sie äßen ungesäuertes Brot, weil ihre Ahnen das Getreide gestohlen hatten und in der Eile und Angst das Brot nicht gehörig backen konnten; sie verehrten einen Esel, dessen Bild im innersten Heiligtume ihres Tempels aufgestellt sei, weil Esel ihren Ahnen in der Wüste eine Quelle gezeigt und sie dadurch vom Tode des Verdurstens gerettet hätten; sie mästeten alljährlich in ihrem Tempel einen Griechen, um ihn als Opfer zu schlachten, und was derlei Lügen mehr sind: aber den Vorwurf des Wuchers hat man in der Zeit des römischen Reiches gegen die Juden nicht erhoben. Erst dann, als die Juden keinen Grund und Boden mehr besitzen durften, und auch die Ausübung von Handwerken ihnen erschwert oder unmöglich gemacht war, verlegten sie sich auf den Handel und die Geldgeschäfte, die sie wie ein Monopol betrieben, weil den Christen Zins zu nehmen verboten war. Erst von dieser Zeit an werden Klagen über den Wucher der Juden laut, die man früher nicht gehört hatte. Will Menzel darum die Juden ein „Ungeziefer“ nennen, so muß man doch, um gerecht zu sein, auch beifügen, daß sie ein solches früher nicht waren, und wo sie es etwa geworden sind, durch die Gesetzgebung dazu gemacht wurden.
Zu Anfang des siebenten Jahrhunderts war die Zahl der Juden auf der pyrenäischen Halbinsel schon so hoch angewachsen, daß sie als eine Plage der Christen bezeichnet wurden. Um das christliche Volk von dieser Plage zu befreien, beschloß König Sisebut, die Juden entweder aus dem Lande zu vertreiben, oder ihrer feindlichen Sonderstellung mitten unter den Christen durch die Bekehrung zum Christentum ein Ende zu machen, damit sie im Glauben, in den Sitten und hauptsächlich auch in der Arbeit den Christen gleich kämen. „Man hat das,“ sagt der genannte Geschichtschreiber W. Menzel, „eine himmelschreiende Verfolgung genannt, was es aber nicht war, denn die Juden waren nicht gehindert, auszuwandern.“ Eine blutige Verfolgung war es allerdings nicht, aber die Ausweisung war doch von so harten und schmerzlichen Folgen begleitet, daß die Mehrheit der Juden sich, freilich nur zum Scheine, lieber taufen ließ.
Dieses von dem König Sisebut gebrauchte Mittel, um das Christenvolk von der Plage der Juden zu befreien, hatte die gewünschte Wirkung nicht, denn schon um das Jahr 636 waren die Juden in Spanien und Portugal wieder so zahlreich vorhanden, daß König Chinthila glaubte, er müsse den Befehl geben, sie aufs neue aus dem Lande zu vertreiben. Doch auch diesmal wußten sich die Juden durch Bestechung der Beamten in großen Massen im Lande zu behaupten.
Gegen das Ende des siebenten Jahrhunderts zeigten sich die ersten Saracenen oder mohammedanischen Araber an Spaniens Küsten. Als der König Egiza Kunde davon erhielt und zugleich von Umtrieben der Juden hörte, welche sich bemühten, die Araber ins Land hereinzuziehen, erneuerte er den alten Ausweisungsbefehl. Aber auch diesmal wußten die Juden dem königlichen Befehl auszuweichen, indem sie den gotischen Grafen Geldsummen in die Hand drückten, die sie dann nach wie vor gewähren ließen.
Auch in anderen Ländern Europas wurden die Juden im siebenten Jahrhundert verfolgt, wozu ihre Religionsgenossen im Morgenlande
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)