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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

Augen, an meine Stirne, die morgenfrischen Blätter der jungen neuen Erde; ich wollte mich neu baden in diesem Urdarbrunnen; ich weinte halb vor Wehmuth, halb vor unaussprechlicher Dankbarkeit und Freude. Leicht wie ein Vogel ging ich vorwärts und stimmte in die Hymnen der Vögel ein, denn ich hatte ja hier den Labetrank zu kosten bekommen, nach welchem ich während einer langen, langen Wüstenfahrt gedürstet; ich hatte getrunken, ich trank noch immer des Lebens Fülle aus den Brunnen von Gottes Reichthum und getragen allein von seiner Kraft und den Flügeln, die er mir verliehen bat. Wer war freier, wer war reicher als ich! Was sind die gewöhnlichen Vergnügungen und Genüsse des Lebens, nach denen ich in meiner Kindheit oft gedürstet, im Vergleich mit denjenigen, die mir jetzt zu Theil wurden, und nicht bloß mir, sondern in Zukunft auch noch Vielen, denn noch Viele werden lernen, daß Gott ihnen Flügel gegeben hat, und werden sie benützen lernen.

So wanderte ich voll von glücklichen Gefühlen und Gedanken, bis ich an einen offenen Platz im Walde kam, wo man gelichtet und wo vermuthlich früher irgend eine Colonie gestanden hatte. Jetzt war der Ort verlassen. Der schöne Wald umgab still den offenen öden Platz. Weder Menschen noch Thiere zeigten sich. Es war tiefe, wilde Einsamkeit. Ich hatte mich so sehr an dem Morgenspaziergang erlabt, daß ich mir Mrs. Howland wünschte, um diesen Genuß zu theilen, und ich kehrte also zurück, um sie zu suchen. Ich traf sie am Ufer, am Fuße einiger Cypressen sitzend. Sie war jetzt nicht zum Spazierengehen aufgelegt, deßhalb setzte ich mich zu ihr und betrachtete weiße Blümchen, die umgeben von einem Blätterkranz wie kleine Blumeninseln auf dem Wasser schwammen. Ich kannte ihren Namen nicht, hatte sie aber schon früher während unserer Flußfahrt bemerkt. Da sie auch dicht am Ufer

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/340&oldid=- (Version vom 14.9.2022)