreiblich, und die hochvornehmen Mienen, womit sie heransteigen und auf die Hühner herabsehen, gleich als fühlten sie sich beleidigt, daß diese es wagen sich auf ihrem Weg einzufinden, sind köstlich anzuschauen. Die Hühner springen gleichsam gedemüthigt durch ihre vornehme Haltung und das Bewußtsein ihrer eigenen Geringfügigkeit ihnen aus dem Weg, aber die fetten und breiten Gänse, welche Bürgerfrauen neben östreichischen Herzoginnen

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/260&oldid=- (Version vom 14.9.2022)