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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

Arbeit mehr leidet, als die der Männer, so daß sie nicht so lang dabei auszuharren vermögen. Man hofft auch dieser unbilligen Theilung abhelfen zu können, sobald die Frauenzimmer mehr Mittel finden, sich etwas zu verdienen. Und solche Mittel und Wege beginnen sich immer mehr zu eröffnen. Eine ausgezeichnete junge Dame hier in der Stadt hat in dieser Beziehung als Aerztin Bahn für ihr Geschlecht gebrochen, sie hat sich im Kampf mit unendlichen Schwierigkeiten und Vorurtheilen (auch hier in diesem freien Lande!) so entschlossen gezeigt und durch ihr Talent einen so glänzenden Sieg davon getragen, daß man jetzt im Begriff steht, ein medicinisches Collegium für Frauenzimmer zu bilden, wo sie studiren und doctoriren können.

Das freut mich unendlich. Wie nützlich werden nicht diese Aerztinnen für ihr eigenes Geschlecht und für die Pflege der Kinder werden, namentlich bei ihren vielen besondern Krankheiten, für deren Behandlung die Frauenzimmer ein besonderes Talent zu haben scheinen!

Was industrielle Geschäfte betrifft, so glaube ich, daß die Erziehung der Frauenzimmer auch hier bedeutend vernachlässigt wird. Sie sollten weit allgemeiner, als es bis jetzt der Fall ist, in der Buchführung unterrichtet werden. In Frankreich sind die Frauenzimmer in dieser Beziehung viel weiter gekommen als hier. Und hier, wo zwei Drittel der Bevölkerung Handel treiben, wäre es von großer Wichtigkeit, wenn die Frauenzimmer das Rechnungswesen besorgen könnten. Gegenwärtig besteht ihr vornehmstes Amt außer dem Hause im Unterricht der Jugend. Ich sah dieser Tage ein Mädchen von etwa zwanzig Jahren einer Klasse von Jünglingen, unter denen sich Einige von mehr als zwanzig befanden, Declamationsunterricht ertheilen. Sie besaß ein ausgezeichnetes Talent für diese Kunst, und die Jünglinge nahmen ihre Berichtigungen

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/63&oldid=- (Version vom 4.8.2020)