Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band | |
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denen ich sprechen mußte. Sie sind außerordentlich höflich. Später jedoch werde ich mein Ohr den Geschäften leihen und die leichte Conversation Anna Lynch überlassen, welche eine Meisterin darin ist, während ich nur eine Pfuscherin bin. Vom Capitol fuhren wir zum Präsidenten, der seinen Empfangtag hatte. Wir kamen spät, so daß wir allein bei dem alten Herrn waren, der heiter und freundlich war und uns von den südlichen Indianern allerlei Dinge erzählte, welche Miß Lynchs und meine etwas allzu romantische Vorstellungen von ihnen bedeutend abkühlten. Hinter seiner galanten Freundlichkeit glaubte ich eine Wolke geheimen Kummers zu erblicken, die er verbergen wollte. Seine Tochter, die Oberstin Blix, war in ihrem weißen Kleid unendlich anmuthig und schön. Sie ist ein stilles und äußerst gebildetes Wesen.
Gestern war ich über Mittag bei Professor Henry, einem ber berühmtesten Chemiker hier zu Lande. Ich fand in ihm einen großen Bewunderer von Berzelius und Oersted, wie auch einen außerordentlich liebenswürdigen Mann. Vicepräsident Fillmore kam gegen Abend. Er ist ein vollkommener Gentleman und äußerst angenehm in der Conversation.
Gestern Abend war ich mit Daniel Webster und verschiedenen andern Personen bei Mr. und Mrs. Sexton, den Eltern der Mrs. Schröder, einem schönen älteren Pärchen. Webster hat eine ungesunde, blaßgelbe Gesichtsfarbe, er geht viel allein, ist schweigsam, und sieht bedrückt und zerstreut aus. Seine schöne, freundliche Frau placirte ihn neben mich, da sie mir das Vergnügen gewähren wollte, mit ihm zu sprechen. Er hat merkwürdige Augen; wenn sie sich gegen Einen kehren, meint man in Katakomben voll alter Weißheit
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/74&oldid=- (Version vom 4.8.2020)