Seite:Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band.djvu/520

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

sondern mit dem Gefühl, eine der jungen Mütter der Menschheit zu sein.

Und ich kenne kein schöneres Bild. Solche junge Weiber sind die wahren Romanheldinnen unserer Tage.

Als ich fragte, woher die liebliche Jungfrau ihre Kraft und milde Anmuth, ihr hohes Gefühl vom Adel des Lebens und vom Ziele der Menschheit geschöpft hatte, da erhob sich in holder, aber ernster Schönheit das Bild ihrer dahingegangenen Mutter.

„Ich erinnere mich — erzählte sie eines Abends, als wir zur Dämmerungszeit in einer Causeuse saßen — ich erinnere mich, wie sie, als ich noch ein kleines Mädchen war, Morgens mit mir auszugehen und über die grünen Hügel hin zu spazieren pflegte, wenn der Thau noch im Gras glänzte, wie sie mir dann die kleine Kleeblume auf dem Feld zeigte, die mein Fuß zertrat, wie sie mir die Vollkommenheit derselben auseinandersetzte und mich kosten ließ, wie reich sie an Honigsaft war.“

Klare Perlen glänzten in den schönen Augen der Erzählerin. Die kleine Kleeblume hatte ihr Haupt erhoben. Sie war Mensch geworden.

Ich sah Powers Amerikanerin vor mir, aber nicht blos in Marmor, sondern leibhaftig und lebendig.

Meine andere angenehme Bekanntschaft an Bord ist ein Herr zwischen vierzig und fünfzig Jahren, mit einem jener reinen schönen Gesichter, zu denen man nothwendig Vertrauen fassen muß: er erinnert durch seine Offenheit und seinen Ernst an unsern König Gustav II., obschon seine Miene einen weniger kriegerischen Ausdruck hat. Mein neuer Freund hat etwas Phlegmatisches und Contemplatives. Seine Unterhaltung gewährt mir ungemeines Vergnügen. Erschrick nicht, wenn ich Dir sage, daß er lange als Plantagenbesitzer und Sklavenhalter

Empfohlene Zitierweise:
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 502. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/520&oldid=- (Version vom 20.8.2021)