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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

seine vielen verschiedenen Religionssecten, seine vielen abgesonderten Kirchen vor. Dabei übersieht man jedoch, daß sie eine wesentliche Einheit in Lehre und Leben haben, obschon jede besondere Secte sich als solche um eine besondere Wahrheit versammelt hat, welche sie als ihre Fahne aufgepflanzt[1]. Dieß war


  1. Auch die Mormonen? dürften wir mißtrauisch fragen. Ohne mit Bestimmtheit das Auszeichnende in der Lehre der Mormonen erklären zu können, muß ich doch auf den Grund der Notizen, die ich in America über diese Secte, ihre Führer und Lehrer einholte, erklären, daß ich die Beschuldigungen, die man gegen sie erhoben hat, zum großen Theil für falsch halte. Die Mormonen erkennen die Offenbarung und die Bibel der Christen als die ihrige an. Ihre letzten Propheten enthalten (ich habe selbst Gelegenheit gehabt mich davon zu überzeugen) nur nähere speziellere Prophezeiungen von Christus, aber keine neuen Lehren. Die Sitten unter dem Volke sind – so versicherte mich ein denkender Mann, der kein Mormone ist, sich aber zwei Jahre lang unter den Mormonen in Utah aufgehalten hat – ausgezeichnet rein, und die Weiber der Mormonen über alle Verläumdung erhaben. Der Stifter der Secte, Joe Smith, war ein Mann von einfacher Bildung, der aber einige ungewöhnliche Gaben gleichfalls von der secundären prophetischen Art, die man in Schottland unter dem Namen zweites Gesicht kennt, besaß. Er glaubte selbst an seine Offenbarungen – wenigstens an einen Theil von ihnen. Seit seinem Tod wird der Mormonenstaat von Männern regiert, welche Joe Smith zu seinen Nachfolgern verordnet hatte. Sie regieren wie Smith nach dem Bibelwort und den Eingebungen des Geistes. Der hierarchische Character der Regierung bildet gegenwärtig unter klugen Führern ihre Kraft und Macht den Staat zu schnellem Emporblühen zu bringen unter angloamericanischer Sitte und Ordnung, die auch in den großen Salzseethälern ihre schaffende Kraft beweisen
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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/537&oldid=- (Version vom 13.12.2023)