Seite:Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band.djvu/83

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

bequemen Dampfbooten, an die ich in Amerika gewöhnt worden war. Unter dem Verdeck war Alles eng und finster; Cajüten, Gänge und Speisesaal. Um allein sein zu können, hatte ich meine Cajüte weit hinten im Hintertheil gewählt, wo die Bewegung des Schiffes am stärksten empfunden wurde; aber dort befand sich auch ein einsames, dreieckiges Zellchen mit einer runden Fensteröffnung nach dem Meer hinaus. Die Seekrankheit fürchtete ich nicht und hier konnte ich allein sein.

Unter den interessanten Passagieren an Bord befand sich einer der reichsten Pflanzer Louisianas, ein älterer Mann, mit seinem einzigen Kind, einem jungen Mädchen. Ihre Mutter war an der Schwindsucht gestorben, und der Vater hatte die Tochter schon seit ihrer Kindheit so zu erziehen gesucht, daß sie vor der gefährlichen Erbschaft bewahrt bleiben sollte. Sie wuchs in großer Freiheit auf dem Lande auf, war viel draußen in der frischen Luft und durfte keinen Schnürleib tragen. So gedieh sie zu einem schönen blühenden Mädchen. So kam sie ins Gesellschaftsleben hinaus. Nachdem sie einen Winter lang sich geschnürt und in den Gesellschaftskreisen von New-Orleans getanzt hatte, war die schöne Blume gebrochen. Und die Kennzeichen der Krankheit, welche die Mutter dahin gerafft hatte, stellten sich bei der Tochter ein. Der Glanz der Augen, die Röthe der abmagernden Wangen, die ganze Haltung der langen, schlanken Gestalt zeugte von der Gefahr.

Es war rührend den alten Vater zu sehen, wie er dastand und stille die Tochter betrachtete, mit Augen, die von vordringenden Thränen benebelt schienen. Es lag ein so stummer Kummer, ein so starkes Gefühl der Hülflosigkeit in seinem Ausdruck. Sie schaute dann mitunter auf und lächelte ihm freundlich zu wie

Empfohlene Zitierweise:
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/83&oldid=- (Version vom 25.9.2021)