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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

sah es sommerwarm und friedlich, dabei belebend aus. Man merkte, daß ein warmer seelenvoller Geist da wirkte und lebte. Washington Irwing hat, obschon er die Höflichkeit eines Weltmannes und in seinem ganzen Benehmen viel Gutmüthigkeit besitzt, doch etwas von der nervösen Schüchternheit, welche dem Schriftsteller von feinerem Schrot und Korn leicht anhaftet. Der poetische Geist muß für seinen Umgang mit göttlichen Sphären oft durch eine kleine Disharmonie mit der irdischen plumpen Wirklichkeit büßen, und dazu gehört wesentlich der Besuch von Fremden und solche Umgangsformen, wie wir sie in guter Gesellschaft brauchen, Schalen, welche geknackt werden müssen, wenn man zu des Kernes Saft oder Frucht kommen soll. Aber das ist eine Mühe, wozu wir oft nicht Zeit haben. Ein vor längerer Zeit gemaltes Portrait in Washington Irwings Salon stellt ihn als einen ausgezeichnet schönen Mann dar, mit dunkeln Haaren und dunkeln Augen — ein Kopf, der einem Spanier gehört haben konnte. Er soll auch in seiner Jugend ungewöhnlich schön gewesen sein. Er war mit einem jungen Mädchen von seltener Schönheit und Herzensgüte verlobt, und man hatte Mühe sich ein schöneres Paar zu denken. Aber sie starb und Washington Irwing suchte hernach keine andere Braut mehr. Er war weise genug, sich mit der schönen Erinnerung an eine vollkommene Liebe zu begnügen und für seine Wissenschaft, für die Freundschaft und die Natur zu leben. Er ist ein Weiser ohne Runzeln und graue Haare. Washington Irwing beschäftigte sich eben mit seiner Biographie Mohameds, die er binnen kurzem herausgeben will. Zwei Frauenzimmer, ein älteres und ein jüngeres, nicht schön, aber mit seelenvollen Gesichtern und nahe Verwandte von Washington Irwing, waren im Hause.

Bei Hamilton empfing ich wieder eine Menge Gäste; lauter schönes, freundliches, offenherziges Volk.

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/82&oldid=- (Version vom 17.3.2019)